Selms Kämmerin mit Hilfeschreien an Bund, Land, Kreis und LWL „Überfordert uns nicht“

Haushalt 2024: Kämmerin formuliert Hilfeschreie an Bund, Land, Kreis und LWL
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Die Haushaltssatzung und den gesamten Haushaltsplan der Stadt Selm für 2024 wird Kämmerin Sylvia Engemann nicht, wie geplant, noch im Dezember dieses Jahres in den Rat einbringen, sondern erst am 18. Januar 2024. Weil das Neue-Kommunale-Finanzmanagement-Weiterentwicklungsgesetz erneut geändert wird und damit die Haushaltswirtschaft in der Gemeindeordnung NRW auch. Die Folge: „Wer die Veränderungen der Reglementierungen für den Haushaltsausgleich und das Haushaltssicherungskonzept für sich nutzen möchte oder besser muss, muss mit einer Verabschiedung des Haushalts warten“, erklärte die Kämmerin in der Ratssitzung am Donnerstag, 16. November. Das Gesetz wird voraussichtlich erst im Februar 2024 im Landtag beschlossen werden, sodass bei Einbeziehung der Änderungen eine Verabschiedung des Selmer Haushaltes frühestens erst im März 2024 geschehen kann.

Klar sei: „Aufgrund eigener Finanznöte ist frisches Geld seitens des Landes nicht zu erwarten. Die geplanten Veränderungen für einen Altschuldenschnitt sorgen leider nicht dafür, dass nachhaltig auskömmlich finanziert wird und berücksichtigen dürfen wir sie in der Mittelfristplanung auch nicht.“ Ob die neuen Regelungen nochmal die Genehmigung des Selmer Haushaltssicherungskonzeptes bedeuten werden, müsse die Verwaltung abschließend noch bewerten.

Es gibt also viele Unwägbarkeiten in der Haushaltsplanung 2024 für Selm. Gleichwohl wollen Sylvia Engemann und ihre Kämmerei keine Zeit verlieren. Deshalb brachte die Kämmerin zumindest das Investitionsprogramm als ersten Teil der Haushaltsplanung 2024 in den Rat ein. Was sie einbrachte, sorgte im Saal des Bürgerhauses, in dem die Ratssitzung stattfand, für betretene Gesichter. „Die notwendigen Investitionen können damit vorgestellt und beraten werden. Vorweg kann ich Ihnen zusammenfassend folgende Eckdaten für 2024 nennen: Auszahlungen für Investitionen: insgesamt 12 Millionen Euro. Einzahlungen: rund 3 Millionen Euro. Kreditaufnahme neu: rund 9 Millionen Euro, zusätzlich zu bisher schon 66 Millionen Euro allein an Investitionskrediten. Zinsen für 2024 bezogen auf Investitionskredite: 1,5 Millionen Euro, nach 1,1 Millionen Euro im Jahr 2023.“ Macht zusammen Ende 2024 eine Kreditaufnahme von 116 Millionen Euro. Für Ende 2027, wenn man das Investitionsprogramm fortschreibt, werde man auf rund 160 Millionen Euro nur an Investitionskrediten kommen.

Selms Kämmerin Sylvia Engemann bittet Bund, Land, Kreis und LWL, die Stadt finanziell nicht zu überfordern.
Selms Kämmerin Sylvia Engemann bittet Bund, Land, Kreis und LWL, die Stadt finanziell nicht zu überfordern. © Stadt Selm

Das sind gewaltige Summen. Aber die Kämmerin hatte noch eine schlechte Nachricht: „In diesem Investitionsprogramm sind Bauausgaben an den Grundschulen zur Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung in Höhe von rund 30 Millionen Euro bei Umsetzung der pädagogischen Konzepte noch nicht berücksichtigt. Grundsätzlich werden wir zu diesen Investitionen gesetzlich verpflichtet und Bildung hat in dieser Stadt trotz schwieriger Finanzlage Priorität. Wir werden aber gemeinsam sehr genau hinschauen müssen, da uns bisher nur eine Mitfinanzierung von 1 Million Euro vom Land in Aussicht gestellt wird.“

Und mit Blick auf ein viel diskutiertes Thema sagte Sylvia Engemann zu den Ratsvertreterinnen und -vertretern: „Zu diesem Zeitpunkt müssen Sie sich und wir uns die Frage stellen, ob die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Stadt Selm aktuell noch gegeben ist, wenn wir eine weitere zweistellige Millionensumme bei einer möglichen Umwandlung der Sekundarschule in eine Gesamtschule in die Hand nehmen müssten. Aus meiner Kämmerin-Sicht tatsächlich aktuell nicht.“ Es gelte, gemeinsam Aufgabenkritik zu betreiben, Ziele und Prioritäten festzulegen und Maßnahmen zu erarbeiten. „Auch höhere Gebühren und Steuern schließe ich am Ende keinesfalls aus.“

Angesichts dieser Situation entließ die Kämmerin aber Bund, Land und Kreis sowie den Landschaftsverband Westfalen-Lippe nicht aus ihrer Verantwortung: „Deshalb erstens der Schrei um Hilfe in Richtung Bund und Land nach einer strukturell besseren Finanzausstattung und zweitens der Schrei um Hilfe an die Umlageverbände LWL und Kreis: Überfordert uns bitte nicht.“

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