Der Solawi-Acker in den Lippeauen von oben. Der Verein startet in seine mittlerweile dritte Saison. © Georg Sehrbrock
Solidarische Landwirtschaft
Solidarische Landwirtschaft in Bork geht neue Wege in die Zukunft
Sie galt mal als Projekt, also quasi als Versuch. Doch mittlerweile startet die Solidarische Landwirtschaft (Solawi) Lippeauen Bork in die dritte Saison. Und der Verein hat einige Pläne.
Es ist ernsthafte Landwirtschaft, die Agrarbetriebswirtin Anne Reygers und ihre Mitstreiter betreiben. „Wenn auch mit einem besonderen Vermarktungsprinzip“, sagt die junge Frau im Gespräch mit der Redaktion. Ein Prinzip, das denen, die das verzehren, was geerntet wird, auch mal besondere Möglichkeiten der Essenszubereitung bietet. Diese Ernteteiler zahlen festgelegte Beträge für das, was sie bekommen. Egal, ob viel geerntet werden konnte, oder auch mal weniger. Es ist eben auch ein Prinzip, das denen, die ernten, Sicherheit bietet.
Mittlerweile etabliert
Die Gemeinschaft ist groß geworden. Dass nun die dritte Saison begonnen hat, führt die Bezeichnung Projekt, die manche für die Solawi Bork benutzen, ad absurdum. Solidarische Landwirtschaft hat sich bereits etabliert. Auch, wenn es bei diesem besonderen Vermarktungsprinzip Unwägbarkeiten gibt.
Der eigentliche Start in die Saison ist immer schon im November, sagt die Landwirtin. „Dann treffen sich alle Interessenten zur Bieterrunde, die im kommenden Jahr ab dem 1. März für zwölf Monate Ernteteiler sein möchten. Bis dahin muss dann schon das Jahresbudget für das kommende Jahr feststehen, es beinhaltet alle Gelder, die wir zur Finanzierung des Betriebes benötigen: Gehälter, Saatgut, Maschinenkosten, Jungpflanzen, Vliese, Netze, Bewässerung, Investitionen.“ Das sei im Vorhinein eine große Herausforderung, die Zahlen müssen einfach stimmen, da sie den monatlichen Richtwert für einen Ernteteil vorgeben.
Vielfältige Anbauplanung
Ehe die Ernteteiler Anfang März zum Einsatz kommen, starte die Saison für die Gärtner schon etwas früher mit den ersten Aussaaten und Beetvorbereitungen. „Sehr herausfordernd ist für uns die Düngeberechnung, da wir ja auf fast jedem der Beete ein anderes Gemüse stehen haben und die Ansprüche sehr unterschiedlich sind“, erklärt Anne Reygers. „Das Gemüse soll natürlich gut versorgt sein, aber auf keinen Fall überversorgt, gedüngt wird mit Schaffwollpellets, Phytoperls und Vinasse, alle drei im ökologischen Landbau zugelassene Dünger. Durch unsere vielfältige Anbauplanung müssen wir wöchentlich Beete vorbereiten, das heißt im Frühjahr Gründüngung mulchen und einfräsen, Düngen und das Saatbett vorbereiten, Jungpflanzen vorziehen und, wenn sie groß genug sind, auf das Beet pflanzen.“
Das Gärtner- und Landwirt-Team: Anne Reygers, Laurin Berger, Birte Liekenbrock, Tina Brämswig. © Georg Sehrbrock
Wo liegen denn Probleme? „Viel Zeit geht natürlich auch für die Unkrautbekämpfung drauf, alles wird von Hand gehackt oder gezupft, Herbizide setzen wir ja nicht ein“, erzählt die Landwirtin. „Ein großes, sehr zeitintensives Thema ist leider die Bewässerung. Da die letzten Jahre viel zu trocken waren, mussten wir sehr viel bewässern, sonst hat das Gemüse auf unserem Sandboden keine Chance. Daher haben wir in diesem Jahr auch noch einmal in mehr Bewässerungstechnik investiert.“
Sinnvolle Fruchtfolge
Was die Beteiligten wohl vor die größte Herausforderung stelle, sei, auf so einer kleinen Fläche eine sinnvolle Fruchtfolge hinzubekommen. Anne Reygers: „Wir haben daher unsere Kulturen zu Fruchtfolgeblöcken zusammen gefasst: Kohl, also sogenannte Starkzehrer, Korb-und Doldenblütler, Spätkulturen und Schwachzehrer, Mais-Zwiebel-Kürbisgewächse, diese Fruchtfolgeblöcke rotieren jedes Jahr auf dem Acker. Gründüngung kommt auf dem gesamten Acker immer sofort auf frei gewordene Beete, die nicht sofort wieder mit Gemüse belegt werden, außerdem gibt es überall Blühstreifen für die Insekten.“
Das Prinzip der solidarischen Landwirtschaft beruht ja auch auf dem Einsatz der Ernteteiler. Wann geht die Arbeit eigentlich für die los? „Richtig los geht es für unsere neuen Ernteteiler ab dem 1. März.“ Die wöchentliche Ernte sei vor allem im Sommer und Herbst sehr zeitintensiv. „Ohne die Mithilfe unserer Ernteteiler wäre das für uns drei Mitarbeiter nicht zu schaffen. Wir starten freitags um 6 Uhr und ernten alles, was erntereif ist. Das Gemüse muss geerntet, geputzt, in Kisten gepackt werden, dann wird es zum Hof gebracht, dort gewaschen, gewogen, gezählt und zur Abholung in Regale gestellt.“
Bald dürfen die Gemüsejungpflanzen auf die Beete auf dem Acker umziehen. © Georg Sehrbrock
Nachmittags ab 16 Uhr kommen dann schon die ersten Ernteteiler, in diesem Jahr seien es genau 100, um ihren Anteil vom Gemüse abzuholen. „In der absoluten Hochsaison ernten wir schon mal 700 bis 1000 Kilo Gemüse in der Woche, das dann super frisch in die Kühlschränke der Ernteteiler wandern darf.“
Finden sich denn immer genügend Helfer? Anne Reygers: „Meistens haben wir genug freiwillige Helfer, gerade die Ernte ist sehr beliebt und einfach jede Woche ein schönes Ereignis. Zur Zeit der Tomaten, Paprika und Gurkenernte kann es aber auch schon ganz schön knapp werden, da benötigen wir alleine im Folientunnel einen ganzen Vormittag für die Ernte. Verständlicherweise kommen auch mehr Ernteteiler, um bei herrlichem Sonnenaufgang mitzuhelfen als bei 3 Grad und Nieselregen, das müssen wir Gärtner und ich als Landwirtin dann ausgleichen.“
Als Ausbildungsbetrieb anerkannt
Die Solawi Lippeauen Bork ist mittlerweile als Ausbildungsbetrieb anerkannt. „Voraussetzung für eine Anerkennung als Ausbildungsbetrieb ist, dass unser Betrieb die geforderten Ausbildungsziele - Vermehrung und Jungpflanzenanzucht, Produktionsverfahren, Ernten, Aufbereiten und Lagern von Gemüse, Vermarktung - für die Ausbildung zum Gemüsegärtner erfüllen kann“, berichtet die Landwirtin. Auf gerade einmal 1,3 Hektar Gemüseanbaufläche werden um die 60 Kulturen angebaut. Einen großen Teil der Jungpflanzen zieht die Solawi selber an. Ausbilder wird Gärtner Laurin Berger sein, der in Witzenhausen einen Bachelor in Ökologischem Landbau gemacht hat.
„Starten möchten wir mit dem ersten Azubi voraussichtlich im März 2022“, skizziert Anne Reygers die Ausbildungspläne. „Bis dahin müssen wir noch die Finanzierung klären. Einen Teil des Azubigehaltes werden natürlich unsere Ernteteiler finanzieren, dafür fällt dann unsere 450-Euro- Kraft für die Hochsaison weg, wir haben aber auch schon einige ,Ausbildungspaten‘ gefunden, die schon jetzt monatlich ihren Beitrag zur Ausbildung geben möchten, weil ihnen Nachwuchs für den Ökologischen Landbau so wichtig ist.“
Legehennen
Viel zu tun also für die Solawi Lippeauen Bork. Und doch gibt es schon weitere Pläne, wie Anne Reygers berichtet: „Wir möchten das Angebot unserer Solawi noch vergrößern. Legehennenhaltung im Mobilstall ist geplant, außerdem denken wir darüber nach noch einen größeren Kartoffelacker anzulegen. Die pädagogische Arbeit mit Kitagruppen und Schulklassen soll ausgebaut werden, dafür muss sich die Corona-Lage aber erst einmal entspannen. Bisher sind wir nicht als Ökologischer Betrieb zertifiziert, da unsere Ernteteiler quasi unsere Kontrolleure sind. Wir denken aber darüber nach, doch einem Anbauverband beizutreten um auch nach außen hin klarer zu machen, dass wir Ökologischen Landbau betreiben.“
Das Solawi-Team hofft, dass bald wieder Führungen stattfinden können. © Georg Sehrbrock
Aus den Kinderschuhen ist die Solawi Lippeauen Bork offenbar raus. Jetzt kommt es auf Kontinuität an. Die Unterstützung der Ernteteiler haben Anne Reygers und ihr Team: „Was unser Vermarktungsprinzip Solidarische Landwirtschaft angeht, sind wir uns alle sicher: Anders möchten wir nie wieder Landwirtschaft betreiben, wir sind damit total glücklich!“
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