Michael Frücht an seinem Lieblingsort auf dem Gelände des LAFP in Selm Bork: Der Wächter, die Gedenkstätte für im Dienst getötete Kollegen.

© Laura Schulz-Gahmen

LAFP-Leiter: Größte Herausforderung waren rechtsextreme Polizei-Chats

rnPolizei-Karriere

Michael Frücht war seit 2015 Direktor des LAFP in Bork. Seine Berufslaufbahn ist gezeichnet von ständig neuen Herausforderungen. Jetzt ist der 62-Jährige im Ruhestand. Untätig wird er aber nicht.

Selm

, 07.11.2021, 16:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Michael Frücht (62) war seit April 2015 Direktor des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten (LAFP) in Selm-Bork. Am 31. Oktober beendete er seine Karriere. Gemeinsam mit der Redaktion schaut er auf seine Zeit beim LAFP zurück, sowohl auf die schönen Momente, als auch auf die, die eine besondere Herausforderung für ihn und das LAFP waren.

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Besonders im Gedächtnis geblieben von seiner Zeit als Direktor am LAFP ist Michael Frücht vor allem eine Situation. „Es waren natürlich sehr, sehr viele Ereignisse, aber wenn man jetzt mal schaut was mich richtig getroffen hat oder was hängengeblieben ist, dann ist das für mich die Migrations-Problematik.“ 2015 wurden im LAFP aus dem Stand heraus 2500 Menschen aufgenommen, die aus ihren Heimatländern geflohen waren.

Rechtsextremistische und menschenverachtende Chats

„Da war ich gerade frisch hier. Das war im September 2015 und wir hatten im Grunde genommen wie immer bei der Polizei keine Zeit. Da habe ich sehr früh die Behörde auch schon kennengelernt, und wir haben geschaut wie wir das gemeinsam hinkriegen. Das hat mir gezeigt, mit denen kriegst du alles hin“, so der ehemalige Leiter des LAFP.

Auf die Frage, welche besonders kritische Situation Michael Frücht im Gedächtnis geblieben ist, antwortet er: „Also die kritischste Situation, die ich eigentlich in meinem ganzen Berufsleben hatte, war die Situation mit den rechtsextremistischen Chats. “

Dazu hat der heute 62-Jährige auch sehr deutlich Position bezogen. „Wer solche Gedanken hegt, also antisemitische, menschenverachtende Gedanken, der hat in dieser Polizei keinen Platz.“ Als Leiter des LAFP führte Michael Frücht die Disziplinarverfahren gegen die Beamten und Beamtinnen, die an den rechtsextremistischen Chats beteiligt waren.

Wenn Führung nicht funktioniert...

Das Thema hat ihn sehr berührt, weil er sich nicht vorstellen konnte, „dass Polizeibeamte dieser Prägung, dieser Generation sich mit solchem Gedankengut überhaupt nur auseinandersetzen können, außerdienstlich und zwar negativ.“

Wie Polizisten so in die falsche Richtung abdriften können, dafür hat Michael Frücht eine Vermutung: „Eine mögliche Ursache ist, wenn Führung nicht funktioniert. Führung im positiven Sinne. Wenn Vorgesetzte etwas ignorieren, dann akzeptieren sie es. Das war, glaube ich, einer der Gründe, dass Vorgesetzte Dinge haben laufen lassen. Und dann verselbstständigt sich so etwas.“

Noch immer ist Michael Frücht getroffen von der Tatsache, dass „wir solche Leute ausgesucht haben, eingestellt haben, ausgebildet haben und im Dienst haben.“

„Keiner von denen ist noch im Dienst“

Dabei gibt es ein „knallhartes Auswahlverfahren, das auch die Verfassungs-Einstellung und Werte-Orientierung ganz klar abfragt.“ Denn wenn man selber die Verfassung nicht achtet, wie soll man dann Menschen achten? Michael Frücht hofft, dass das Vertrauen, das durch diese rechtsextremistischen Chats bei der Bevölkerung gegenüber der Polizei verloren gegangen ist, durch das konsequente Durchgreifen der Polizei wieder hergestellt werden konnte. „Keiner von denen ist noch im Dienst“, so Frücht. Trotzdem, die Disziplinarverfahren laufen weiterhin.

Michael Frücht war aber nicht immer Leiter des LAFP. „Angefangen habe ich als Wachtmeister hier in Selm“, so der 62-Jährige. Dann ging es weiter zur Autobahnpolizei in Neuss, irgendwann war er bereits Leiter des polizeilichen Staatsschutzes in Münster und des Einsatzstabs der Essener Polizei.

Ständig neue Herausforderungen bei der Polizei

Von dort wechselte Michael Frücht ins damalige Ministerium für Inneres und Kommunales NRW. Dort war er in verschiedenen Positionen tätig - unter anderem als Persönlicher Referent des Innenministers und Leiter des Referates „Politische Koordination“. Außerdem war er noch der ranghöchste Verkehrspolizist der Polizei NRW als Leiter des Referats für „Polizeiliche Verkehrsangelegenheiten“ im Innenministerium, bevor er 2015 Direktor des LAFP wurde.

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Der Reiz der Polizei generell sei für Michael Frücht immer gewesen, dass es ständig neue Herausfordernden gibt.

Michael Frücht hofft, dass er für die Kommissaranwärter und Kommissaranwärterinnen natürlich auch Vorbild war und bleibt. Auch wenn die Distanz zwischen den Anwärtern und dem Behördenleiter groß ist. „Wobei, ich habe mir das ja nie nehmen lassen. Ab und an habe ich mich einfach mal zum Mittagessen zu ihnen gesetzt“, sagt der ehemalige Direktor des LAFP im Gespräch mit der Redaktion. „Und da kamen immer sehr schnell auch einige interessante Diskussion auf.“

Deutsch-deutsche Grenzsäulen zum Erinnern

Zum Abschied spendete Michael Frücht zwei deutsch-deutsche Grenzsäulen, die er mit seinem Sohn im Garten gefunden hatte. Sie waren total überwuchert und zusammen befreiten Vater und Sohn die beiden Grenzsäulen in Indiana-Jones-Manier und mit Macheten, die jetzt auf dem Gelände des LAFP stehen.

Warum war dem 62-Järhigen das ein Bedürfnis?

Zu seinem Abschied vom LAFP spendete Michael Frücht noch zwei Grenzsäulen, die er zusammen mit seinem Sohn in Indiana-Jones-Manier von Überwucherungen im Garten mit Hilfe von Macheten befreite.

Zu seinem Abschied vom LAFP spendete Michael Frücht noch zwei Grenzsäulen, die er zusammen mit seinem Sohn in Indiana-Jones-Manier von Überwucherungen im Garten mit Hilfe von Macheten befreite. © Laura Schulz-Gahmen

„Es war mir immer ein Bedürfnis, diese Erinnerung an die fatalen Folgen dieses Nazi-Regimes auch für die Polizei wachzuhalten. Das habe ich durchgängig versucht, und da waren diese beiden Grenzsäulen für mich eigentlich ein Symbol, wie ich das noch mal nachhaltig machen kann, auch wenn ich denn nicht mehr da bin“, so Michael Frücht. Außerdem solle es die Polizisten und angehenden Polizisten daran erinnern, welche Rolle die Polizei in der Kriegszeit gespielt hat und als Motivation dienen, sich zu fragen: Was heißt das für mich heute?

Gesundheit der Mitarbeiter schützen und Funktionsfähigkeit sichern

Aktuell gibt es etwa 7000 Studierende mit denen das LAFP trainiert. Während der Corona-Pandemie war es vor allem eine Herausforderung, bei fast gleichen Ressourcen so viele Leute zu finden und auszubilden. Dann hieß es: „Ich muss die Gesundheit meiner Mitarbeiter schützen“, so Frücht. Aber mindestens genauso wichtig war es, die Funktionsfähigkeit der Polizei sicherzustellen.

So wurden die Gruppen, in denen trainiert wurde, verkleinert und es blieben immer dieselben Gruppen. Außerdem gab es nur noch einen statt zwei Lehrern. „Sie können sich vorstellen Eingriffstechniken, also das unmittelbare Arbeiten am verschwitzten Körper, das ging natürlich erst mal nicht“, sagt Michael Frücht im Gespräch mit der Redaktion. Aber die grundsätzlichen Dinge, wurden weitervermittelt.

Mehr Zeit für die Familie

Jetzt freut sich der ehemalige Direktor des LAFP auf seinen Ruhestand. Das Abschalten hat er schon ein paar Tage geübt, damit komme er klar. Ansonsten werde er jetzt die Prioritäten anders setzen und die Dinge tun, die er immer schon gern getan hat. „Und die, die ich nicht so gern gemacht habe, die mache ich jetzt nicht mehr“, sagt er. Vor allem möchte Michael Frücht jetzt mehr Zeit mit seiner Familie verbringen.

„Klar, ich werde die ganze Polizei vermissen“, sagt der 62-Jährige, aber er wird weiterhin Vorträge halten und im ersten Studienjahr mit unterrichten, allerdings sehr in Maßen. Außerdem möchte sich Michael Frücht auch weiterhin polizei-fachlich in die Politik einbringen.

Vom Wachtmeister zum Schriftsteller

Vorgenommen hat sich Michael Frücht für seinen Ruhestand, endlich die vielen Bücher zu lesen, die er geschenkt bekommenen hat - und ein paar Quellen aufzuarbeiten. Das heißt, der ehemalige Direktor des LAFP möchte selbst ein Buch schreiben. Damit hat er sogar bereits angefangen.

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Noch ist längst kein Veröffentlichungsdatum bekannt - genauso wenig wie ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin für den Direktor des LAFP (stand 3. November) - aber der Titel für das Buch soll werden: „Denkanstöße für polizeiliche Führungskräfte“. „Es geht eigentlich um polizeiliche Macht und persönliche Verantwortung. Das sind so die beiden Untertitel. Quasi der innere moralische Kompass“, so Frücht.

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