
© Figan Ucar-Macit
Schicksalshelfer haben schon mehr als 3000 Mundschutze genäht
Schicksalshelfer Bork
Das ist eine Wahnsinns-Zahl: Die Schicksalshelfer aus Bork haben seit März schon mehr als 3000 Mundschutz-Masken genäht. Das ist aber längst nicht das einzige Projekt, dass zurzeit läuft.
Bereits Anfang März hat sich Figan Ucar-Macit (40) Gedanken gemacht. Sie wusste, dass Mundschutz-Masken in der Corona-Krise absolute Mangelware sein werden. Was sie zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht wissen konnte: dass das Tragen eines Mundschutzes ab dem 27. April zur Pflichtsache wird, wenn man einkaufen geht oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren möchte.
Trotzdem hat sie sich vorbereitet und inzwischen fünf ihrer Freundinnen mobilisiert. Sie alle nähen Mundschutze aus Baumwolle. Für den guten Zweck. Gegen eine Spende für den gemeinnützigen Verein Schicksalshelfer aus Bork kann man sie erwerben.
Zu dritt angefangen - jetzt nähen sie schon zu sechst
Herausgekommen ist bislang eine beachtliche Zahl. Gemeinsam haben die Vorsitzende des Vereins, Figan Ucar-Macit, und ihr Näherinnen-Team schon mehr als 3000 Masken genäht. „Wir haben ganz klein zu dritt angefangen und wollten erst einmal testen, eine einfache Mundschutz-Maske zu nähen“, erzählt Ucar-Macit von den Anfängen. Die ersten fertigen Masken habe sie dann an Freunde verteilt, die zur Risikogruppe gehören.
Ihr Engagement hat sich jedoch schnell herumgesprochen. Inzwischen beliefern die Schicksalshelfer die Stephanus-Apotheke in Bork, die Apotheke am Sandforter Weg und die Ergo-Therapie-Praxis Borchert an der Ludgeristraße mit ihren selbst genähten Masken. Dort kann man die Masken erwerben und eine Spende für den gemeinnützigen Verein hinterlassen.
Anfragen über die Stadtgrenzen hinaus
Sie erhalte inzwischen Mundschutz-Anfragen von immer mehr Arztpraxen - auch über die Stadtgrenzen hinaus. „Ich habe schon Masken nach Kamen ins Dialysezentrum geliefert und auch aus Werne und Lünen habe ich zig Anfragen“, sagt die dreifache Mutter. Sogar ein Seniorenheim in Oer-Erkenschwick hat schon Masken von den Schicksalshelfern aus Bork erhalten.
Dass es den Verein der Schicksalshelfer, der sich vor fünf Jahren durch die Flüchtlingshilfe gebildet hat, überhaupt noch existiert, ist der Geduld von Figan Ucar-Macit und ihrem Mann Erdal Macit (39) zu verdanken. „Wir haben schon überlegt, den Verein aufzulösen, da unser Angebot zwischenzeitlich weniger genutzt worden ist. Doch dann kam die Corona-Krise und an ein Auflösen war plötzlich nicht mehr zu denken“, so Figan Ucar-Macit.
Die ersten Masken waren schnell vergriffen
Zunächst startete die Borkerin wegen der Corona-Krise das Projekt der Nachbarschaftshilfe. Die Hilfe wurde und wird sehr gut angenommen. Und im März ging sodann das Nähen der Mundschutz-Masken los. „Ich habe angefangen mit einer kleineren Lieferung von 30 Masken für die Apotheken. Die waren aber nach wenigen Stunden schon komplett vergriffen“, erzählt sie. Und die Nachfrage wird derzeit nicht weniger. Im Gegenteil. „Wir kommen fast gar nicht hinterher mit dem Nähen.“
Damit die Produktion nicht ins Stocken gerät, gibt es sogar freiwillige Helfer, die die Masken-Stücke nur zuschneiden. „Da haben wir ein System entwickelt. Viele, die nicht selber nähen können, schneiden uns die Stoffe zu, sodass wir schneller arbeiten können. Wieder andere sind fast nur damit beschäftigt, die Masken in einzelne Tüten zu verpacken“, so Figan Ucar-Macit.
Bis zu 100 Masken pro Tag
Sie selbst näht Masken wie am Fließband. „Es gab schon Tage, an denen ich knapp 100 Masken genäht habe“, berichtet sie. Wie viele Masken insgesamt pro Tag zusammenkommen, kann sie nicht genau sagen: „Eine Näherin schafft vielleicht fünf Masken, eine andere 20. Das ist komplett unterschiedlich.“ Den Bedarf an Masken werde sie mit ihrem Team jedoch niemals decken können. Ucar-Macit: „Wir haben ja auch keine Industrie-Nähmaschinen, sondern nähen auf ganz normalen Maschinen. Aber wir tun, was wir können.“

Die Näherinnen der Schicksalshelfer nähen zwei verschiedene Masken-Varianten. Insgesamt sind schon mehr als 3000 Mundschutz-Masken zusammengekommen. © Figan Ucar-Macit
Figan Ucar-Macit produziert mit ihren fleißigen Kolleginnen zwei verschiedene Masken-Varianten: Es gibt Masken mit einer glatten Oberfläche, aber auch welche mit einer Falte. Dazu gibt es sie in verschiedenen Farben - je nachdem, welche Stoffe sie gerade zur Verfügung hat. Ein Problem bei der Herstellung der Masken: die Gummibänder. „Es ist wirklich schwierig, die zu bekommen“, sagt sie. Noch habe sie aber genügend auf Vorrat.
Weiteres Projekt: Arbeit der Tafel übernommen
Durch die Spenden, die in großer Zahl zusammenkommen, kann Ucar-Macit neue Stoffe für neue Masken erwerben. Doch damit nicht genug: Die Schicksalshelfer haben neben der Nachbarschaftshilfe und der Masken-Produktion zurzeit noch ein weiteres Projekt laufen. Die Schicksalshelfer haben weitestgehend den Ausgabe-Dienst der Selmer Tafel übernommen.
„Dort arbeiten größtenteils Menschen, die zur Risikogruppe gehören. Deshalb mussten sie den Dienst fast vollständig einstellen“, sagt Ucar-Macit. 77 Haushalte beliefert ihr Mann Erdal Macit mit weiteren ehrenamtlichen Helfern im ganzen Kreis Unna daher bis zu zweimal pro Woche mit kleinen Paketen mit Lebensmitteln.
Die Tafel in Selm hat die Menschen, die sie nutzen, postalisch informiert, dass die Schicksalshelfer diesen Dienst vorerst übernehmen. „Man kann sich bei uns melden und wir liefern dann die Lebensmittel-Päckchen kostenlos aus“, sagt Figan Ucar-Macit. Sie weiß, dass es Überwindung kostet, sich bei ihr diesbezüglich zu melden. „Viele geben daher Spenden, aber das ist keine Pflicht“, sagt sie.
Masse an Spenden ist „der Wahnsinn“
Die Lebensmittel kaufen sie und die anderen ehrenamtlichen Helfer in unterschiedlichen Supermärkten und bei Discountern in Selm ein, die selbst auch fleißig spenden, wie Figan Ucar-Macit sagt: „Neben Rewe, K&K und Lidl unterstützen uns auch die Bäckerei Langhammer und die Secondhand-Aktion Gänseblümchen aus Bork mit Spenden.“

Der Ehrenamtliche der Schicksalshelfer, Cesurullah Karatas, verteilt mit anderen freiwilligen Helfern jede Woche Lebensmittel für knapp 80 Haushalte. © Figan Ucar-Macit
Was die Spenden angeht, ist Figan Ucar-Macit überwältigt: „Das ist der Wahnsinn. Die Spendendosen in den Apotheken und in der Praxis sind immer gut gefüllt. Das finde ich total super, dass die Leute unsere Aktionen so toll unterstützen“, sagt sie.
Jede Geste tut gut
Generell erhalte sie durchweg positive Rückmeldungen für ihre Projekte. „Da kriege ich echt Gänsehaut, wenn ich sehe, wie hilfsbereit die Menschen in Selm sind“, sagt sie. Zu Ostern habe sie viele Nachrichten, Anrufe und kleine Geschenke erhalten - von Menschen, die sich einfach bei ihr bedanken wollten. „Meine Kinder sind total happy. Die haben so viel Schokolade zu Ostern bekommen, wie noch nie“, sagt sie mit einem Lachen.
Jede noch so kleine Geste, sagt sie, tue ihr extrem gut und bestärkt sie in dem, was sie macht. „Ich weiß manchmal gar nicht, wie ich reagieren soll. Es hat schon mal eine Frau einen riesigen Blumenstrauß vorbei gebracht“, ist Ucar-Macit von den Rückmeldungen für ihre Projekte gerührt.
Sie erhalte sogar Spenden in einer Höhe, bei der ihr regelrecht die Sprache wegbleibt: „Ich weiß von einigen Menschen, dass sie nicht so viel Geld haben. Wenn ich dann aber sehe, dass sie trotzdem 50 Euro spenden, macht mich das echt sprachlos.“
Ende des Näh-Projekts nicht in Sicht
Wie lange möchte sie das Näh-Projekt noch durchziehen? Figan Ucar-Macit muss kräftig durchatmen: „Ein Ende ist noch lange nicht in Sicht. Jetzt, wo die Masken-Pflicht durchgesetzt ist, werden wir die Produktion wahrscheinlich erst so richtig ankurbeln.“

Rekordverdächtig: An einem Tag hat Figan Ucar-Macit einmal schon knapp 100 Mundschutz-Masken genäht. © Figan Ucar-Micat
Durch die Spenden, die sie für den Verein der Schicksalshelfer erhalte, müsse sie sich um die finanzielle Lage keine Sorgen machen. Die Masken-Produktion sei ein Selbstläufer geworden. Und auch die Auslieferung an Lebensmitteln an die 77 Haushalte, wird es wohl noch lange geben. „Ich glaube, damit sind wir auch noch bestimmt bis zum Ende des Jahres beschäftigt“, sagt sie.
Jahrgang 1992. Geboren und aufgewachsen in Unna. Kennt den Kreis Unna wie seine Westentasche, hat in seinem Leben aber noch nie eine Weste getragen. Wollte schon als Kind Sportreporter werden und schreibt seit 2019 für Lensing Media über lokale Themen - auch über die Kreisgrenzen hinaus.
