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Krähen-Skandal im Kreis Unna: Das haben die Ermittlungen ergeben
Tierquälerei
An den Füßen aufgehängt baumeln Vögel auf einem Spargelfeld im Kreis Unna. Solche Fotos haben im Sommer den Krähenskandal ausgelöst - und eine behördliche Untersuchung. Sie ist jetzt beendet.
Das war eine Zufallsentdeckung: Ein Hobbyfotograf kam im Juni bei einer Wanderung durch den Kreis Unna an einem Spargelfeld vorbei und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen. Was er da unversehens vor die Linse bekam, hatte er noch nie gesehen - und auch nicht für möglich gehalten: Schwarze Vögel hängen kopfüber an Pfählen und baumeln im Wind. Eine barbarische und völlig untaugliche Methode, um die intelligenten Krähen davon abzubringen, in die weiße Folie über dem Spargel zu picken, wie der renommierte Vogelkundler Prof. Josef Reichholf aus Franken gleich auf dem ersten Blick erkannte. Er sprach von „tiefstem Mittelalter“: der Auslöser für Monate lange behördliche Ermittlungen durch die Kreisverwaltung Unna. Seit Ende November sind sie beendet.
Rücksichtnahme auf die laufende Spargelsaison
Der Hobbyfotograf hatte sich selbst Zeit gelassen. Er war geschockt und hin- und hergerissen. Hätte er sofort den Kreis Unna oder die Polizei eingeschaltet, wäre die Existenz des Hofes in Gefahr gewesen, meinte er. Spargelernte und -verkauf, so sagte er der Redaktion, seien vermutlich ein wichtiger Einnahmefaktor. Das Bekanntwerden des Krähen-Massakers hätte extreme Einnahmeausfälle zur Folge gehabt, vielleicht den Ruin: Das wollte er nicht. Ende August - der letzte Spargel war längst geerntet - kamen ihm Zweifel.
Ohne Strafe, so befürchtete der Fotograf, würde der Bauer bestimmt Im nächsten Jahr weiter machen mit dem grausamen Vergrämen der Krähen. Der Tierfreund stellte seine Aufnahmen der Redaktion zur Verfügung. Die Veröffentlichung sorgte für einen Aufschrei des Entsetzens. Nicht nur Menschen in der Region, sondern auch Prof. Reichholf in Franken, einer der bekanntesten Zoologen Deutschlands, verurteilten solche Praktiken aufs Schärfste. Das führte zu einem Meinungsumschwung. Der Fotograf entschied sich Anfang September, doch Name und Adresse des Landwirts bekannt zu machen - zumindest gegenüber der Ordnungsbehörde des Kreises Unna. Der Bauer soll eine Strafe bekommen, Denn sonst, so befürchtete der Fotograf nun, würde er in den nächsten Jahren einfach so weitermachen wie bisher. Die Rechnung ist nicht aufgegangen.
Kreissprecher Rolke: „Ermittlungen sind eingestellt“
Zwar zeigen die Fotos, die der Behörde vorliegen - anders als die hier veröffentlichten Aufnahmen - nicht nur das Feld und die Vögel, sondern auch die direkt benachbarten Hofgebäude, aber das reicht nicht für eine Beweisführung. Der von dem Fotografen benannte Landwirt im Nordkreis sei angeschrieben worden und um eine Stellungnahme gebeten worden, sagt Max Rolke, Sprecher der Kreisbehörde Unna. Er habe allerdings die Vorwürfe von sich gewiesen.
„Eine Beweisführung allein aus Basis der Fotos reicht nicht“, sagt Rolke. Nicht nur die Identifizierung des Hofes sei schwierig. Im Nachhinein lasse sich auch nicht mehr klären, wie die aufgehängten Vögel zu Tode gekommen seien. Der Behörde sei keine andere Wahl geblieben: „Wir haben die Ermittlungen eingestellt aus Mangel an Beweisen.“
Bekannter Zoologe sieht ein Muster in der Strafverfolgung
Rolke appellierte an alle, in ähnlichen Situationen, sofort die Polizei zu rufen oder die Ordnungsbehörde des Kreises. Die Ermittler könnten dann direkt Beweise sichern. „Wir haben ja auch ein Rieseninteresse daran, dass solche grausamen Praktiken keine Anwendung mehr finden bei uns.“
Genau daran hatte Prof. Josef Reichholf bereits im August Zweifel geäußert. Nicht nur in NRW, sondern auch in anderen Bundesländern und in Europa würde „sehr großzügig mit solchen Verstößen“ umgegangen. Die zuständigen Behörden würden keine Exempel statuieren und empfindlich hohe Geldstrafen verhängen. Das habe auch mit dem schlechten Ruf der Krähen zu tun, den die intelligentesten aller Vögel völlig zu Unrecht hätten.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
