Bistumstag am 21. August

Stiftskirche Cappenberg besteht 900 Jahre: Warum der Bischof sauer war

Mitte August 1122 hat der Bischof von Münster den Grundstein gelegt für die Stiftskirche Cappenberg - ohne große Begeisterung. 900 Jahres später kehrt der aktuelle Bischof an den Ort zurück.

Cappenberg

, 20.08.2022 / Lesedauer: 4 min

Dietrich von Münster war schlecht gelaunt. Auch wenn sonst nicht viel bekannt ist von diesem lange zurück liegenden 15. August 1122, so viel steht fest. Eine Umwandlung der trutzigen Höhenburg Cappenberg in einen Ort des Gebets und der frommen Einkehr war so gar nicht nach dem Geschmack des Bischofs. Aber auf ihn mochte ja niemand hören. Deshalb musste der kirchliche Würdenträger, der im Münsterland mehr Feinde als Freunde hatte, nach Cappenberg reisen, um der Umwidmung des mächtigen Gemäuers seinen Segen zu geben - wohl oder übel. Dass auch er daraus noch reichlich Profit schlagen würde, ist ihm erst später aufgegangen.

Gottesdienst im Internet abrufbar

Felix Genn tritt am Sonntag (21. 8.) 900 Jahre nach Dietrich die gleiche Fahrt an: vom Bischofssitz in Münster nach Cappenberg. Dort steht auf dem Höhenrücken zwar kein wehrhaftes mittelalterliches Gemäuer mehr, sondern ein einladendes wohlproportioniertes Barockschloss. Die romanische Kirche, deren Grundstein sein Vorgänger Dietrich legte, ist aber bis heute nahezu unverändert geblieben: eine Besonderheit in ganz Westfalen. Anlässlich des besonderen Jahrestages zelebriert er um 10 Uhr die Festmesse am historischen Ort. Wir zeichnen den Gottesdienst, der Auftakt für den ganztägigen Cappenberger Bistumstag, für Sie auf.

Eine Zeit der Krise erlebt die katholische Kirche heute wie damals. Während Missbrauchsskandal, mangelnde Aufklärungsbereitschaft, Reformstau und Glaubenskrise aktuell die Menschen aus der Kirche treiben, belasteten Ämterkauf und der sogenannte Investiturstreit, also die teils blutigen Auseinandersetzungen zwischen Kaisertum und Papsttum, die Menschen im Mittelalter. In jedem Fall geht es um Macht. Genau darauf hat Gottfried von Cappenberg vor 900 Jahren verzichtet: auf Titel, Reichtum und auf eine Karriere, die ihn mindestens zum mächtigsten Mann Westfalens gemacht hätte. Vielleicht sogar zu noch mehr.

Gottfried führt Heer nach Münster

Auslöser für seinen Verzicht, der im 12. Jahrhundert genauso ungewöhnlich war wie im 21. Jahrhundert, war ein Ereignis, bei dem Bischof Dietrich eine Schlüsselrolle spielte - wieder wohl oder übel.

Dietrich von Winzenburg, der aus Bayern stammt, hatte nichts dagegen, als man ihm den Bischofsstuhl von Münster anbot. 1118 war das, nachdem der bisherige Bischof auf einer Reise gestorben war. Nicht etwa seine Frömmigkeit hatte Dietrich für das geistige Amt empfohlen, sondern seine nahe Verwandtschaft mit Lothar von Supplinburg, dem Herzog von Sachsen und leidenschaftlichen Gegenspieler Kaiser Heinrichs IV.. Er schickte seinen Cousin Dietrich als Bischof nach Münster - zum Verdruss der kaisertreuen Münsteraner. Sie trieben den unliebsamen Dietrich kurzerhand aus der Stadt - und Supplinburg übte Rache. Er zog mit einem ganzen Heer vor die widerständige Domstadt.

Unter den Anführern: der frisch verheiratete Gottfried von Cappenberg. Er stellte sich damit nicht nur gegen den Kaiser, sondern auch gegen seinen Schwiegervater, Friedrich von Arnsberg. Mit dessen Erbe hätte Gottfried ein Gebiet bis zur Nordsee beherrschen können. Stattdessen verzichtete er auf alles, nachdem diese Sache mit dem Münsteraner Dom passiert war.

Dom zu Münster geht in Flammen auf

Am 2. Februar 1121 war es zur verheerenden Feuersbrunst in Münster gekommen. Nahezu alle Häuser, inklusive des Doms, fielen ihr zum Opfer. Als Verantwortliche machten Zeitgenossen schnell Gottfried und seinen Bruder Otto aus. Die Folge: tiefe Erschütterung. Die Zerstörung einer Kirche galt immerhin als Kapitalverbrechen, und die Auflehnung gegen den Kaiser als Grund für die Reichsacht. Gottfried war geliefert. Dass er doch noch seinen Frieden mit Gott und der Welt und dem Kaiser schloss - allerdings nicht mit seinem Schwiegervater -, hat mit seinem radikalen Verzicht auf alles Weltliche zu tun: eine Entscheidung, die Bischof Dietrich - er war inzwischen wieder in Amt und Würden, wenn auch ohne Dom - nur bedingt mittrug. Vor allem aus Eigennutz.

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Ein streitbarer Ritter schien dem Bischof verlässlicherer Schutz in diesen weiter unsicheren Zeiten zu sein als ein friedfertiger Mönch. Und eine hochgerüstete Verteidigungsanlage besser als ein Kloster. Dietrich schlug Gottfried sogar vor, die im Münsterland einzigartige Höhenburg gegen ein anderes Anwesen zu tauschen: eine Idee, die der aber ausschlug. Erst als Dietrich erfuhr, was die Kirche - nicht nur dieser neue Orden der Prämonstratenser, sondern auch er als Vertreter des Bistums - dazu gewann, wird sich seine Stimmung gebessert haben.

Machtgewinn: Grafschaft wird Hochstift

Die Grafschaft Cappenberg, die nach Münster reichte, wurde Basis für das spätere Hochstift Münster: ein beträchtlicher Zuwachs an Macht für den Bischof und seine Nachfolger, zumal mit dem Land 105 Herrensitze in ihre Zuständigkeit wechselten. Aber das war dem ungeliebten Bischof von Münster damals noch nicht klar, als er schlecht gelaunt nach Cappenberg reiste.

Felix Genn ist der etwa 60. Nachfolger von Dietrich im Amt des Bischofs von Münster. Er weiß um die 900-jährige Geschichte. Und darum, dass in dieser Zeit Gottfrieds Kloster in Cappenberg immerhin 681 Jahre lang Bestand hatte. Und die Kirche bis heute.

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