Nach Pandemie mehr Kriminalität im Kreis Unna Diese Fälle machen die Kripo besonders ratlos

Viel Betrug per Whatsapp und mehr Gewalt auch gegen Uniformierte
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Es geht um hohe Summen. In einigen Fällen verlieren Familien ihre kompletten Ersparnisse an hoch professionelle Täterbanden: Die Kreispolizeibehörde Unna zeigt sich ratlos angesichts einer besonders perfiden Form des Verbrechens. Sie sticht heraus aus der Kriminalitätsstatistik für 2022.

Whatsapp-Betrüger irritierend mächtig

„Straftaten zum Nachteil älterer Menschen mit überregionaler Tatbegehung“: Was im Polizeideutsch sperrig klingt, hatten sehr viele Menschen bereits auf ihrem Handy. Eine fremde Person meldet sich, beispielsweise per Whatsapp, mit einer angeblich neuen Nummer. Mal soll es die „Tochter“ sein, mal ein anderer Angehöriger, der hier angeblich dringend Hilfe braucht. Die Betrüger bauen eine Kommunikation mit ihren Opfern auf und überzeugen sie, Geld zu besorgen. Viel Geld.

Stefan Heimbuch, Direktionsleiter Kriminalität bei der Kreispolizeibehörde (KPB) Unna, spricht von Macht und Kontrolle über die Opfer in einer Form, die selbst für die Ermittler mitunter irritierend sei. Haben die hochprofessionellen Täter Erfolg, dann können sie ihre Opfer zum Beispiel überzeugen, dass ihr Barvermögen auf dem Bankkonto weniger sicher sei als in einer Einkaufstüte hinter der Mülltonne – wo die Täter ihre Beute dann abholen. „Da sind Lebensersparnisse von heute auf morgen weg“, sagt Kripo-Chef Heimbuch.

Die Schadenssummen sind immens. Im Jahr 2022 erbeuteten Kriminelle insgesamt 331.000 Euro im Kreis Unna. Dies entspricht nur der Summe der angezeigten Fälle: 811 im vergangenen Jahr.

Schaden 2023 schon jetzt höher als 2022

Die Aufklärungsquote ist minimal. Wenn Fälle angezeigt werden, dann meist hinterher, wenn es zu spät ist. Kann die Polizei sich rechtzeitig einschalten, dann werde ein sehr hoher Ermittlungsaufwand betrieben. Doch in der Regel würden höchstens die Geldabholer gefasst, allenfalls noch Hintermänner. Die Drahtzieher bleiben im Dunkeln. Die illegale Arbeit in Callcentern irgendwo in Deutschland, öfter im Ausland, geht weiter. Sie geht auch im neuen Jahr weiter. Es gibt weitere Fälle. „Ich kann bereits verraten, dass wir die Summe von 2022 in diesem Jahr überschreiten“, so Heimbuch.

Prävention erscheint als einziges Mittel gegen diese Form der Kriminalität. Die Polizei betreibt nicht erst seit dem vergangenen Jahr Öffentlichkeitsarbeit, um vor allem (aber nicht nur) Senioren aufzuklären, um für Wachsamkeit und ein gesundes Misstrauen zu werben. Trotzdem fallen immer wieder Menschen auf die heimtückischen Methoden herein. „Wir wissen nicht, was wir noch machen sollen“, sagt Polizeisprecher Bernd Pentrop.

Vorsicht, Betrug! So oder so ähnlich sehen Nachrichten aus, mit denen professionelle Verbrecher versuchen, Geld zu erbeuten. Leider haben sie oft Erfolg.
Vorsicht, Betrug! So oder so ähnlich sehen Nachrichten aus, mit denen professionelle Verbrecher versuchen, Geld zu erbeuten. Leider haben sie oft Erfolg. © picture alliance/dpa/dpa-tmn

Corona drängte das Verbrechen zurück

Diese Form des Betrugs ist weiterhin ein Schwerpunktthema für die Polizei im Kreis Unna. Sie hat jetzt ihre Kriminalitätsstatistik für 2022 öffentlich gemacht und berichtet von deutlich gestiegenen Zahlen, die aber einer Einordnung bedürfen. Insgesamt 19.053 Straftaten wurden 2022 zur Anzeige gebracht – eine Steigerung um 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Allerdings war 2021 wie 2020 von der Corona-Pandemie geprägt, als weite Teile des öffentlichen Lebens ruhen mussten. Weniger Straßenkriminalität, als weniger Menschen draußen unterwegs waren; weniger Einbrüche, als mehr Menschen viel zu Hause waren – das kann zusammenhängen.

Kreis Unna im Landesvergleich

Die Polizei lädt vor diesem Hintergrund eher zum Vergleich mit Vor-Pandemie-Jahren ein. 2018 gab es 18.174 Fälle, 2017 waren es 17.063. Der Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre lag bei 19.339, also knapp über dem Wert von 2022. In der Statistik des vergangenen Jahres steckt zudem ein bemerkenswerter Fall. Einem Pflegedienst in Bönen wurde ein umfangreicher Abrechnungsbetrug zur Last gelegt, was allein fast 500 einzelne Straftaten ausmachte.

Im Kreis Unna ist die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Verbrechens zu werden, geringer als in NRW insgesamt. Die Zahl der Straftaten pro 100.000 Einwohner (6.199) lag 2022 kreisweit unter dem Landesschnitt (7.624). Die Aufklärungsquote ist sehr deliktabhängig, liegt insgesamt im Kreis aber auch über NRW-Niveau.

Mehr Gewalt

Besorgnis erregt, was zunimmt im Fünf-Jahres-Vergleich. „Gewalttätigkeit in der Gesellschaft ist etwas stärker vorhanden, als sie es einmal war“, sagt Kripo-Leiter Heimbuch. Raub ist zwar seit 2018 ein wenig rückläufig.

Aber gefährliche und schwere Körperverletzung sowie andere Gewaltdelikte nehmen zu. Insgesamt gab es im zurückliegenden Jahr 707 Straftaten dieser Kategorie – 98 mehr als 2018.

Gute Nachricht dabei: Kinder, Jugendliche und Heranwachsende werden nicht häufiger zu Tätern, sondern eher etwas seltener.

Mehr Widerstand

Was Gewalt gegenüber Polizisten, Feuerwehrleuten oder Rettungskräften angeht, sehe man im Kreis Unna „Berliner Verhältnisse bei Weitem nicht“, so Heimbuch. Aber Fälle gibt es, und sie nehmen deutlich zu. 124 solcher Anzeigen wurden 2022 dokumentiert.

Hier hilft wieder eine Einordnung: Die Polizei allein hat im Jahr 35.000 Einsätze, die durch Notrufe ausgelöst werden. Hinzu kommen tausende Einsatzstunden beispielsweise bei Verkehrskontrollen oder Volksfesten. Bei den allermeisten Einsätzen also werden Uniformierte nicht angegangen. Aber 124 sind eben auch 36 Fälle mehr als im Jahr 2018.

Weniger Einbrüche

Wohnungseinbrüche gab es 310 im vergangenen Jahr. Hier sind die Zahlen rückläufig, 2018 waren es noch fast 500, nachdem Einbrecher im Kreis Unna Mitte der 2010er-Jahre besonders schlimm aktiv waren.

Die Polizei verspricht aber, hier nicht locker zu lassen und appelliert an ihre Bürger, dass sie ihr Hab und Gut schützen. Mit relativ überschaubaren Mitteln könnten Hausbesitzer es Einbrechern möglichst schwer machen.

Ein Video zum Thema sehen Sie auf unserer Internetseite www.hellwegeranzeiger.de

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