
© Sylvia vom Hofe
Unternehmer schenkt Selm ein Frauenhaus: „Habe selbst genug verdient“
Wirtschaft
Heinz Knocks hat in 50 Jahren seinen Ein-Mann-Betrieb zu einem Unternehmen mit 250 Beschäftigten entwickelt. Der Ausbau geht 2022 weiter. Von dem Erfolg sollen jetzt aber andere profitieren.
„Aus dir wird nie etwas.“ Diesen Satz hat Heinz Knocks nie vergessen. Auch an diesem trüben Dezembertag des Jahres 2021 hallt er noch immer nach. Dabei ist es schon mehr als 77 Jahre her, dass sein erster Volksschullehrer ihn mit diesen Worten anfuhr. Heinz Knocks war damals sieben Jahre alt und gerade erst eingeschult worden - ein Jahr später als die anderen Kinder, weil er so klein und schmächtig war. Ein Hüne ist er zwar nie geworden, dafür aber einer der erfolgreichsten Unternehmer der Region. Die Knocks Fluid Technik GmbH entwickelt hochspezialisierte Druckregler, die weltweit Verwendung finden.

Von kleinen Anfängen hat sich das Unternehmen Knocks in den vergangenen rund 50 Jahren zu dieser Größe entwickelt. Und es will weiter wachsen. © Günther Goldstein
„Vielleicht“, sagt der schlanke, grauhaarige Senior, während er schnellen Schrittes eine nach der anderen Produktionshalle an der Otto-Hahn-Straße durchschreitet - insgesamt inzwischen 14.000 Quadratmeter -, „hat mir mein Lehrer unbewusst einen Gefallen getan.“ Die Unverschämtheit von damals hatte den kleinen Heinz nicht entmutigt, sondern seinen Ehrgeiz angestachelt. Aber eben dieser ist es, der den 84-Jährigen auch heute noch antreibt, jeden Tag zur Arbeit zu gehen und die Entwicklung neuer Produkte voranzutreiben. Davon profitieren inzwischen nicht nur er und seine rund 250 Beschäftigten.
Mildtätige Zwecke und Tierschutz sind der Stiftungszweck
Seit Dezember 2020 gibt es die gemeinnützige Heinz-Knocks-Stiftung. Der Stiftungszweck ist in der Liste des Innenministeriums NRW so nachzulesen: „Mildtätige Zwecke, Sonstige Soziale Zwecke, Tierschutz“. Was das konkret heißt, wird sich in den nächsten zwei Jahren in Selm zeigen.
Dort will Knocks in Zentrumsnähe ein Frauenhaus bauen lassen: das Angela-Knocks-Haus, benannt nach seiner Ehefrau, „die all die Jahrzehnte genauso großen Anteil am Erfolg des Unternehmens hatte wie ich“. Dass diese Harmonie in mehr als 60 Ehejahren alles andere als selbstverständlich ist, weiß er. Dass Beziehungen zerbrechen können und Liebe manchmal in Verachtung, Unterdrückung und Gewalt umschlägt, ebenfalls. Deshalb der Neubau auf dem Grundstück, das er gerade von der Stadt erwirbt: erste Anlaufstelle für 16 bis 18 Frauen und ihre Kinder, die sich in Sicherheit bringen müssen vor ihren gewalttätigen Partnern. Die genaue Adresse wird genauso wie die des bislang kreisweit einzigen Frauenhauses in Unna aus Sicherheitsgründen besser nicht öffentlich bekannt. Ein geschultes Team wird gemeinsam mit den Frauen Perspektiven für eine Zukunft auf eigenen Beinen entwickeln.
Ein Mann, der sich nicht fotografieren lassen will
Heinz Knocks hält auf seinem Spurt durch sein Unternehmen immer wieder an. Im Entwicklerbüro erkundigt er sich bei den Ingenieuren nach der Lösung für ein kniffliges, technisches Problem, bei den Beschäftigten in der weit verzweigten Produktion und den direkt angeschlossenen Qualitätskontrollen fragt er nach dem Befinden der Angehörigen und wünscht alles Gute für den bevorstehenden Urlaub und im Hochregallager winkt er dem Mann auf dem Gabelstapler zu. Ein Chef, dem der enge Kontakt zu seinen Beschäftigten am Herzen liegt. Wer fordere, müsse auch Wertschätzung zeigen, sagt er. „Mit ihrem Fleiß sind sie das Rückgrat unseres erfolgreichen Unternehmens“, hat er ihnen zum 50-jährigen Bestehen des Betriebs zugerufen. Ein gutes Motto. Bestimmt auch ein gutes Fotomotiv: Heinz Knocks im vertraulichen Gespräch mit seinen Leuten. Von wegen.

Mehr als 200 Beschäftigte arbeiten im Unternehmen, davon allein mehr als 160 in der Fertigung - und das, obwohl inzwischen auch viele Montageautomaten im Einsatz sind. © Sylvia vom Hofe
„Fotos von mir gibt es nicht.“ Der gerade noch freundlich parlierende Mann lässt die Augen entschlossen blitzen. Darüber brauche gar nicht diskutiert zu werden. Sonst sei das Gespräch jetzt sofort beendet. „Ist das klar?“ Klar. In versöhnlichem Ton setzt er nach, dass doch ohnehin niemand einen alten Mann sehen wolle. Ein kokettierendes Lächeln huscht über sein Gesicht. Kameraobjektiven ist er auch schon in den Jahrzehnten zuvor aus dem Weg gegangen. Das Unternehmen in Bork mit seinen Klinkerfassaden, blauen Fenster-Elementen, hellgrauen Hallenwänden und Grünanlagen ist sein Alter Ego, den er stattdessen gerne zeigt: ein Gebäudekomplex wie aus einem Guss, obwohl er zwischen 1973 und 2018 in sieben Schritten entstanden ist. Der nächste Schritt steht unmittelbar bevor: eine Millioneninvestition für die Medizintechnik.
Knocks` Druckregler stecken in den meisten Beatmungsgeräten
Nach einer Stunde ist der Rundgang beendet. Knocks öffnet in der mit chinesischen Kunstwerken geschmückten Verwaltungszentrale die Tür zu einem Konferenzraum und nimmt an einer langen Tafel Platz. Druckluftregler, sagt er und ist jetzt ganz in seinem Element, kämen in verschiedensten Bereichen vor. „Wir bieten für alle Lösungen an“: von Druckreglern, die die Dieselmotoren großer Ozeanriesen antreiben, bis zu winzigen Reglern, die in Beatmungsgeräten auf den Covid-Stationen verbaut sind. „Insgesamt machen wir aus rund 6000 Zeichnungsteilen, Drehteilen, Pressteilen oder Formteilen ungefähr 20.000 Varianten“ - ganz nach den speziellen Bedürfnissen der Kunden. Oft auch mit deren Labeln versehen. Nur in die medizinischen Komponenten vermarkte er direkt, sagt er. Ein Wachstumsmarkt - deshalb der Anbau: weitere 1500 Quadratmeter Produktionsfläche, selbstverständlich in Reinraumqualität. Dort sei ein stabiler Luftdruck ein Muss, um Kontaminationen der sensiblen Produkte für OP-Geräte oder Dentallabore zu vermeiden.
Als der in Ostpreußen geborene schmale Flüchtlingsjunge Heinz Knocks 1953 seine Lehre in einer Beckumer Maschinenfabrik begann, war daran noch nicht zu denken. Obwohl er zugibt, „dass es mir an Selbstbewusstsein nie gefehlt hat“, dafür aber mitunter an Fleiß. „Ich war als Lehrling ein fauler Sack.“ Aber einer mit Talent: Mitunter habe er Aufsätze vorgelesen, die er nie aufgeschrieben hatte, sondern sich genau in diesem Augenblick erst ausdachte. Immerhin: Mit 23 Jahren - Knocks war da schon verheiratet und Vater einer kleinen Tochter - legte er die Prüfung als Drehermeister ab. Seine Mutter für deren unermüdliche Unterstützung er heute noch dankbar ist, habe ihn gedrängt, ein Maschinenbaustudium in Dortmund zu beginnen. Er blieb exakt so lange an der Hochschule, bis er so viel Mathematik konnte, um den Druckbehälter zu berechnen, den er später produzieren wollte. Zeit, den Abschluss zu machen, blieb da nicht mehr.
Selbständig gemacht mit gerade einmal 2000 Euro
Knocks schmunzelt beim Erzählen wie jemand, der schließlich weiß, dass die Geschichte, die er zum Besten gibt, gut enden wird. Für die Zuhörer hört sich das gar nicht so selbstverständlich an: Wie er 1970 als junger Familienvater kurz nach dem Hauskauf in Bork nach einem Streit mit seinem Chef entscheidet: „Ich gehe da nicht mehr hin, sondern mache mich selbstständig“ - mit gerade einmal 2000 Mark Eigenkapital, nur der Garage als Produktionsstätte und seiner Mutter und seiner Frau als Mitarbeiterinnen. Oder wie die Selmer Stadtverwaltung sich zunächst weigert, ihm das Gewerbegrundstück an der Otto-Hahn-Straße zu verkaufen, weil sie dort einen Bauhof plante und Knocks schon einen Umzug ins Saarland erwog.

Das Unternehmen im Borker Gewerbegebiet ist in mehreren Schritten gewachsen. Unternehmensgründer Heinz Knocks freut sich dass es aber aussieht wie aus einem Guss. © Günther Goldstein
Alles ging gut. Sehr gut sogar. Das Unternehmen begann seinen Höhenflug. Knocks behielt aber die Bodenhaftung: Yacht oder Ferienhaus - Fehlanzeige. „Was ich verdiente, floss zurück in die Firma.“ Dennoch wuchs mit dem Erfolg der Firma auch der Wohlstand der Familie. „Ich habe genug verdient“, sagt der 84-Jährige. Jetzt gelte es, sein Lebenswerk für die Zukunft dauerhaft zu sichern. Eine geeignete Nachfolge innerhalb der Familie gebe es nicht, sagt er. Und die Vorstellung, dass das Unternehmen in fremde Hände käme und zersplittert würde, ist ihm ein Graus.
Gutes tun und Unternehmen dauerhaft erhalten: die Stiftungsidee
Die Lösung: Knocks hat seine Gesellschafteranteile auf die gemeinnützige Heinz-Knocks-Stiftung übertragen, die sich verpflichtet hat, mit dem Geld ausschließlich Gutes zu tun. Was dazu wohl sein alter Lehrer gesagt hätte? Knocks lächelt: eigentlich ein schönes Fotomotiv.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
