Selms Ausstieg aus ÖPNV-Förderprogramm „Ways2Work“ War das wirklich nötig?

Ausstieg aus ÖPNV-Förderprogramm „Ways2Work“: War das wirklich nötig?
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Es klingt nach einem guten Plan: Busse fahren zwischen Gewerbegebieten in Selm und Werne, bieten Arbeitnehmern die Chance, auf das Auto zu verzichten beziehungsweise - falls kein Auto oder Führerschein vorhanden ist - problemlos von auswärts zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen. Bisher ist das Gewerbegebiet Selm nicht an den Öffentlichen Personennahverkehr angebunden. Ein Ausschlusskriterium für potenzielle Bewerber um Arbeitsstellen, wie Peter Mennes, Chef der Mennes GmbH, Spezialist für Glas- und Kunststofftechnik mit Sitz an der Schachtstraße im Gewerbegebiet Selm, der Redaktion vor einiger Zeit gesagt hat.

Eine Lösung für das Problem sollte das Förderprogramm „Ways2Work“ sein. Gemeinsam mit der Stadt Werne bewarb sich Selm darum. Eine 80-prozentige Förderung winkte. Die erste Phase meisterten die beiden Städte, wollten in der zweiten Runde mit ausgearbeiteten Projektvorschlägen punkten, unter anderem mit der Anbindung des Bahnhofs Selm-Beifang. Alles schien auf ein Feinkonzept hinaus zu laufen, zumal der Rat der Stadt Werne zugestimmt habe, weiter zu machen.

Und dann kamen zwei politische Sitzungen Ende 2023 in Selm. Der Haupt-, Finanz- und Digitalisierungsausschuss gab nur mit knapper Mehrheit eine Zustimmung. Entscheiden musste der Rat. Das tat er. Und lehnte ab. Bei Stimmengleichheit. Es hatte sich laut Bürgermeister Thomas Orlowski herausgestellt, dass die Busverbindung „auf einmal“ nur noch zwischen den Gewerbegebieten möglich sei - und auch nur noch für Mitarbeitende der Betriebe, nicht für jeden Bürger. Auch die Förderung von 80 Prozent stehe noch nicht hundertprozentig fest. Die Fördervorgaben seien da „zum jetzigen Zeitpunkt nicht eindeutig“. Das und Kosten, die zu hoch seien, gab den Ausschlag für 15 Ratsmitglieder, nein zu sagen.

Viele Autos auf dem neuen Betriebsgelände des Unternehmens Cordes & Graefe an der Werner Straße. Das Förderprogramm "Ways2Work" soll es Arbeitnehmern ermöglichen, mit dem Bus zum Arbeitsplatz zu kommen.
Viele Autos auf dem neuen Betriebsgelände des Unternehmens Cordes & Graefe an der Werner Straße. Das Förderprogramm "Ways2Work" soll es Arbeitnehmern ermöglichen, mit dem Bus zum Arbeitsplatz zu kommen. © Arndt Brede

Da stellen sich Fragen:

  • Wie ist es aus Sicht von Bürgermeister Thomas Orlowski möglich, dass innerhalb des Projektes die Busanbindung nur noch zwischen den Gewerbegebieten möglich ist und nicht mehr auch der Allgemeinheit zur Verfügung stehen soll?
  • Haben sich die Förderrichtlinien dahingehend wirklich plötzlich geändert oder ist die Selmer Verwaltung von vornherein von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Diese Frage gilt auch für die laut Bürgermeister noch nicht hundertprozentig feststehende Förderung von 80 Prozent.
  • Wird der Bürgermeister noch mal mit der Stadt Werne sprechen? Schließlich ist es ja ein gemeinsames Projekt und Werne hatte bereits politisch das weitere Vorgehen auf den Weg gebracht.
  • Wenn es Gespräche mit Werne geben sollte: Welches Ziel könnten sie haben? Gibt es womöglich Ideen, wie die ÖPNV-Anbindung der Gewerbegebiete zwischen den Bahnhöfen und den Gewerbegebieten beider Städte doch noch gelingen kann?
  • Wenn es Ideen gibt, wird dann das Ziel verfolgt, auch den Bürgern die Busverbindung zu öffnen oder „nur“ den Mitarbeitenden der Betriebe?

Stadtsprecher Malte Woesmann antwortet dazu: „Eine Anbindung der Gewerbegebiete an die Haltepunkte der Bahn wurde bereits vor Bekanntgabe des Förderprogramms ,Ways2Work‘ gemeinsam mit Selmer Gewerbetrieben und der Verkehrsgesellschaft für den Kreis Unna (VKU) diskutiert. Hierzu wurden Gespräche geführt und eine Abfrage bei den Gewerbebetrieben gestartet. Dort hatte sich Bedarf gezeigt für eine Anbindung der großen Betriebe im Gebiet Werner Straße an die Haltepunkte der Deutschen Bahn. Während dieses Abstimmungsprozesses wurde das Förderprogramm aufgelegt. Eine Förderung in Höhe von bis zu 80 Prozent über einen Zeitraum von drei Jahren wurde hier in Aussicht gestellt.“

Gespräche mit der Stadt Werne

Die Stadt Selm sei daraufhin auf die Stadt Werne zugegangen, um einen interkommunalen Antrag zu stellen. Es sollten nicht mehr nur die jeweiligen Gewerbegebiete und Bahnhöfe besser angebunden werden sondern eine zusätzliche Busverbindung zwischen beiden Städten durch dieses Programm eingeführt werden. Mit diesem Konzept seien beide Städte gemeinsam in die erste Runde des Förderprogramms gestartet. Im Mai 2023 seien Selm und Werne mit diesem Antrag in die Endauswahl des Förderprogramms gekommen.

„Erst bei der anschließenden Erarbeitung des Feinkonzeptes, was nun dem Rat zur Abstimmung vorlag, kam aus dem NRW-Verkehrsministerium der Hinweis, dass nur die Anbindung für Betriebe förderfähig ist“, betont Woesmann. „Zusätzliche Linien des ÖPNV wären nicht förderfähig. Dies war, wie oben beschrieben, aber Teil des ursprünglich genehmigten Konzeptes. Der Rat sollte nun das Feinkonzept auf den Weg bringen. Dieses wäre Bestandteil des endgültigen Förderantrages gewesen. Die Förderhöhe ist innerhalb des Prozesses mit bis zu 80 Prozent angegeben gewesen. Die konkrete Höhe ist weiterhin offen gewesen.“

Der Bürgermeister habe umgehend nach dem politischen Beschluss, das Feinkonzept nicht zu beauftragen, den Bürgermeister der Stadt Werne, Lothar Christ, darüber informiert, erklärt der Stadtsprecher. „Weitere Gespräche zu einer besseren ÖPNV-Anbindung der Städte Selm und Werne sind zurzeit nicht geplant. Dies wären neue freiwillige Leistungen, die vor dem Hintergrund der finanziellen Situation ohne entsprechende Fördermittel zur Zeit nicht möglich sind.“

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