Ausladend hat die mächtige Roteiche schräg vor dem Café Kegelbahn auf dem Cappenberger Schlossgelände ihre Äste ausgestreckt. Wer bei Regen unter dem dichten Blätterdach Schutz suchte und sich an den rauen Stamm des fast 200 Jahre alten Baums lehnte, wurde nicht nass. Dass das jetzt anders ist, hat nichts damit zu tun, dass Anfang März noch kein frisches Eichenlaub ausgetrieben ist. Der Grund ist ein Radikalschnitt.
Einer der meist fotografierten Bäume der Region ist seit Kurzem kaum wiederzuerkennen: Die Krone oben ist gekappt, die Seiten sind drastisch eingekürzt. Mit einem schonenden Erziehungsschnitt, wie ihn Hobbygärtner an ihren Obstbäumen durchführen hat das nichts zu tun. Darum ging es auch auch nicht, wie Elmar Berks, Forstbetriebsleiter bei der Verwaltung Graf von Kanitz erklärt. Eher um eine Notoperation.
Die Roteiche ist schwer krank. Die Ursache dafür macht zugleich auch einen Teil ihrer Popularität aus: der Gemeine Schwefelsportling, ein gelber Pilz, der sich bereits vor Jahren in dem Baum breit gemacht hat. Der Parasit sorgt dafür, dass die Roteiche jedes Jahr ab Ende Mai goldgelb erstrahlt: ein echter Blickfang, der kurz vergessen lässt, dass es sich um einen botanischen Kampf auf Leben und Tod handelt, bei dem der Baum früher oder später den Kürzeren ziehen wird.

„Später“ hofft Elmar Berks. Daher der Radikalschnitt. Weil der Pilzbefall eine Braunfäule ausgelöst hat, sei die Stabilität des Baums gefährdet. So gefährdet, dass der Kreis Unna, der sich bislang um das Naturdenkmal - eines von rund 450 im Kreisgbiet - kümmerte, bereits die Hoffnung verloren hat. Anders als der Graf von Kanitz, der offenbar auch zu der großen Fangemeinde des Charakterbaums im Schlossgarten gehört. Sein Auftrag: Die alte Roteiche so lange leben lassen, wie es geht - allerdings, ohne dass dadurch eine Gefahr für die Spaziergängerinnen und Spaziergänger entsteht.
Wird wieder austreiben
Der Radikalschnitt hat den Baumpatienten von viel Gewicht befreit. Dadurch sei die Standsicherheit erhöht worden, so Berks. Die Wahrscheinlichkeit, dass der innen mehr und mehr ausgehöhlte Baum zur Seite kippt, sei inzwischen deutlich geringer geworden. Dass Äste abfallen, ebenfalls. „Er wird wieder austreiben“, sagt Berks mit Blick auf das Frühjahr. „Wie lange das noch gutgehen wird, müssen wir dann abwarten.“ Er hofft aber noch auf einige Jahre. So viel steht allerdings fest: Die Braunfäule ist nicht heilbar. Sie baut im Baum den hellen Pflanzenbestandteil Zellulose ab, so dass nur noch das dunkelbraune Lignin übrigbleibt.
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