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Statt Krankenhaus: Patienten werden von der Telemedizin profitieren
Modellprojekt
Telemedizin kann Leben retten. Davon ist Mathias Redders überzeugt. Er hat das Konzept für das Telemedizinische Kompetenzzentrum entwickelt, das jetzt in Stadtlohn entsteht.
Das Stadtlohner Krankenhaus Maria-Hilf ist bald Vergangenheit. Bis 2025 konzentriert das Klinikum Westmünsterland seine Krankenhäuser an den Standorten Ahaus, Borken und Bocholt. Das wurde vor wenigen Tagen bekannt.
Auf dem Stadtlohner Gesundheitscampus Maria-Hilf beginnt nun aber auch die Zukunft. Hier entsteht ein Telemedizinisches Kompetenz- und Versorgungszentrum.
„Arztbriefe werden immer noch auf Papier verschickt“
Die Digitalisierung ist das große aktuelle Thema in der Medizin. Das ist aber noch zu oft nur ein Blick in die Zukunft. „Das Internet ist schon 50 Jahre alt, aber Arztbriefe werden immer noch auf Papier verschickt“, so beschreibt Mathias Redders den medizinischen Alltag der Gegenwart. Dass das Telemedizinische Kompetenz- und Versorgungszentrum in Stadtlohn angesiedelt wird, ist nicht zuletzt auch ihm zu verdanken.

Kuratoriumsmitglied Mathias Redders vor dem Stadtlohner Krankenhaus Maria-Hilf, das in den nächsten Jahren geschlossen werden soll. Hier soll neben einer Pflegeeinrichtung ein Integriertes Telemedizinisches Kompetenz- und Versorgungszentrum eingerichtet werden. © Stefan Grothues
Mathias Redders ist bekennender Stadtlohner. Daran hat auch seine 34-jährige Berufszeit im Düsseldorfer Gesundheitsministerium nichts geändert. Dort war er zuletzt als Ministerialrat unter anderem für Telematik im Gesundheitswesen tätig. Zudem war er Vorsitzender der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Telematik im Gesundheitswesen.
Seit 2019 ist der heute 66-Jährige ein Ruheständler. Helmut Könning, Vorsitzender des Stadtlohner Krankenhauskuratoriums und seinerzeit noch Bürgermeister, lud den Experten 2020 dazu ein, Ideen zu entwickeln: Wie könnten für das Stadtlohner Krankenhaus neue Akzente und Weiterentwicklungsmöglichkeiten geschaffen werden?
Land stellt 1,5 Millionen Euro bereit
Damals war von einer Schließung des Krankenhauses noch keine Rede. Redders nahm das Ehrenamt an, wurde Kuratoriumsmitglied und entwickelte das Konzept für das Telemedizinische Kompetenz- und Versorgungszentrum. Dafür stellt das Land jetzt 1,5 Millionen Euro bereit.
„Wir stehen mit der elektronischen Kommunikation zwischen Arzt und Facharztpraxen, Krankenhäusern, Apothekern und vielen anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens ganz am Anfang“, sagt Mathias Redders. Und er betont: „Das liegt aber nicht an den Ärzten.“ Vielmehr habe es viele Diskussionen zur Technik, zum Datenschutz und zur Datensicherheit gegeben. Redders: „Da haben wir jetzt aber gute Lösungen gefunden.“
„Wir wollen den Ärzten nichts überstülpen“
Das Telemedizinische Kompetenz- und Versorgungszentrum soll nun als Lotse Schwung in die digitale Vernetzung der Haus- und Fachärzte mit ihren Kollegen in den Krankenhäusern in Ahaus, Borken und Bocholt bringen. Wichtig ist Mathias Redders dabei: „Wir wollen den Ärzten nichts überstülpen. Wir wollen gemeinsam mit den Ärzten die Digitalisierung voranbringen. Wir müssen die Ärzte mitnehmen.“
Dabei steht für Mathias Redders nicht die Kostensenkung oder ein Effizienzgedanke im Mittelpunkt. „Ziel ist die Verbesserung der medizinischen Versorgung.“ Und da sieht Redders große Chancen in der Digitalisierung:
- Elektronische Fall- und Patientenakten zwischen den Ärzten verbessern den Informationsfluss zum Wohle des Patienten.
- Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, elektronische Rezepte und digitale Anwendungen vereinfachen viele Abläufe.
- Abrechenbare Videosprechstunden für niedergelassene Ärzte (Telekonsile) eröffnen ganz neue Möglichkeiten der Beratung.
- Fernuntersuchung, -diagnose und -überwachung des Patienten durch den behandelnden Arzt ermöglicht es zum Beispiel Patienten mit Herzinsuffizienz, ein normales Leben weiterführen.
- Televisiten in den Krankenhäusern mit Anbindung an das Virtuelle Krankenhaus bringen die Expertise zum Beispiel aus den Unikliniken in Münster oder Aachen direkt an die Patientenbetten in Ahaus, Borken oder Bocholt.
Gerade in den Televisiten sieht Mathias Redders ganz neue Chancen, seltene Erkrankungen durch direkte Anknüpfung an die Spitzenmedizin besser zu diagnostizieren und zu therapieren. „Wir haben die feste Zusage, dass das Klinikum Westmünsterland an das Virtuelle Krankenhaus, einem Vorzeigeprojekt des Landes, telemedizinisch angebunden werden kann“, sagt Redders.
Es sei zum Beispiel am Universitätsklinikum Münster wissenschaftlich nachgewiesen worden, dass die Sterblichkeitsrate durch telemedizinische Konsile für Covid-19-Patienten deutlich gesenkt werden konnte.
Wie geht es denn jetzt mit dem Telemedizinischen Kompetenz- und Versorgungszentrum in Stadtlohn konkret weiter? Möglichst schnell sollen jetzt zwei bis drei Stellen besetzt werden, „idealerweise mit einem digital interessierten Mediziner und einem Experten für Digitalisierung und Medizintechnik.“ Die Lenkungsgruppe will nun Profile und Zeitplan festlegen.
2022 soll Modellprojekt Beratungstätigkeit aufnehmen
Ab Anfang 2022 soll das Telemedizinische Kompetenz- und Versorgungszentrum in einem ersten Schritt die rund 40 Haus- und Fachärzte in Stadtlohn, Legden und Vreden auf dem Weg in die digitale Zukunft beraten und praktisch begleiten. In Stufe 2 sollen 350 weitere Haus- und Fachärzte in und um Ahaus, Borken und Bocholt einbezogen werden.
Mathias Redders hat ein klares Ziel: „Bis Ende 2024 soll es eine umfassende Vernetzung geben, sodass Daten, Nachrichten, Befunde, Röntgenbilder, Medikationsplan und alle weiteren Dokumente ohne jegliche Medienbrüche vom Haus- und Facharzt zum Krankenhaus, zur Apotheke und später auch zu weiteren Gesundheitsfachberufen gelangen können.“
Profilierungschance für Stadtlohn
Dafür sollen jetzt alle Stationen in den Krankenhäusern in Ahaus, Borken und Bocholt technisch mit Tele-Visitenwagen ausgestattet werden. Auch die Arztpraxen sollen mit digitaler Technik aufgerüstet werden. Geplant sind Investitionen in Höhe von 1,5 Millionen Euro. Redders betont: „Hinzu kommen dann natürlich noch weitere Mittel, die Arztpraxen, Apotheken und Krankenhäusern für Investitionen zur Verfügung gestellt werden.“
Mathias Redders sieht in dem Telemedizin-Modellprojekt eine echte Chance für die Region, aber insbesondere auch für seine Heimatstadt: „Wir müssen die Gunst der Stunde auch für Stadtlohn nutzen. Ahaus wirbt erfolgreich für sich als Digitalstadt. Stadtlohn könnte in Zukunft für Digitalisierung und Fortschritt in der für die Menschen wichtigsten Daseinsfrage stehen: der Gesundheit.“