Was für ein Baum. Der Stamm hat einen Durchmesser von einem Meter, ist 22 Meter lang und schnurgerade gewachsen. Eine echte Schönheit, diese mehr als 120 Jahre alte Esche. Wenn sie nicht quer über dem liegen würde, was von der historischen Mauer des Schlosses Cappenberg auf der Seite des Parkplatzes übrig geblieben ist. Und das ist nicht viel. Dennoch will Guido Vortmann nicht von einem Unglück sprechen. Ganz im Gegenteil.
„Wir hatten Glück im Unglück“, sagt der Mitarbeiter der gräflichen Verwaltung. Dass die Esche irgendwann in der Nacht von Samstag auf Sonntag (1./2. 4.) umgekippt ist, als keine Autos auf dem Parkplatz standen, sei schon „ein Glücksfall“. Nicht auszudenken, was gewesen wäre, wenn das kurz vor oder während des gut besuchten Palmsonntagsgottesdienstes für Kinder passiert wäre. Dennoch: „Wir haben jetzt eine ganze Menge zu tun.“
Es muss heftig gekracht haben, als der imposante Baum auf die historische Mauer gekracht ist und dabei noch zwei weitere, deutlich jüngere Bäume mit sich riss. Aus dem Schlaf gerissen hat das aber offenbar niemanden. Denn die Mieter der beiden nahen Torhäuser des Schlosses hatten nichts registriert. Erst als sich in der Morgendämmerung die Bescherung in ihrem ganzen Ausmaß zeigte, schellte bei Guido Vortmann das Handy. Und wenig später auch bei der Freiwilligen Feuerwehr in Cappenberg. 28 Stunden später ist von dem Chaos des Vortages kaum noch etwas zu sehen.
Holz für Kamin und Möbelbau
Fleißige Helfer haben den Großteil der breite Krone und des ausladenden Baums bereits in kleine Stücke gesägt. Wenn am frühen Nachmittag das Heulen der Motorsäge ganz verstummt, wird auch der letzte Rest zerkleinert und bald als Brennholz abtransportiert sein. Ein sogenannter Dumper Waran, ein unverwüstliches DDR-Arbeitsgerät, steht dafür bereits parat. Die ungewöhnlich gerade gewachsene, kräftige Esche ist allerdings zu schade, um sie in kleine Stücke zu schneiden.
Eschenholz sei seit jeher gefragt im Möbelbau, sagt Vortmann. Der Cappenberger ist als Mitglied in der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald ein echter Baumexperte. Hoffentlich finde sich für den so plötzlich - wohl auch in Folge des starken Regens und des Windes - umgekippten Baum, ein Käufer. Bis dahin bleibt er liegen, wo er ist: längs zwischen Bürgersteig und Umfahrt: der einzige Bereich des öffentlichen Parkplatzes, der nicht genutzt werden kann vorerst.

Ein hoher Bauzaun verhindert seit Montag, dass neugierige Passanten der Unglücksstelle zu nahe kommen. Und umgekehrt, dass neugierige Rothirsche ausbüxen. „Eigentlich kann das nicht passieren“, sagt Vortmann. Dem Rotwild, das jenseits der Mauer im Wildpark lebt, versperre noch ein weiterer Zaun den Weg zur Straße. „Aber sicher ist sicher.“ Wann genau es mit der Mauer weitergehen wird, ist dagegen noch nicht sicher.
Auf einer Länge von zehn Metern ist die historische Mauer zusammengebrochen - und lässt unfreiwillig nicht nur einen Einblick in den Park, sondern auch in die Entstehungszeit der Mauer zu. Das war vermutlich vor einigen hundert Jahren. Die zweischalig gesetzten Steine - vermutlich alle aus dem Cappenberger Steinbruch am heutigen Brauereiknapp -, die mit weicherem Material gefüllt wurden, mögen ursprünglich vielleicht sogar in die Entstehungszeit des einstigen Klosters im 12. Jahrhundert zurückreichen. „Sicher ist aber, dass die Mauer seitdem immer mal wieder neu nachgearbeitet wurde“, sagt Vortmann. Zuletzt vermutlich durch den Freiherrn vom Stein, der 1816 die damals baufällige Anlage übernahm und für ihren Erhalt sorgte. Längst stehen Gebäude und Mauer unter Denkmalschutz. Was das für die Sanierung bedeutet, hatte ein kalter Dezembertag 2009 eindrucksvoll gezeigt.
2009 fielen Steine aus Mauer
Einen Tag vor dem Jahreswechsel zu 2010 hatte damals auch die Feuerwehr Cappenberg zur Mauer ausrücken müssen - dieses Mal nicht im Bereich des Parkplatzes, sondern am Schlossberg. Die alte Schlossmauer, die beiden Weltkriegen und Stürmen getrotzt hatte, drohte plötzlich einzustürzen. 40 mal 40 Zentimeter große, schwere Steine hatten sich auf einer Fläche von drei mal zwei Metern aus der Wand gelöst. Auch damals war niemand zu Schaden gekommen. Allerdings hatte die aufwendige, denkmalgerechte Sanierung der Mauer fast ein Jahr auf sich warten lassen.
Guido Vortmann und seine Kollegen haben bereits vorgesorgt. Alle alten Steinbrocken wurden gesichert, damit sie möglichst wieder Verwendung finden können beim Wiederaufbau.
Alle, die ihren Osterspaziergang rund um das Schloss machen möchten, die Ausstellung im Museum, das Café Kegelbahn oder am Dienstag (4. 4.) die Weinstube auf dem Schlossgelände besuchen möchten, brauchen genauso wenig wie die Besucherinnen und Besucher der bevorstehenden Ostergottesdienste in der 900 Jahre alten Stiftskirche Rücksicht zu nehmen. „Der Parkplatz steht wieder zur Verfügung“, sagt Guido Vortmann.
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