Der Prozess im Fall Prott ist zu Ende - aber es sind viele Fragen offen geblieben. Zum Beispiel die, ob der Chef des Schlachthofes in Selm, in dem Tiere illegal und brutal geschächtet wurden, jemals zur Verantwortung gezogen werden wird. Oder die, warum es nie eine Anklage gegen den leitenden Vorarbeiter gegeben hat, von dem mehrere Zeugen berichtet hatten. Was ist außerdem aus der Anzeige gegen den Kreis Unna geworden? Und was kommt auf den Zeugen zu, der zugegeben hatte, die Kameras im Schlachtbetrieb versteckt zu haben?
In Fragen und Antworten gehen wir den losen Fäden des Selmer Schlacht-Skandals nach.
Was wird aus der Anklage gegen Hubert Prott? Wird er sich jemals vor Gericht verantworten müssen?
Das ist eher unwahrscheinlich. Die Anklage gegen Hubert Prott wurde abgetrennt von der gegen die anderen Mitarbeiter des Schlachthofes, wie kurz vor Beginn des Prozesses am 1. September bekannt wurde. Und das aus gesundheitlichen Gründen. Der vorsitzende Richter sagte, dass der ehemalige Chef des Schlachthofes „vermutlich dauerhaft“ nicht verhandlungsfähig sei. Ein entsprechendes Gutachten liege vor. Der Anwalt seiner Tochter erklärte im Prozessverlauf, dass Prott weit über 80 und dement sei. Ein Detail, das das Gericht so nicht bestätigte.
Sollte es aber so sein, „dann kann man nicht verhandeln“, sagt Staatanwalt Henner Kruse im Gespräch mit der Redaktion. Eine dauerhafte Verhandlungsunfähigkeit ist ein Verfahrenshindernis. Dass das Gericht das Verfahren gegen Prott einstellen wird, ist also sehr wahrscheinlich. Ein Urteil gegen ihn wird es also voraussichtlich nie geben - anders als gegen drei seiner ehemaligen Mitarbeiter. Wegen des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz ist einer von ihnen zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden, zwei andere zu zwei Jahren, die allerdings zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Inhaberin des Schlachthofes, Protts Tochter, muss 40.000 Euro zahlen.
Die anwesenden Angeklagten und mehrere Zeugen erwähnten im Prozessverlauf einen Vorarbeiter in leitender Funktion. Wurde gegen diesen Mann, der aus dem Familienumfeld der Protts kommen soll, auch ermittelt? Warum wurde er nicht angeklagt?
Der Name dieses Mannes ist im Prozessverlauf tatsächlich sehr häufig gefallen. Zeuge und Tierschützer Friedrich Mülln zum Beispiel sagte aus, dass dieser seiner Beobachtung nach in der Hierarchie deutlich über den drei Männern stand, die auf der Anklagebank saßen. Er soll Aufträge erteilt haben und auch für die Auslieferung des Fleisches verantwortlich gewesen sein sollen, so der Zeuge.
Tatsächlich habe es gegen diesen Mann auch Ermittlungen gegeben, wie Staatsanwalt Henner Kruse auf Anfrage der Redaktion erklärte. Er war also einer der Beschuldigten. Allerdings habe er nur eine „geringe Rolle“ gespielt - das habe die Auswertung der Videos ergeben. Er sei nur ein paarmal durch das Bild gelaufen, habe aber nicht aktiv geschächtet oder sei in anderer Form aktiv aufgetreten, so der Staatsanwalt. Die Ermittlungen gegen in seien deshalb eingestellt worden. Folglich sei es auch nicht zu einer Anklage gekommen.
Ganz grundsätzlich ist es möglich, dass die Ermittlungen gegen ihn nach den neuen Erkenntnissen aus dem Prozess wieder aufgenommen werden, erklärt Kruse. Die zuständige Staatsanwältin sei vor Ort gewesen, sie prüfe das nun.
Was ist aus der Klage gegen den Kreis Unna geworden? Laufen da die Ermittlungen noch?
Offen geblieben sind auch noch einige Fragen, die den Kreis Unna und das dort ansässige zuständige Veterinäramt betreffen. „Krachendes Versagen“ hatten Tierschützer dem Amt vorgeworfen - und das vor allem an nicht ausreichenden Kontrollen festgemacht. Die Soko Tierschutz, die den Skandal 2021 aufgedeckt hat, hatte sogar eine Anzeige gegen unbekannte Mitarbeiter des Kreises Unna gestellt.
Laut Staatsanwaltschaft wurde dieses Verfahren aber eingestellt. Es habe keinerlei Anhaltspunkte gegeben, dass Mitarbeiter des Kreises vorsätzlich an den Taten beteiligt waren, erklärt Henner Kruse.
Im Prozess hatte unter anderem eine Amtstierärztin ausgesagt, dass es regelmäßige Kontrollen bei Prott gegeben habe - und dass es dabei in den vergangenen Jahren nichts zu beanstanden gab. Prott habe dabei immer selbst geschlachtet. Er sei aber grundsätzlich nie kooperativ gewesen und habe Mitarbeiter des Kreises teilweise beschimpft.
Wie es zu Stempeln des Amtes auf dem Fleisch kommen konnte, die ein Zeuge im Schlachthof gesehen hatte, und wie viele Kontrollen es ganz genau bei Prott gegeben hat in dem Zeitraum, in dem die Videos entstanden sind, könnte sich bei der nächsten Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Verbraucherschutz des Kreises Unna aufklären. Die Grünen haben in einem entsprechenden Antrag einen umfangreichen Fragenkatalog an Landrat Mario Löhr gesandt und um die Beantwortung in der Sitzung gebeten.
Was kommt auf den Zeugen zu, der zugegeben hat, die versteckten Kameras im Schlachthof installiert zu haben?
Der Zeuge hatte sich selbst bei dem Gericht und bei der Staatsanwaltschaft gemeldet - wohlwissend, dass er durch seine Aussage im Prozess selbst eine Straftat zugibt. Er sei mehrmals heimlich in dem Schlachthof gewesen, um die Kameras zu installieren und das aufgenommene Videomaterial dann zu sichern, sagte der Zeuge.
Prott hatte nach Veröffentlichung der Videos eine Anzeige gegen Unbekannt wegen Hausfriedensbruch aufgegeben. Da jetzt der Name einer der Verantwortlichen bekannt ist, wird gegen den Zeugen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, wie Henner Kruse erklärt. Es werde jetzt also erst mal geprüft. Ob es am Ende auch eine Rolle spielt, dass der Zeuge durch seine Straftat zur Aufklärung einer anderen beigetragen hat, müsse man dann gucken, so der Staatsanwalt weiter. Solche Erwägungen seien aber durchaus möglich.
Gibt es den Schlachthof in Selm eigentlich noch?
Der Betrieb Prott hat abgemeldet. Nachdem der Kreis Unna ihn im Frühjahr 2021 geschlossen hatte, hat der Schlachthof unter diesem Namen nie wieder geöffnet. Aber: In dem Gebäude an der Schachtstraße in Selm schlachtet jetzt das Unternehmen Schlunz. Der Schlachthof sei saniert worden, wie die Amtstierärztin im Prozess erklärte. Das Unternehmen zeige sich auch sehr kooperativ und habe beispielsweise freiwillig ein Kamerasystem installiert, um Kontrollen zu erleichtern.
Im Prozess hatte der Verteidiger einer der Angeklagten angekündigt, gegen das Urteil vorzugehen. Ist das schon geschehen?
Das Gericht konnte dazu auf Anfrage der Redaktion am Dienstag noch nichts sagen. Eine Woche - also bis zum 22. September - könne der Verteidiger Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen. Sein Mandant war zu drei Jahren Haft verurteilt worden.
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