"Trend schien zu leichtfertigtem Fällen zu gehen"
Nabu-Chef im Interview
Seit Mittwoch steht fest: Die 100 Jahre alte Stieleiche, die auf einem Baugrundstück Am Kreuzkamp-West in Selm steht, muss weg. Wir sprachen mit Rudolf Leismann, Vorsitzender des Nabu im Kreis Unna, über diese Entscheidung und den langen Kampf um diese Eiche.

Diese Eiche soll nun gefällt werden.
Herr Leismann, Sie saßen Mittwochabend beim Landschaftsbeirat mit am Tisch, wo über die Stieleiche gesprochen wurde. Wie schätzen Sie das Ergebnis ein?
Es war klar, dass die Eiche nicht überleben wird. Die ist ja stark geschädigt. Die einzige Option wäre noch gewesen, dass man den Baumstamm stehen lässt, damit dort Tiere wohnen können. Seltene Käfer oder größere Tiere, die dort ihre Höhle bauen. Aber das ergibt an dieser Stelle keinen Sinn, weil rundherum gebaut wird. Allerdings sollte man abwarten, wie das Normenkontrollverfahren der Bürgerinitiative ausgeht. Die Fehler am Baum sind in der Vergangenheit gemacht worden: Der Kreis schiebt die Schuld da auf einen Anwohner, der schiebt sie zurück zum Kreis oder auf die Firma, die zur Baumpflege beauftragt war. Beim Beschnitt oder beim Verfüllen hätte man da anders vorgehen können.
Nun hat sich also der Protest gar nicht gelohnt, oder?
Doch. Uns ist wichtig, dass man nicht leichtfertig mit Naturdenkmalen umgeht. Wie zum Beispiel vor ungefähr einem Jahr am Ternscher See, als in einer Nacht-und-Nebel-Aktion das Naturdenkmal 1 gefällt wurde. Wir wussten nichts davon. Am Tag danach, als wir schauen wollten, ob der Baum denn wirklich krank war, war sogar der Baumstumpf abgefräst. Das war schon etwas sonderbar.
Also wollen Sie einen Sinneswandel erreichen?
Der Kreis Unna gibt ja zu, dass er alte Bäume lieber fällt, damit er bei den Pflegemaßnahmen für die Verkehrssicherung Geld einsparen kann. Vor 20 Jahren wurden Bäume noch aufwändig saniert, und zwar nicht nur Naturdenkmale. Der Trend geht heute eher dahin, sie wegzumachen und Geld zu sparen. Wo doch jeder weiß, dass wir die Bäume brauchen, um das Klima zu erhalten… Zur Not kann man auch Totholz stehen lassen. Dann geht es immerhin nicht verbrannt als CO2 in die Atmosphäre.
Ein einzelner Baum beeinflusst doch unseren Klimawandel nicht, oder?
Naja, der Umgang mit Bäumen ist einfach wichtig. Das läppert sich, Baum für Baum. Wir können doch nicht immer die Aufgabe, die Klimaerwärmung aufzuhalten, immer von uns wegschieben.
Zurück zur Stieleiche in Beifang: Was ist denn da nun Fakt?
Das Gutachten für die Stieleiche besagt eindeutig: Der Baum hat keine Chance zu überleben. Ein Hinweis ist, dass der Pilz Hallimasch dort gefunden wurde. Der wird dem Baum auf Dauer die Substanz nehmen.
Also gibt es nur die eine Option fällen. Oder was schlagen Sie vor?
Nun, wenn ein Baum in der Natur steht, dann muss man ihn nicht fällen. Man kann ihn einfach sich selbst überlassen. Der Platz, den dieser besagte Baum nun hat, ist aber sicher ungünstig wegen der Baugrundstücke. Mir geht es aber ums Grundsätzliche: Der Kreis könnte doch mal auf die Idee kommen, für diesen Baum einen neuen zu pflanzen. Das muss ja nicht an derselben Stelle sein. Verpflichtet ist er dazu nicht, Naturdenkmale zu ersetzen. Er pflanzt schon auch Bäume nach dem Landschaftsplan. Wir wollen aber hier mal auf diesen Trend hinweisen: Bei den Denkmalen schien er uns eher in die Richtung „leichtfertigeres Fällen“ zu gehen.