Die Hospizgruppe Selm-Olfen-Nordkirchen möchte Angehörigen von Verstorbenen helfen, mit ihrer Trauer umzugehen. © picture alliance/dpa
Trauer an Weihnachten
„Erinnerungen kommen immer wieder hoch“: Wie geht man an Weihnachten mit Trauer um?
An Weihnachten wird vielen bewusst, dass eine geliebte Person nicht mehr unter ihnen weilt. Trauerbegleiter aus Selm, Olfen und Nordkirchen erklären, wie man mit solcher Trauer umgehen kann.
Etwa zehn Jahre ist es her, dass Marion Koch-Gersdorf ihre Tochter verloren hat. Noch heute, erzählt sie, werde sie oft damit konfrontiert. „So viele Erinnerungen kommen immer wieder hoch.“ Auch für sie als Trauerbegleiterin sei das nicht immer einfach. Besonders die Feiertage können für Trauernde schwierig sein - egal ob es das erste Weihnachten ohne einen geliebten Menschen ist oder ob der Verlust schon viele Jahre her ist.
„Die Weihnachtstage haben für Menschen eine besondere Bedeutung“, sagt Lothar Sonntag, Pfarrer in der evangelischen Kirchengemeinde Selm. „In unserem Land wird Weihnachten sehr stark mit und in der Familie gefeiert.“ Für die, die Familie haben, habe Weihnachten die Bedeutung, dass sie die Zeit mit ihren Angehörigen genießen. Dann gebe es aber auch die, die sagen: „Ich will das gar nicht, ich mag das gar nicht, weil Konflikte auf den Tisch kommen“.
Jeder Mensch trauert anders
Weihnachten unterscheide sich von den anderen Tagen des Jahres erheblich. „Besonders Heiligabend, aber auch die Weihnachtstage“, sagt Sonntag. Bei der seit 16 Jahren existierenden Hospizgruppe Selm-Olfen-Nordkirchen gebe es derweil keine besonderen Phasen im Jahr, in denen es mehr Gäste gibt, sagt Trauerbegleiterin Lioba Growe. Dennoch sei die Weihnachtszeit eine besondere Zeit im Jahr.
Die Trauer über den Verlust eines Menschen äußert sich dabei immer unterschiedlich, sagt Bianca Krumminga, Koordinatorin der Hospizgruppe. „Jeder trauert anders.“ Trauer sei genauso unterschiedlich wie jeder Mensch, erklärt Ellen Kaiser-Tinu, die ebenfalls als Trauerbegleiterin tätig ist. Aber wie kann man am besten mit Trauer umgehen? Auch der Umgang sei bei jedem Menschen unterschiedlich.
Bei der Hospizgruppe Selm-Olfen-Nordkirchen helfen (v.l.) Marion Koch-Gersdorf, Ellen Kaiser-Tinu, Bianca Krumminga und Lioba Grove Betroffenen bei der Trauerverarbeitung. © Pascal Albert
„Im Laufe der Zeit entwickelt man ein Gespür dafür, was ein Trauernder braucht“, sagt Ellen Kaiser-Tinu. Manchmal sei es gut zu reden, manchmal sei es aber auch gut, einfach zu schweigen. Viele Menschen würden sich kurz nach dem Tod einer geliebten Person in Aktivitäten stürzen. Doch „das ist sehr kurzfristig gedacht“. Auf Dauer, erklärt Lioba Growe, sei es nicht gut, überhaupt nicht über seine Trauer zu reden und sich nur von ihr abzulenken. „Studien haben gezeigt, dass unterdrückte Trauer krank macht.“
Auch Trauerbegleiter können sich nicht auf den Tod vorbereiten
Es sei erst mal auch immer Überwindung nötig, um zum Trauertreff zu gehen, sagt Ellen Kaiser-Tinu. „Man weiß ja nicht, was auf einen zukommt.“ Sie selbst hat vor fast zwei Jahren ihren ältesten Sohn verloren. Das, was die Trauerbegleiterin bis dahin über das Verarbeiten von Trauer gelernt hatte, „nützt dir dann nichts“. Vorbereitet sei sie dadurch nämlich nicht gewesen: „Die Emotionen hat man nicht im Griff.“
Viele Menschen seien nach dem Tod einer ihnen nahestehenden Person auch einfach nur wütend, „weil sie sich im Stich gelassen fühlen“, erklärt Kaiser-Tinu. Diese Wut sei aber auch berechtigt und gehöre zum Trauerprozess dazu. „In seiner Trauer sollte man einfach alles zulassen, was einem selbst gut tut“, sagt Lioba Growe.
„So lange wir uns an sie erinnern, sind sie nicht weg“
Früher sei Trauernden oft geraten worden, loszulassen, sagt Bianca Krumminga. „Das ist aber überholt und wird so auch nicht mehr gelehrt.“ Viel wichtiger sei es, mit der verstorbenen Person weiterhin verbunden zu bleiben. „So lange wir uns an sie erinnern, sind sie nicht weg“, stellt Lioba Growe fest. „Meine Tochter hat immer gesagt, ‚es passt schon‘“, erzählt Marion Koch-Gersdorf. Noch heute werde diese Phrase in ihrer Familie in vielen Situationen verwendet - ein kleines Andenken an die Verstorbene.
Doch nicht jeder Betroffene braucht eine Trauerbegleitung. Zum Beispiel würden viele auch ohne gut klarkommen, „wenn ein starkes soziales Netz vorhanden ist“, sagt Growe. Doch es gebe auch Menschen ohne ein solches stabiles Netz. „Das sind die Menschen, die wir erreichen wollen“, erklärt Bianca Krumminga.
Gerade in kleineren Orten ist so ein Netz oft eher vorhanden als in Großstädten. „Hier in Selm gibt es weniger Alleinlebende aller Altersstufen“, sagt Lothar Sonntag. In Selm gebe es einen größeren familiären Zusammenhalt als zum Beispiel in Dortmund, wo der Pfarrer zuvor tätig war. Außerdem gebe es in Selm viele Menschen, die hier gute Freunde und Verwandte haben.
In Selm sind Menschen verwurzelter als in Großstädten
Ein Indiz, das diese These stütze: „Bei Beerdigungen in Dortmund habe ich es erlebt, dass manchmal nur drei bis fünf Menschen dabei waren. In Selm ist die Zahl deutlich größer.“ Ein weiteres Argument für die Unterschiede zwischen Dortmund und Selm: In Dortmund gebe es deutlich mehr Weg- und Zuzüge. „Hier dauert es schon länger, bis jemand wegzieht.“
Dadurch, dass sich viele Menschen in kleineren Orten besser kennen, kommt es im Todesfall aber auch immer wieder zu unangenehmen Situationen. Nämlich wenn es darum geht, wie man mit Trauernden umgeht. Ständig sei sie nach dem Tod ihrer Tochter gefragt worden, wie es ihr geht, erinnert sich Marion Koch-Gersdorf. Irgendwann „habe ich mich dann abgeschottet“, sagt sie.
Am besten sei es, immer ehrlich zu der betroffenen Person zu sein, sagt Bianca Krumminga. Wenn man nicht wisse, was man dem Trauernden sagen soll, solle man das einfach genau so kommunizieren. Manchmal könne auch einfach eine Umarmung helfen. „Vielleicht braucht man auch gar nichts sagen“, erklärt Koch-Gersdorf.
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