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Nutria, Bisam oder Biber: Was schwimmt denn da im Cappenberger Teich?
Heimische Natur
Es schwimmt, frisst, putzt sich und döst: Das pelzige Tier am Teich gegenüber des Schlossparkplatzes lässt sich nicht stören - weder von Enten noch von Spaziergängern. Doch was ist es?
Die Bank am Rande des Naherholungsgebietes Cappenberger Wald steht goldrichtig: ein Logenplatz, um dem possierlichen Treiben auf dem kleinen Teich am Fußweg zwischen den Straßen Schlossberg und Buschkamp zuzuschauen.
Hinten steht bewegungslos ein Graureiher und sucht die von Bäumen beschattete Wasserfläche nach Nahrung ab. Zu seinen Füßen ziehen kleine Ententrupps gemächlich ihre Bahnen. Die Aufmerksamkeit der Spaziergänger, die regelmäßig auf der Bank anzutreffen sind, gilt aber meistens keinem der Vögel, sondern den pelzigen Schwimmern, die am Ufer dösen, fressen und sich putzen. Auch wenn diese Tiere für viele schon alte Bekannte sind: Bei ihrer Benennung geht es nach wie vor wild durcheinander: Biber, Bisam, Bisamratte, Biberratte, Sumpfbiber, Nutria - was denn nun?
An Lippe und Ruhr: Der Biber ist wieder zurück
Der Biber, der als ausgerottet galt, ist zwar wieder zurück in Nordrhein-Westfalen: Er hat sich an der Lippe angesiedelt und soll sich auch an der Ruhr wohlfühlen. Sichere Nachweise gibt es in Hamm und Mülheim und Spuren in Schwerte und sogar in Bergkamen. Dennoch: Das Tier am Teich in Cappenberg ist kein Biber. Dafür ist es zu klein.

Am Teich in Cappenberg: Das Nagetier, das auch tagsüber aktiv ist, lebt in friedlicher Nachbarschaft zu den Enten. Und zu den neugierigen Spaziergängern. Im Hintergrund ein Artgenosse. © Sylvia vom Hofe
Der Biber, das größte Nagetier Deutschlands, misst einen Meter. Unverwechselbares Erkennungszeichen ist seine Biber-Kelle: der breit abgeflachte, beschuppte Schwanz. Ihm hatte der Biber lange Zeit eine zweifelhafte Beliebtheit in Klöstern zu verdanken - sicher auch im Kloster Cappenberg am Platz des heutigen Schlosses. Wegen ihres beschuppten Schwanzes galten die bis zu 30 Kilogramm schweren Nager als fischähnlich und kamen in der Fastenzeit, in der Fleischverzehr tabu war, auf den Tisch.
Nagetiere vor über 100 Jahren wegen des Pelzes eingeführt
Bisam und Nutria liefen im Mittelalter nicht Gefahr, in Cappenberg als Fastenbraten missbraucht zu werden. Sie gab es dort damals noch gar nicht - weder in Deutschland, noch im Rest Europas. Menschen haben die Nager erst vor mehr als 100 Jahren aus Übersee eingeführt, um sie auf Pelztierfarmen zu züchten. Von dort büxten einige aus. Andere wurden auch einfach freigelassen, als niemand mehr Pelze kaufen wollte. Dass Bisam und Nutria dem Biber - abgesehen von Größe und Schwanz - zum Verwechseln ähnlich sehen, zeigt sich bei dem Namenswirrwarr, den es inzwischen gibt.
Die ursprünglich aus Südamerika stammende Nutria wird auch Sumpfbiber oder Biberratte genannt. Dabei ist sie genauso wenig mit der Ratte verwandt wie der zunächst nur in Nordamerika heimische Bisam, der auch den Beinamen Bisamratte trägt. Vielmehr ist die Nutria mit ihrem vergleichsweise runden Kopf, so etwas wie ein Riesen-Meerschweinchen und der Bisam, wie sein schmaler Kopf schon vermuten lässt, eine große Wühlmaus.
Besonderer Schwimmstil bei Nutria und Bisam
Mit 35 Zentimetern ist der Bisam genau genommen die größte europäische Wühlmausart. Das Umweltbundesamt nennt ihn nach dem 100 Zentimeter langen Biber und dem bis zu 65 Zentimeter langen Nutria (die Körperlänge ist jeweils ohne Schwanz gemessen) das drittgrößte „mittlerweile einheimische Nagetier“. Der Bisam ist damit etwa so groß wie ein Wildkaninchen. Sein Fell ist rötlichbraun und sehr dicht und glänzend. Anders als der runde Schwanz vom Nutria und der platte, breite Schwanz vom Biber ist der des Bisam seitlich ein wenig abgeflacht und beschuppt und mit etwa 20 Zentimetern auch kürzer als der einer Nutria (30 bis 45 Zentimeter).

Ein Biber sitzt in der Abenddämmerung auf einer Wiese in Hessen. Inzwischen sind sie auch in NRW wieder heimisch - etwa in Hamm. Typisch Biber: der platte Schwanz. © picture alliance/dpa
Beim Beobachten von der Parkbank aus fällt es allerdings schwer, Schwanz- und Körperlängen abzumessen. Und bei einem nassen Tier lässt sich die Fellfarbe auch nicht eindeutig bestimmen. Der Naturschutzbund (Nabu) nennt einen weiteren Unterschied zwischen Nutria und Bisam: die Art zu schwimmen.
Beim Bisam ragt im Wasser der halbe Körper heraus. „Häufig kann man Pendelbewegungen des ovalförmigen Schwanzes beobachten.“ Die Nutria „streckt die Nase über die Wasseroberfläche steil hinaus, sodass der Kopf schräg nach oben zeigt.“ Ihr Rücken einschließlich des Schwanzansatzes ist ebenfalls über Wasser sichtbar. Gute Schwimmer sind beide: Bisam und Nutria. Beim Tauchen haben die Nutrias aber das Nachsehen. Das hat auch folgen beim Hausbau.
Zwei Arten bauen Eingänge nur unter dem Wasserspiegel
Wie bei der mächtigen, aus selbst gefällten Bäumen hergestellten Biberburg liegt auch der Eingang zum Bisambau grundsätzlich unter Wasser. Der Unterschlupf der Nutrias - in der Regel ein Erdbau am Ufer - ist dagegen immer ohne tauchen zu müssen erreichbar.

Ein Bisam (Ondatra zibethicus) - die größte aller Wühlmäuse - steigt aus einem Fluss. Inzwischen ist die Art überall vertreten. Wo Nutria leben, verdrängen sie allerdings die Bisame. © picture alliance/dpa
Beim Blick auf den Cappenberger Teich - vermutlich der Rest einer Gräfte - helfen das Wissen um Schwimmstil und Tauch-Qualitäten aber nicht wesentlich weiter, um die Art zu bestimmen. Nur wer noch immer darüber nachdachte, ob es sich bei den jetzt zwischen dem Ufer und einem im Wasser liegenden Baumstamm hin- und pendelnden Tieren vielleicht doch um junge und daher noch kleine Biber handeln könnte, muss sich von dieser Vermutung endgültig trennen. Denn Biber liegen laut Nabu tief im Wasser. Nase, Augen und Ohren bilden bei ihnen eine Linie knapp über der Oberfläche. Anders als diese fidelen Schwimmern.
Typisch Nutria: deutlich erkennbare Ohren und weißer Schnurrbart
Zwei weitere Kriterien verhelfen der Bestimmung schließlich zum Ziel: Schnurrbart und Ohren. Das Pelztier, das jetzt wieder am Rand des Teichs sitzt und unablässig mit seinen Vorderbeinen nach pflanzlicher Nahrung fischt, hat leuchtend weiße Schnurrbarthaare: ein klares Erkennungszeichen für Nutrias, wie der Nabu feststellt. Bei den Ohren wird die Sache noch eindeutiger: Anders als Biber und Bisame haben Nutrias gut erkennbare unbehaarte Ohren, die fast dem eines Menschen ähneln. Außerdem leuchten die Zähne der erwachsenen Tiere orange.
Auch wenn die von dem possierlichen Treiben verzückten Beobachter auf der Bank am Cappenberger Waldrand das anders sehen: großer Beliebtheit erfreuen sich die eingewanderten Nager nicht. Menschen kritisieren, dass sie Ufer und Dämme untergraben und Fraßschäden anrichten an Feldfrüchten. In den auf Deiche Und Dämme angewiesenen Niederlanden werden sie genauso wie die Bisame deshalb gnadenlos bejagt. Das Umweltbundesamt in Deutschland ist da wesentlich Nutria-freundlicher.
Umweltbundesamt: Nutrias werden „als Bereicherung betrachtet“
Bisame richteten mehr Schaden an als Nutrias, stellt die Behörde fest. Darum sei es nur gut, dass die Nutrias die kleineren Bisame vertreiben. Das hatte man sich im Münsterland schon vor Jahrzehnten zu Nutze gemacht: 1929 und 1930 hatten die Verantwortlichen des Teichguts Hausdülmen Nutrias ausgesetzt, damit sie das Schilf dezimieren und die Fischereierträge in den Teichen steigern. Aus dem gleichen Grund wurden sie in den 1950er-Jahren auch in der Anholter Schweiz ausgewildert - auch zur Freude von Füchsen, Mardern und Greifvögeln.
Das Umweltbundesamt verweist darauf, dass inzwischen der europäische Nutria-Bestand die ganze Art sichere, „die im Herkunftsgebiet Südamerika lokal schon ausgerottet ist“. Die Nutrias sind laut der Behörde keine Gefahr der heimischen Fauna. Sie „nehmen im Wesentlichen eine nicht von einheimischen Arten genutzte Nische ein und werden von vielen Menschen durchaus als Bereicherung betrachtet“.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
