Die beiden ehemaligen Bergbauschächte sind mit Betonplatten abgedeckt. In den nächsten sieben Monaten sollen sie verfüllt werden.

© Günther Goldstein

Zeche Hermann in Selm: Darum werden die Schächte jetzt verfüllt

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Sieben Monate lang soll die Verfüllung der ehemaligen Bergbauschächte in Selm dauern. Aber viele fragen sich: Warum wird das eigentlich jetzt gemacht? Die Antwort kennt das Unternehmen E.ON.

Selm

, 09.03.2022, 15:45 Uhr / Lesedauer: 2 min

Noch ist es relativ ruhig im Umkreis der alten Zeche in Selm. Noch. Schon bald werden über die Industriestraße Lastwagen mit Füllmaterial rollen. Viele Lastwagen. Rund 19.000 m³ Füllmaterial muss bis zum ehemaligen Schachtgelände gefahren werden. Fast 100 Jahre nach Stilllegung der Zeche hat das Unternehmen E.ON jetzt angekündigt, dass die beiden Bergbauschächte in Selm verfüllt werden sollen. Noch diesen Monat sollen die Arbeiten starten - und erst nach sieben Monaten abgeschlossen sein. Die Baustelle wird derzeit schon vorbereitet.

Warum ausgerechnet jetzt? Das ist eine Frage, die Marvin Macke beantworten kann. Er ist Pressesprecher des Unternehmens E.ON SE. Zum Hintergrund: Eigentümerin der Schächte in Selm ist die Gewerkschaft Hermann V GmbH - E.ON SE und Thyssenkrupp als Anteilseigener vertreten sie. Die Verantwortung für sehr viele Schächte des Altbergbaus liegt in Deutschland bei den Nachfolgegesellschaften E.ON, RWE, Thyssenkrupp und Littleluse. So eben auch in Selm.

Schächte sollen „nachsorgefrei“ sein

Gefahr, das vorab, geht von den bislang nicht verfüllten Schächten in Selm nicht aus. „Die Schächte Hermann 1 und 2 wurden nach der Betriebseinstellung 1926 abgeworfen und im Jahre 1930 jeweils mit Stahlbetonplatten abgedeckt. Eine Notwendigkeit zur Verfüllung der Schächte gab es zum damaligen Zeitpunkt nicht. Die Schächte wurden in der Folge in regelmäßigen Zeitabständen begutachtet und kotrolliert“, erklärt Marvin Macke auf Anfrage der Redaktion. „Proaktiv“, so sagt er weiter, würden Hermann 1 und 2 jetzt saniert.

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„Wir haben uns für eine dauerstandsichere Verwahrung der Schächte entschieden, da diese dann ,nachsorgefrei‘ sind und zukünftig keine regelmäßigen Kontrollen mehr vonnöten sind. Dadurch sind die alten Schachtabdeckungen überflüssig und werden entfernt“, erklärt der E.ON-Pressesprecher weiter zu den Gründen der Bauarbeiten zum jetzigen Zeitpunkt.

Die Baustelle zum Verfüllen der Bergbauschächte wird bereits vorbereitet.

Die Baustelle zum Verfüllen der Bergbauschächte wird bereits vorbereitet. © Günther Goldstein

Tatsächlich ist Selm mit dem unverfüllten Schächten kein Einzelfall in NRW. Laut Bergbehörde der Bezirksregierung Arnsberg gibt es auf der Landesfläche Nordrhein-Westfalens circa 31.000 verlassene Tagesöffnungen des Bergbaus (Stollen- und Schachtmundlöcher). „Die Summe aller Flächen, welche von Einwirkungen durch bergbauliche (Rest-)Hohlräume betroffen sein können, beträgt gegenwärtig circa 600 Quadratkilometer“, heißt es bei der Bezirksregierung weiter.

Schächte je rund einen Kilometer tief

Das zeige, wie sehr das Lang geprägt sei durch „intensive bergbauliche Aktivitäten“, die bis zur Römerzeit und darüber hinaus zurückreichen. „Ausgerichtet waren diese Aktivitäten auf die Gewinnung unterschiedlichster Bodenschätze, vor allem jedoch auf die Gewinnung von Erzen, Steinkohle, Braunkohle und Salz, aber auch auf die Gewinnung von Dachschiefer, Sanden, Tonen und weiteren als Baustoffe oder Industrieminerale verwertbaren Bodenschätzen“, erklärt die Bergbaubehörde.

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Auf der Zeche Hermann in Selm wurde in einem relativ geringen Zeitraum (1909 bis 1926) Steinkohle abgebaut. Es ging dabei für die Bergleute weit nach unten: Schacht Hermann 1 hat eine Teufe von 1.072 Meter und Schacht Hermann 2 hat eine Teufe von 954 Meter, wie Marvin Macke von E.ON erklärt. In den 20er-Jahren war die Selmer Zeche damit die tiefste Förderanlage ihrer Zeit im Ruhrgebiet. Und sie war die mit den vielleicht schwersten Abbauverhältnissen. Es ist überliefert, dass die Grube sehr, sehr heiß und feucht war, es gab außerdem starke Wasserzuflüsse. Wegen der schlechten Arbeitsbedingungen wurde Hermann im Volksmund auch Zeche Elend genannt.

Ein Bild aus dem Jahr 1926. Da wurden die Fördertürme abgerissen in Selm. Die Schächte sind nicht verfüllt worden - das soll jetzt aber passieren.

Ein Bild aus dem Jahr 1926. Da wurden die Fördertürme abgerissen in Selm. Die Schächte sind nicht verfüllt worden - das soll jetzt aber passieren. © Heimatverein (Archiv)

Wegen Unwirtschaftlichkeit wurde der Betrieb 1926 eingestellt. 3300 Menschen verloren ihren Arbeitsplatz - und Selm geriet als Stadt in eine große Krise. Die zwei je rund einen Kilometer tiefen Löcher im Boden sind bis heute geblieben. Sie zu verfüllen - kostet viel Aufwand und Masse. Wie viel Geld E.ON dafür in die Hand nehmen muss? Das verrät Marvin Macke auf Anfrage der Redaktion nicht.

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