Die Inflationsrate ist auf dem niedrigsten Wert seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine gefallen. Im Oktober lag sie bei 3,8 Prozent. „Sie bleibt aber dennoch auf einem hohen Niveau und zeigt sich in den jeweiligen Branchen noch deutlich ausgeprägt“, teilt die Stadt Selm in einem Sachstandsbericht zum „städtischen Kreditportfolio“ mit, der am Donnerstag (16.11.) den Mitgliedern des Rates vorgelegt wird.
Die aktuellen Prognosen zur Inflationsentwicklung nehmen direkten Einfluss auf den Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB), der wiederum Auswirkungen auf die Kreditvergabe und somit auf den Selmer Haushalt hat. Denn um die Stadt handlungsfähig zu halten, sind neben langfristig abgeschlossenen Investitionskrediten auch kurzfristige Darlehen zur Liquiditätssicherung nötig.
Diese Kredite liegen jährlich bei etwa 30 bis 40 Millionen Euro. „In der Entwicklung ist deutlich zu erkennen, dass es der Stadt Selm auch nach über zehn Jahren und damit auch unter dem Rettungsschirm ‚Stärkungspakt Stadtfinanzen‘ nicht möglich war, den Schuldenstand abzubauen“, teilt die Verwaltung mit. „Das sowohl im jährlichen Vorbericht zum Haushaltsplan als auch im Risikobericht des städtischen Jahresabschlusses wiederholt erwähnte Zinsänderungsrisiko wird nunmehr bittere Realität.“
Aufwendungen verdoppeln sich
Allein für 2024 stünden in Anbetracht der Restlaufzeiten der bestehenden Kreditverbindlichkeiten ordentliche Tilgungen in Höhe von rund 14,9 Millionen Euro an. Davon entfallen rund 3,7 Millionen Euro auf laufende Investitionskredite sowie über 11 Millionen Euro auf eine Liquiditätskreditrückzahlung. Die Verwaltung merkt an: „Allein dieser Kredit verursacht durch die Zinssteigerung künftige Zinsaufwendungen von voraussichtlich 400.000 anstatt der bisherigen 200.000 Euro pro Jahr.“
Die Verwaltung prognostiziert durch verschlechterte Zinskonditionen für Kredite grundsätzlich eine Verdopplung der bisherigen Aufwendungen. Die für 2023 prognostizierten 1,3 Millionen Euro würden in den kommenden Haushalten jährlich im Durchschnitt etwa auf 2,5 Millionen Euro steigen.
„Allein für die Kredite zur Liquiditätssicherung steigt der Zinsaufwand aufgrund des Zinseszinseffektes von rund 500.000 Euro in 2023 auf über 1,3 Millionen Euro im Jahr 2026“, so die Rechnung der Stadtverwaltung. „Der erhebliche Investitionskreditbedarf, der sich durch aktuell über 36 Millionen Euro Ermächtigungsübertragungen sowie rund 12 Millionen Euro Neuanmeldungen aus der Haushaltsplanung 2024 abzeichnet, wird zu weiteren erheblichen Zinsbelastungen führen.“
Kurze Kreditlaufzeiten
Jährlich steige der Zinsaufwand um rund 250.000 Euro, im Jahr 2026 könnte er dann bei 1,7 Millionen Euro liegen. Das sei allerdings eine „Momentaufnahme in Abhängigkeit der weiteren Haushaltsplanberatungen“, so die Stadt.
Angesichts der geschilderten Marktveränderungen und dem hohen Liquiditätsbedarf bestünden für die Verwaltung auf der Kapitalbeschaffungsseite kaum noch Möglichkeiten, um der Entwicklung ohne Risiken zu begegnen. In der Erwartung, dass die Inflation in wenigen Jahren wieder auf ein moderates Niveau fällt, will die Verwaltung neue Kredite mit maximal zehn Jahren Laufzeit aufnehmen. „Nur hierdurch wird es möglich sein, auf eine sich verändernde Marktsituation zu reagieren.“
Allerdings macht die Stadt auch darauf aufmerksam, dass sich Banken gegenüber Kommunen in der Überschuldung oder ohne ein genehmigtes Haushaltssicherungskonzept größtenteils verhalten bei der Kreditvergabe zeigen. „Rechtliche Vorgaben, die in den letzten Jahren verschärft wurden, verhindern hierbei die Vergabe von Krediten beziehungsweise erfordern höhere Risikoaufschläge auf die Zinshöhe.“ Das hätte noch höhere Belastungen für den Haushalt zur Folge.
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