Rebecca und Roland Kneubühler wohnen mit ihrer Familie im Haus Dahl in Bork.

© Marie Rademacher

Zur Miete auf der Burg: Wohnen im Borker Haus Dahl

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Das Haus Dahl ist ein besonderes Haus im Selmer Ortsteil Bork: Seine Geschichte geht bis ins 11. Jahrhundert zurück. Heute wohnt dort die Familie Kneubühler - mit einem Burggespenst.

Bork

, 25.08.2021, 19:30 Uhr / Lesedauer: 4 min

Sie sind in das Haus gerufen worden. So erklärt Roland Kneubühler - ohne vorher lange überlegen zu müssen - wie es dazu kam, dass er mit seiner Familie in einem Gebäude lebt, das ziemlich geschichtsträchtig und sagenumwoben ist. Das Haus Dahl in Bork. Einst hat in der Burg eine adlige Familie gewohnt - heute haben dort Roland Kneubühler und seine Frau Rebecca, ihre Tochter Amy und ihre Mutter Heidi ein Zuhause gefunden. Etwas ziemlich besonderes - wie die Familie direkt wusste.

„Wir sind in die Eingangshalle reingegangen und es war Liebe auf den ersten Blick“, erzählt Roland Kneubühler von der ersten Besichtigung der Immobilie. Die Familie habe nicht lange überlegen müssen - und wohnt mittlerweile zur Miete auf einer richtigen Burg.

Ein Blick in die Eingangshalle vom Haus Dahl. Die Geschichte des Gutes geht bis ins 11. Jahrhundert zurück.

Ein Blick in die Eingangshalle vom Haus Dahl. Die Geschichte des Gutes geht bis ins 11. Jahrhundert zurück. © Marie Rademacher

Erst, so sagt es Roland Kneubühler, haben sie gar nicht so richtig gewusst, wie historisch der Ort ist - aber mit der Zeit haben sich der Gastronom und Koch, der ursprünglich aus der Schweiz kommt, und die gelernte Opernsängerin und Tätowiererin sich immer mehr mit der Geschichte auseinander gesetzt. „Man merkt, wie viele Geschichte in so einem Haus steckt“, erklärt Roland Kneubühler. Auch, so erzählen die beiden lachend, daran, dass es im Haus Dahl ein Burggespenst gebe. Vor allem, als vor ein paar Jahren eine Austauschschülerin aus den USA mit in den Haus gewohnt hat, hat es sich oft bemerkbar gemacht. Wie sich das für ein Gespenst gehört immer sehr geheimnisvoll.

Der wilde Graf und die fromme Gräfin

Ein bisschen so verhält es sich auch mit dem Haus an sich: Viele Erzählungen ranken sich um das Gebäude im Südwesten von Bork. So soll die Burg mal auf der anderen Seite der Lippe gelegen haben - auf der linken Seite also, wo die Gemeinden Waltrop und Datteln zusammenstoßen. Aus dem Jahr 1030 stammt die erste Erwähnung des Gutes Dahl - es schaut also mindestens auf ein nahezu 1000-jährige Geschichte zurück.

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Wie das Gebäude die Lippeseiten wechselte erklärt eine Sage. Burgherr, so heißt es darin, war damals ein Graf. Ein „wilder Mann, welcher am liebsten auf die Jagd zog und sich an allerlei Fehden beteiligte“. So schreibt es der Borker Heimatverein in einer Publikation aus dem Jahr 2016.

Der wilde und kampflustige Graf bereitete seiner Frau Hadewig einige Sorgen. Sie soll eine fromme Frau gewesen sein, „die manche Stunden in Tränen vor dem Altar der Burgkapelle verbrachte, um für das Seelenheil ihres Gemahls zu beten“. Bitter nötig - wie sich an einem Osterfest zeigt. „An einem Ostermorgen, als die Sonne so schön schien, gelüstete es den wilden Grafen Walfried, hinaus in den Forst zu reiten, um Rehe und Hirsche zu jagen. Als er alle seine Mannen versammelt hatte, um mit Hunden unter Hörnerschall hinauszureiten, rief er dem Burgkaplan noch zu: ,Verschiebe für heute die Messe und warte mit dem Gebimmel bis morgen. Erst will ich jagen nach Herzenslust und dann sorge ich für den Himmel.‘“

Der Streit von Graf und Kaplan eskaliert

Die Messe am Ostermorgen zu verschieben war für den Kaplan allerdings auch keine Option. Und nachdem er lange mit sich gerungen hatte, las er dann doch die heilige Ostermesse. Und zwar ohne den Grafen - der war ja noch auf der Jagd. Als er zurückkam, rang er nicht lange mich sich selbst: Schon von unterwegs hatte er die Glocken läuten hören und der Zorn war in ihm aufgestiegen. „Sofort ritt er mit seinem Gefolge heim und stürmte in die Burgkapelle. Der Burgkaplan hatte sich gerade umgewendet und die Hände zum Segen erhoben. Da warf ihm Walfried den Speer in die Brust, so dass ein roter Blutstrahl den heiligen Altar befleckte“, beschreibt der Heimatverein die Geschichte.

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Tja: Das hatte natürlich Folgen. „Daraus ließ ihn der Erzbischof von Köln auf seiner Burg einschließen und aushungern; der Burggräfin wurde dann zuletzt gewährt, sie dürfte frei abziehen und das Liebste, was sie hätte, mit forttragen“, heißt es zu der Sage im Internetportal „Sagenhaftes Ruhrgebiet“.

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Die Gräfin kam dann also aus der Burg - und trug ihre beiden liebsten Dinge bei sich. Ihr kleines Baby an der Brust - und ihren Ehemann auf dem Rücken trat sie aus dem Haus. Der erste, aber nicht der letzte Coup der frommen Hadewig: „Der erzbischöfliche Feldhauptmann ließ sie durch, drohte aber: Wenn der Burggraf nur mit einem Fuße kölnischen Boden berühre, müsse er sterben. Da trug die Burggräfin ihren Mann bis an die Lippe, wo sie eine seichte Stelle wusste und brachte ihn glücklich ans andere Ufer. ,Hier sett‘ ick si nu dahl!‘ sagte sie, und an der Stelle erbaute der Burggraf ein neues Schloss, das er Dahl nannte.“

Die Firma Bartling übernimmt

Die Burg wechselte also die Seiten der Lippe - und steht heute noch am rechten Lippeufer. Etwa im 14./15. Jahrhundert wurde das Gebäude erbaut. Es war vollständig von einer unregelmäßig runden Gräfte umgeben. Vom schönen Bauerngarten der Familie aus kann man sie heute teilweise noch ganz gut erkennen. Ein hoher, rechteckiger Turm an der Südostseite ist der Kern des historischen Hauses Dahl. Im 16. Jahrhundert wurde dieser durch einen Backsteinbau erweitert. Im 18. Jahrhundert wurde der Fachwerk-Vorbau dem dem Hof hinzugefügt, im 19. Jahrhundert wurde der Turm dann noch mal erweitert und mit einem weiteren Fachwerkgeschoss versehen.

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Wichtig war auch die Kornwassermühle, die vom 17. bis 19. Jahrhundert vom Haus Dahl aus betrieben wurde. In den 1920er-Jahren wurde aus dieser Mühle eine Papierfabrik. Dazu schreibt der Borker Heimatverein: „Die Firma Bartling war der größte Holzpappenhersteller in Deutschland. Friedrich August Bartling sen. erwarb 1919 die Papiermühle der Firma Haarmann, Kapp & Cie. beim Haus Dahl an der Lippe.“

Das Unternehmen Bartling erlebte in den kommenden Jahren einen enormen Aufschwung und entwickelte beispielsweise ein komplettes Party-Programm aus bunten Papp-Bechern, -Tellern, -Servietten und Tischdecken, das viele Jahre lang in vielen Borker Haushalten zu finden war. Bartling erweiterte das Produktions- und Verkaufsprogramm immer mehr. „1977 ging mit dem Werk II im Gewerbegebiet östlich des Bahnhofs Bork (heute Firmengelände Wüllhorst) ein zweiter Standort in Betrieb“, so der Heimatverein. „Als Friedrich August Bartling das Familienunternehmen 1984 an einen Londoner Konzern verkaufte, wies der Jahresumsatz 80 Millionen DM aus. Es folgten weitere Eigentümerwechsel und schließlich die Insolvenz“, heißt es dort weiter.

Vermietung von Haus Dahl als Wohnhaus

Eine ereignisreiche Geschichte. Mittlerweile gehört das Haus Dahl einem Landwirt aus Waltrop, der es als Wohnhaus vermietet. Zum Haus gehört ein Pferdestall - für die Familie Kneubühler auch ein großer Pluspunkt. Sieben Pferde sind dort untergebracht. Den Garten haben die Kneubühlers naturnah gestaltet, leben fast als Selbstversorger.

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Auf regionale Produkte legt Roland Kneubühler auch bei seiner Tätigkeit als Koch Wert. Er kommt aus der Gastronomie und hat auch schon als Restaurant-Leiter gearbeitet. Derzeit hat er sich aber zusammen mit seinem Freund Niko Heiligenpahl selbstständig gemacht: Mit dem Swiss Syle Barbecue sind sie als mobile Grill-Mannschaft unterwegs, machen das Catering für Partys oder machen Veranstaltungen am Haus Dahl. Auch Rebecca Kneubühler arbeitet selbstständig - sie ist Tätowiererin und hat das Studio Aeternum ink.

Ein Ort der Selbstverwirklichung

Das Haus Dahl ist für sie mehr als ein Zuhause. „Wir haben hier unglaublich viel Ruhe und viele Freiheiten“, sagte Rebecca Kneubühler. Es ist für die Familie ein Ort der Selbstverwirklichung geworden - vielleicht hat das Haus Dahl sie tatsächlich zu sich gerufen...