Die nächsten Jahre werden in Sachen Haushalt eine Herausforderung. Daran lässt Selms Kämmerin Sylvia Engemann keinen Zweifel. Da gibt es Entwicklungen, die besonders viel Sorgen bereiten. In der jüngsten Ratssitzung am Mittwoch, 20. September, nannte sie eine davon: „Die Stadt Selm soll 2,3 Millionen Euro mehr an Kreisumlage zahlen als 2023.“ Gerechnet habe die Stadt mit 300.000 Euro mehr. 2,3 Millionen Euro sind keine Summe, die die Stadt Selm mal eben so aufbringen kann. Umso wichtiger werden jetzt die Haushaltsplanberatungen für 2024, die demnächst anstehen.
Geplant ist, dass Kämmerin Sylvia Engemann den Haushalt 2024 Ende dieses Jahres einbringt, um dann den Fraktionen die Gelegenheit zu geben, ihre Meinung zu sagen und die Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen. 2023 hatte die Haushaltskommission spät getagt, den Haushalt beschloss der Selmer Rat im März und erst im Mai genehmigte der Kreis Unna die Haushaltssatzung und das Haushaltssicherungskonzept 2023.

Eine solche fünfmonatige haushaltslose Zeit solle es nicht wieder geben, mahnte die Kämmerin damals und kündigte für Ende 2023 ein enges Zeitfenster für die Haushaltsplanberatungen an. Das soll so laufen: „Nach Einbringung des Haushalts sollen relativ schnell, nämlich in den zwei, drei Wochen danach, Sitzungen der Haushaltskommission stattfinden.“ Daran nehmen die Mitglieder des Haupt-, Finanz- und Digitalisierungsausschusses und Vertreter der Verwaltung teil, erklärt Sylvia Engemann.
Es dürften keine leichten Sitzungen werden. „Einen Haushaltsausgleich darzustellen, wird schwierig“, kündigt die Kämmerin gegenüber der Redaktion an. „Wir wissen, dass wir eine um zwei Millionen Euro erhöhte Kreisumlage haben. Und wir wissen, dass wir im Bereich der Einkommenssteuer Rückgänge zu verzeichnen haben.“
Darüber hinaus müsse die Stadt Selm wegen der Tariferhöhungen im Öffentlichen Dienst mit mehr Personalkosten planen. „Und die Beamten haben noch gar nicht mit ihren Verhandlungen begonnen.“ Diese Tariferhöhungen schlagen sich auch auf die Sach- und Dienstleistungen nieder: „Alle externen Dienstleistungen, die wir uns einkaufen, werden auch mit diesen Aufschlägen versehen.“ Höhere Energieaufwendungen kommen zudem hinzu.
Über Steuererhöhungen sprechen
Summen könne sie noch nicht nennen. Die Verwaltung sei jetzt dabei, alle Kostenfaktoren zusammenzutragen. „Es zeichnet sich aber ab, dass wir ein Riesendefizit haben werden. Insofern müssen wir mit der Politik sprechen, welche Maßnahmen wir ergreifen können. Insbesondere geht es darum, wie es mit den Investitionen weiter geht. Der Blick aufs laufende Geschäft ist aber auch wichtig. Wir müssen gucken, wie wir den Ergebnisplan ausgleichen können. Das ist die Voraussetzung für einen Haushaltsausgleich, mit dem vermieden wird, eine vorläufige Haushaltsführung zu haben.“ Dann könnte Selm nur noch gesetzliche und vertragliche Verpflichtungen erfüllen. „Wir müssten dann sicher nicht sofort alle freiwilligen Leistungen einstampfen, aber freiwillige Leistungen wären dann schrittweise zurückzuführen und neue wären nicht mehr zugelassen.“
Die Kommission solle auch Aufgabenkritik betreiben: „Müssen wir wirklich jede Aufgabe so erfüllen und in welcher Qualität und Güte?“ Und Politik und Verwaltung müssen nach Auskunft der Kämmerin auch auf die Ertragsseite schauen. „Wir bedienen uns zunächst von Zuwendungen, die von Bund und Land kommen, wie die Schlüsselzuweisungen zum Beispiel. Wir müssen ausgewogene Gebühren und Beiträge erheben. Das werden wir uns auch anschauen müssen. Der dritte Bereich sind Steuern.“
Fallen in der Haushaltskommission schon Vorentscheidungen, ob Steuern erhöht werden oder nicht? „Wir werden das diskutieren“, sagt Sylvia Engemann. „Der Haushalt, den ich einbringen werde, wird im ersten Schritt sicherlich keine Steuererhöhungen vorschlagen. Aber es wird wahrscheinlich eine Deckungslücke bleiben.“ Das S-Wort, also Steuererhöhungen, sind wohl kein Tabu mehr.
„Brauchen Handlungsfreiheit“
Nun müssen also die Fraktionen nach der Haushaltseinbringung ihre Hausaufgaben machen. Unter anderem, damit der Haushalt 2024 nicht ähnlich spät genehmigt wird wie 2023. „Wir brauchen Handlungsfreiheit“, sagt Sylvia Engemann. „Mit einer Genehmigung des Haushalts können wir dann Investitionen und freiwillige Leistungen, die wir geplant haben, auch durchführen.“
Wie wahrscheinlich ist denn unter den gegebenen Umständen eine Haushaltssperre? „Unsere Haushaltsprognose für 2023 zeigt, dass wir mit den Zahlen besser sind, die wir Anfang des Jahres geplant haben“, sagt die Kämmerin. „Ich muss eine Haushaltssperre dann verhängen, wenn ich das, was geplant ist, verlasse und darüber liege. Das ist nicht der Fall.“ Das gelte für 2023. Für 2024 seien ein genehmigter Haushalt und ein Haushaltssicherungskonzept die Ziele.
Gleichwohl tut die Kämmerin das, was sie seit Jahren macht: Mahnen. Nämlich, die Politik eindringlich darauf hinzuweisen, darauf zu achten, dass Selm nicht über die Verhältnisse lebt. „Das gilt mehr denn je“, erklärt Sylvia Engemann. „Auch die Stadt Selm muss den Gürtel enger schnallen.
- Die Haushaltsprognose der Stadt Selm für 2023 fällt nach Auskunft der Kämmerin Sylvia Engemann um 304.000 Euro positiver aus, als am Anfang des Jahres noch prognostiziert wurde.
- Anfang 2023 hatte die Stadt zum Beispiel aus der laufenden Verwaltungstätigkeit ein Minus von etwas über 7 Millionen Euro prognostiziert. Aus dem Haushalt dürften - so der Ansatz Anfang des Jahres - 7,4 Millionen Euro an Kosten wegen der Coronapandemie und des Ukraine-Krieges heraus isoliert werden. Macht rein rechnerisch einen positiven Betrag von 403.000 Euro.
- Die aktuelle Prognose besagt: Das Ergebnis der laufenden Verwaltungstätigkeit liegt bei minus 4,6 Millionen Euro. Aus dem Haushalt werden „nur noch“ 5,3 Millionen isoliert. Rein rechnerisch bleibt ein positiver Betrag aus dieser Rechnung von 707.860 Euro. Also 304.000 Euro mehr als prognostiziert.
- Gleichwohl bleibe ein prognostiziertes Ergebnis aus laufender Verwaltungstätigkeit von minus 4,6 Millionen Euro, betont die Kämmerin. „Wir liegen zwar besser als prognostiziert. Aber das Ergebnis ist nicht gut.“
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