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Minderjährige hinter Disko vergewaltigt: Schwere Anschuldigungen gegen Stadtlohner
Verbrechen
Der Mann erschien ihr als Retter in der Not, doch dann soll der Stadtlohner die seinerzeit 14-Jährige vergewaltigt haben. Aber der Fall vor dem Landgericht nimmt eine unvorhergesehene Wendung.
Der Abend des 11. November 2017 hatte vielversprechend begonnen. Das mutmaßliche Opfer traf sich mit einer Freundin, gemeinsam wollten die Teenager aus Borken etwas unternehmen, feiern gehen.
Ihre Wahl fiel auf das Rio Palace, eine Großraumdisko in einem Gewerbegebiet in Gescher. Der Mutter erzählte die seinerzeit 14-Jährige, sie würde bei der Freundin übernachten.
So weit, so normal erscheint die Geschichte, die die junge Frau am Mittwoch vor der Achten Großen Strafkammer im Landgericht erzählt. Die beiden Mädchen feierten, sie tranken in nicht unerheblichen Mengen Alkohol.
Im Laufe des Abends traf die Borkenerin auf den Angeklagten. Der heute 25-Jährige feierte dort mit Bekannten. Eher zufällig lernte er das Mädchen kennen, ein Kuss vor der Toilette, danach trennten sich die Wege wieder. „Skurril“ nennt sein Anwalt das Aufeinandertreffen.
Verhängnisvolles Wiedersehen in den Morgenstunden
Aber das ungleiche Duo sollte sich wiedersehen – in den frühen Morgenstunden. Das Mädchen wollte die Diskothek verlassen, aber sie fand ihre Verzehrkarte nicht wieder. Und den erforderlichen Betrag zur Auslöse konnte sie nicht aufbringen. Zu dem, was danach geschah, gibt es zwei unterschiedliche Versionen.
Der Angeklagte war bei der Szene am Ausgang zufällig anwesend und habe der hilfesuchenden Borkenerin beistehen wollen, wie er über seinen Anwalt berichten lässt. „Er hat dann den Fehler gemacht zu sagen ‚Ich weiß, wie ich dich hier rauskriege‘“, erklärt der Rechtsbeistand. Über einen Hinterausgang habe sein Mandant das Mädchen aus ihrer Situation befreien wollen. Draußen sei es zu einvernehmlichem Oralverkehr gekommen.
Die Version der heute 17-Jährigen, die einer öffentlichen Aussage explizit zustimmt, ist eine andere. Sie beginnt ebenfalls an der Kasse: „Ein Security meinte, dass jemand das mit mir klären möchte. Da war dann der Typ.“ Zusammen gingen sie vom Kassenbereich durch die sich leerende Diskothek, hinten in den Raucherbereich und dann weiter zu einer mit Kabelbindern verriegelten Tür, die der Angeklagte mithilfe eines Feuerzeugs öffnete. Das habe sie als merkwürdig empfunden.
Doch der Angeklagte verlangte, so berichtet sie, eine Gegenleistung für seinen Gefallen: „Erst dachte ich, das bleibt beim Küssen, dass ich dann gehen kann.“ Der Polizeibeamte, der sie seinerzeit vernommen hatte, bezeichnet das später als „kindliche Naivität“.
Vergewaltigung hinter der Disko?
Doch es kam anders: Der Angeklagte habe ihr die Hose heruntergerissen, sie habe versucht, Widerstand zu leisten. „Klar und deutlich habe ich nicht ‚nein‘ gesagt“, erklärt die tränenüberströmte Frau auf Nachfrage des Richters. Eine eindeutige Aussage, ob es zu einer Penetration gekommen sei, kann sie nicht machen.
Genau hier unterscheidet sich die Aussage der Borkenerin von dem, was sie dreieinhalb Jahre zuvor zu Protokoll gegeben hatte. Dort ist davon die Rede, dass der Angeklagte sie zunächst anal vergewaltigt, anschließend zum Oralverkehr gezwungen und dass sie sich verbal und körperlich zur Wehr gesetzt habe.
Der Richter zitiert aus der Vernehmung vom 12. November: „Wenn er ein paar mal bei mir rein könnte, bräuchte ich die 30 Euro nicht zahlen. Er zog mich in den Haaren, hielt mich fest. Ich sagte, ich will das nicht.“ Am Mittwoch aber bestätigt sie ihre Aussage, auch auf die detaillierten Nachfragen des Richters hin, nicht: „Ich bin mir nicht zu 100 Prozent sicher, ob ich gesagt habe, dass ich das nicht will.“
Der Vorsitzende wiederum zeigte sich ob der überraschenden Aussage irritiert: „Ich verstehe nicht ganz, dass das nicht mehr präsent ist. Sie sagen, Sie wissen nicht, ob Sie das ausgesprochen haben, dass Sie es nicht wollen. Aber in den Vernehmungen haben Sie es deutlich gesagt.“
Nach der mutmaßlichen Tat stellten die Sicherheitskräfte das Duo hinter der Disko und führten sie ins Büro des Geschäftsführers, wo das Mädchen von den Geschehnissen berichtete. Die Polizei zog trotz des Tatvorwurfs niemand hinzu. Das tat erst die Mutter, als sie am nächsten Tag davon erfuhr.
Nach der Aussage der jungen Frau werde es schwierig, dem Angeklagten einen Vorsatz nachzuweisen, erklärte der Richter im Anschluss. Die übrige Beweislage ist nicht eindeutig.
Im Krankenhaus wurden bei dem Mädchen seinerzeit keine Verletzungen festgestellt. Aber es wurden männliche DNA-Spuren in den Proben aus dem Intimbereich des mutmaßlichen Opfers gefunden. Eindeutig zugeordnet werden konnten sie allerdings nicht.
Prozess erst nach dreieinhalb Jahren
Auch auf den Videoaufnahmen der Diskothek sind keine strafbaren Handlungen zu sehen – allerdings verschwinden der Angeklagte und die Teenagerin für einige Minuten aus dem Sichtbereich der Überwachungskameras. Ebenfalls ist deutlich zu erkennen, wie das mutmaßliche Opfer vor der Diskothek aufgelöst in den Armen ihrer Freundin liegt, die draußen auf sie gewartet hatte.
Der Umstand, dass es dreieinhalb Jahre dauerte bis zur Prozesseröffnung, dürfte der Wahrheitsfindung nicht zuträglich sein. Alle Zeugen verweisen auf Gedächtnislücken. „Das Verfahren hat leider immer wieder hinten angestanden“, entschuldigt sich der Richter. Der Prozess wird am 18. August fortgesetzt.