Zeltstadt für Geflüchtete in Bork Abbau von Ängsten durch Begegnung

Zeltstadt für Geflüchtete in Bork: Abbau von Ängsten durch Begegnung
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Seit Freitag, 5. Mai, ist ein zusätzlicher Sicherheitsdienst rund um das Gelände des LAFP, auf dem die Zeltstadt für Geflüchtete steht, und Bork im Einsatz. Selms Bürgermeister Thomas Orlowski hatte diese Maßnahme als präventiv bezeichnet, um dem Sicherheitsgefühl der Borker entgegenzukommen.

Doch nach wie vor ist in den sogenannten sozialen Medien von einem Angstgefühl zu lesen, das Menschen in Bork beschleiche. Polizei und Ordnungsamt sind vermehrt im Einsatz, weil es auch vermehrt Vorfälle gegeben habe, wie auch Landrat Mario Löhr mitgeteilt hat, ohne Zahlen und Details zu Vorfällen zu liefern. Aus Bork ist zu vernehmen, dass Menschen Angst beschleicht, wenn sie Gruppen von Geflüchteten im Ortsteil begegnen. Rund 750 Männer aus Syrien, Iran, Irak und Afghanistan sind in der Zeltstadt untergebracht.

„Verantwortung beim Bund“

Gerüchte, Ängste - ein unhaltbarer Zustand. Da sind sich Stadtspitze und Fraktionen im Rat der Stadt Selm einig. Bürgermeister Thomas Orlowski sah sich am Mittwochabend, 10. Mai, veranlasst, in der Sitzung des Haupt-, Finanz- und Digitalisierungsausschusses (HFDA) Grundsätzliches zur Flüchtlingssituation in Selm zu sagen und die künftige Strategie der Stadt zum Wohle der Anwohner und der Geflüchteten in Bork vorzustellen. Und die Fraktionen äußerten sich auch.

Das sagt der Bürgermeister zur Finanzierung der kommunalen Aufgaben: „Ich sehe die Verantwortung bei der Bundespolitik. Es muss auf europäischer Ebene Regelungen geben, wie man mit den Menschen, die zu uns geflüchtet sind, umgeht.“ Er sei enttäuscht, dass auch mit der Erfahrung der großen Flüchtlingswelle 2015 jetzt wieder nur reagiert werde.

„Sie haben niemanden mehr“

Bezogen auf die Situation in Bork sagte der Bürgermeister: „Der Sicherheitsdienst ist präventiv tätig. Er kostet für den Mai rund 12.000 Euro. Gespräche mit der Bezirksregierung und mit dem Land NRW zur Finanzierung laufen.“

Es gehe aber auch darum, konzeptionell mit der Bezirksregierung zu sprechen, wie die Geflüchteten besser integriert werden können, welche Freizeitaktivitäten denkbar sind, wie Sprachkurse eingerichtet werden können, ob es wieder ein Fest gemeinsam mit den Asylkreisen und den Geflüchteten geben kann. „Die Menschen in der Zeltstadt kommen aus Krisengebieten, fürchten teilweise um ihr Leben. Sie sind nicht freiwillig bei uns.“ Es gebe auch unter ihnen schwarze Schafe, die sich nicht so verhalten, wie sie sich verhalten sollten, erklärt Orlowski. Das sei in anderen Unterkünften in anderen Städten aber auch so.

Selms Beigeordnete Sylvia Engemann ergänzte: „Wir müssen uns den Menschen nähern.“ Etwa durch einen Tag der offenen Tür mit einem Fest in der Zeltstadt, wie es während der großen Flüchtlingskrise gewesen sei. Diffuse Ängste kämen daher, weil einem etwas fremd sei. Man solle sich in die Lage der Geflüchteten hineinversetzen: „Sie haben niemanden mehr, schließen sich also zusammen.“

Rund 750 Geflüchtete aus Syrien, Iran, Irak und Afghanistan sind in der Zeltstadt in Bork untergebracht.
Rund 750 Geflüchtete aus Syrien, Iran, Irak und Afghanistan sind in der Zeltstadt in Bork untergebracht. © www.blossey.eu

Stellungnahmen von Fraktionen

Das sagt die SPD: „Man muss die Ängste und Sorgen der Bürger wahrnehmen“, erklärt Stefan Kühnhenrich. „Manchmal hat es den Anschein, dass aufgrund irgendwelcher Nationalitäten Ressentiments entstehen.“ Die Bürger hätten ein Recht darauf zu erfahren, wer in der Zeltstadt lebe. Zumal zunächst geplant war, ukrainische Flüchtlinge dort für kurze Zeit aufzunehmen, mittlerweile dort aber männliche Flüchtlinge aus anderen Ländern untergebracht werden, manchmal auch für mehrere Monate. Den zusätzlichen Sicherheitsdienst einzusetzen, halte die SPD für richtig.

„Transparente Kommunikation fand sehr spät statt“, sagte Joachim Andrös (FDP) mit Bezug auf den Wechsel der Flüchtlinge in der Zeltstadt. Es nütze aber jetzt nichts, den Bürgern mitzuteilen, dass sich Flüchtlingsströme verändert haben. „Es gibt nun mal einen Unterschied in der Akzeptanz gegenüber Frauen mit Kindern aus der Ukraine und jungen Männern aus anderen Ländern.“ Er schlage vor, „das Maximale an Transparenz aufzuwenden, auch in der näheren Zukunft, weil ich davon ausgehe, dass die Geflüchteten noch lange bleiben werden. Wir müssen die Bürger mitnehmen, Ängste nehmen“.

„Es ist der richtige Schritt, einen Sicherheitsdienst einzurichten, aber es muss noch viel Kommunikation passieren“, sagte Heiko Buchalik für die Familienpartei.

Für die CDU erklärte Claudia Mors, sie habe Verständnis für die kurzfristige Umdisponierung der Bezirksregierung, Flüchtlinge aus anderen Ländern in der Zeltstadt aufzunehmen. „Es haben sich ja die Flüchtlingsströme verändert. Aus der Ukraine kommen nicht mehr so viele.“ Zum Thema unterschiedliche Akzeptanz von ukrainischen Frauen mit Kindern und jungen Männern aus anderen Ländern erklärte sie: Wir sollten nicht zwischen Klassen unterscheiden. Geflüchtete Menschen sind geflüchtete Menschen.“

In der Diskussion um die Zeltstadt vermisse er ein angemesseneres Vokabular, sagte Dr. Hubert Seier (UWG). „Ich würde es nicht Sicherheitsdienst nennen, sondern Flüchtlingsbegleiter.“ Die Kriminalstatistik zeige keinen Vorfall durch Geflüchtete. Trotzdem werde immer wieder die Diskussion über „besorgte Bürger“ geführt. Gleichwohl müsse man sich mit dem Thema beschäftigen.

Marion Küpper (Bündnis 90/Die Grünen) plädierte dafür, sich den Geflüchteten zu nähern, indem man ihnen „unsere Kultur näherbringt“. „Das sind junge Männer, die ganz anders groß geworden sind, die durch ihre Kultur und Religion ein ganz anderes Bild mitbringen.“

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