Einen Rückblick zu schreiben, ist immer eine subjektive Angelegenheit. Wollte man objektiv agieren, müsste man alle Ereignisse und Entwicklungen des Jahres Revue passieren lassen. Dieser Jahresrückblick erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dem einen oder anderen werden Themen fehlen. Die Themen, die hier aufgeführt werden, haben eines gemeinsam: Sie handeln von Menschen, deren Tun und Wirken Folgen hat. Positive, aber auch negative Folgen.
Ungezählte Hilfsaktionen
In der Krise zeigt sich die Qualität des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Das war schon 2015 so, als Krieg, Terror und Verfolgung viele Menschen aus ihren Heimatländern vertrieb und sie auch nach Selm kamen - in der Hoffnung auf Frieden. Asylkreise, organisierte und nichtorganisierte Privatleute stellten gemeinsam mit Politik und Verwaltung Hilfe für die Geflüchteten auf die Beine. 2022 kommen wieder Flüchtlinge zu uns. Aus den Ländern, die seit Jahren für viele Menschen keine sichere Heimat sind. Aber auch aus der Ukraine, weil der russische Angriff Tausenden keine Wahl mehr ließ und sie sich auf den Weg machten in sichere Länder. Also auch zu uns.
Und wieder stehen die Selmer an der Seite derer, die heimatlos und in Not geraten sind. Die Asylkreise haben sofort, als die ersten Menschen aus der Ukraine nach Selm kamen, ihre Unterstützung angeboten. Viele Selmer haben den Geflüchteten Wohnraum zur Verfügung gestellt. Ungezählte Hilfsaktionen gibt es quer durch die Gesellschaft in Selm.

Doch in diesem Jahr hat die Solidarität noch einmal eine andere Qualität gewonnen. Menschen drücken ihre Solidarität vermehrt öffentlich aus. Laut oder leise. Verbal oder auf Plakaten. Mit Kerzen oder ohne. Mehr noch: Ihr Ruf schallt Richtung Moskau an die Adresse des Mannes im Kreml, der die russischen Truppen in Marsch gesetzt hat.
Mahnwachen, Menschenketten: Selm steht auf. Ganze Schulen und Kitas beteiligen sich mit Aktionen. Gut so. Wehret den Anfängen der Ausgrenzung derer, die aus Not zu uns gekommen sind.
Langes Engagement
All diese Geflüchteten benötigen Unterkunft. Die Bezirksregierung Arnsberg reaktiviert die Leichtbauhallen wieder und stampft erneut - wie 2015 - eine Zeltstadt auf dem Gelände des LAFP in Bork aus dem Boden. Dass sie erst Monate später als geplant eröffnet wurde, empfinden manche als peinlich. Dass sie nun nicht mehr nur Ukrainer für eine Nacht, sondern auch Flüchtlinge aus anderen Ländern für 14 Tage aufnimmt, ist der Aktualität geschuldet. Es ist eben viel in Bewegung geraten. Konstant ist eines: Die Selmer sind da für diese Menschen. Ihre Kraft und ihr Engagement werden noch länger benötigt. Leider.

Selm hat drei Ortsteile. Selm, Bork und Cappenberg. Letzterer hat auch Engagement gezeigt. Auf eine sympathisch lokalpatriotische Weise. Das Jubiläumsjahr rund um 900 Jahre Kloster Cappenberg und Kaiser Barbarossa hat viele Veranstaltungen, für die sich viele Cappenberger und Nicht-Cappenberger engagieren. Es ist ein großes Jubiläumsjahr, das nachwirken wird. Nicht nur, weil auf dem Selmer Campus jetzt eine Stele steht. Sondern auch, weil Cappenberg als Ort noch einmal verstärkter ins Bewusstsein der Menschen rückt. Dass Cappenbergs überregionale Bedeutung in den Fokus rückt, dafür haben sich viele Menschen stark gemacht. Deren Mühe hat sich gelohnt. Das große Jubiläumsjahr in Cappenberg ist ein würdiges.
Allgemeinwohl
Die Organisatoren des Cappenberger Jubiläumsjahr haben etwas für ihre Stadt geleistet. Sie stehen 2022 nicht allein. Alle, die sich zum Beispiel um den Klima- und Umweltschutz kümmern, tun etwas für das Allgemeinwohl. Sei es, dass sie anfangen, einen Klimawald bei Cappenberg zu pflanzen, sei es, dass sie dem Klimatreff an der Römerstraße eine Heimat im Grünen geben. Sie alle sind am Ball geblieben, füllen das politische Klimaschutzbekenntnis mit Leben und Ideen. Danke.

Tag für Tag im Einsatz
Dieser Dank gebührt auch allen, die Tag für Tag da sind für uns: Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienste, Personal in Arztpraxen und den Versorgungsunternehmen. In diesem Jahr hatten sie viel zu tun. Da waren die Stürme, die drohten, die Infrastruktur in Selm in Mitleidenschaft zu ziehen. Da waren Unfälle und Brände, bei denen Schlimmes geschah, aber Schlimmeres verhindert werden konnte. Da sind die Coronapandemie, die Grippewelle. Die Selmer können sich auf diese Menschen, die im Einsatz sind, verlassen. Ein Stück Sicherheit in unsicheren Zeiten.
Vertrauensvorschuss verdient
Das waren und sind Beispiele, die Mut machen, die einen positiv stimmen. Wir wollen aber auch die negativen Entwicklungen nicht vergessen. Etwa, wenn offenbar menschliche Fehleinschätzungen in der Vergangenheit dazu führen, dass Selm nachzahlen muss, damit der Boden auf dem ehemaligen Marktplatz in Bork endlich in dem Zustand ist, um das geplante Altenpflegeheim tragen zu können.
Negativ wird auch im Gedächtnis bleiben, was im Volksmund als Abrechnungsaffäre aus dem Kreistag Unna auch in die politischen Gremien in Selm geschwappt ist. Kreistags- und Lokalpolitiker stehen im Verdacht, Sitzungsgelder nicht ordnungsgemäß angegeben zu haben. Es sind Einzelne. Und wenn juristisch aufgearbeitet ist, ob die Vorwürfe wahr sind, muss es Konsequenzen geben. Bis dahin gilt die Unschuldsvermutung. Aber dieser juristische Begriff darf nicht anstelle des Vertrauensvorschusses treten, den der überwiegende Teil der Kreistags- und Kommunalpolitiker verdient.
Was wir Tag für Tag berichten, findet seine Resonanz im Internet. Diese fünf Themen sind 2022 am meisten geklickt worden:
Da war der Kampfjet der Bundeswehr, der Anfang Oktober mit ohrenbetäubendem Lärm in einer Höhe von nur rund 150 Metern über die Stadt flog.
Da ist das Restaurant Salento, das geschlossen wurde.
Da ist aber auch der schwere Motorradunfall zwischen Nordkirchen und Selm.
Interessiert hat die User ebenfalls die Klage der Selmer Altenpflegerin Jasmina Dinter gegen den Einrichtungsausschuss der Pflegekammer NRW.
Und auch die nahezu unendliche Geschichte um das geplante Fastfood-Restaurant an der Kreisstraße findet großes Interesse.
Menschenkette durch Selm - Die Botschaft ist eindeutig: „Frieden!“
Re-Live von der Selmer Friedensdemo: „Reden Sie nicht über die Flüchtlinge, sondern mit ihnen“
Hausdurchsuchungen wegen Abrechnungsaffäre: Grüne fordern Rücktritt von Lütschen und Küpper