Die Selmer Grundschulen sind fast leer. Distanzunterricht und Notbetreuung nennt sich das Konstrukt, mit dem Infektionen mit dem Coronavirus minimiert werden sollen. Wie läuft‘s?
Es ist Montag, 11. Januar. Der erste Tag im neuen Jahr, an dem in den Selmer Grundschulen statt Präsenzunterricht Unterricht auf Distanz laufen soll. Und zwar für die Schüler, die nicht in der Notbetreuung in der Schule selbst sind. In Zeiten, in denen die Corona-Pandemie wegen der Vermeidung persönlicher Kontakte gelehrt hat, dass Videokonferenzen durchaus ein Mittel der Kommunikation sind, dürfte das kein Problem sein. Sollte man meinen.
Christine Jücker, Leiterin der Overbergschule in Selm, atmet tief durch. Und antwortet dann auf die Frage, wie es am ersten Tag mit dem Distanzunterricht und Videokonferenzen über die Kommunikationsplattform IServ läuft, so: „Die ersten zehn Minuten lief es in zwei ersten Klassen und dann nicht mehr.“ Andere Klassen seien erst gar nicht in die Videokonferenzen hinein gekommen. Vor Weihnachten habe alles funktioniert, nun aber nicht.
Stadt im Gespräch mit IServ-Anbieter
Die Redaktion hat Stadtsprecher Malte Woesmann gefragt, wo die Probleme lagen. Seine Antwort: „Probleme bei IServ in Selm gab es beim Zugriff auf Videokonferenzen. Alle anderen Funktionen von IServ stehen uneingeschränkt und ohne Probleme zur Verfügung. Für eine Lösung ist die Stadt mit dem Anbieter im Austausch.“

Unterricht auf Distanz ist derzeit an den Selmer Grundschulen angesagt. Das bedeutet: Die Schulflure sind leer und die Kinder, die nicht notbetreut werden, arbeiten von zuhause aus. © Arndt Brede (Archiv)
Das ist auch nötig, denn auch im digitalen Zeitalter ist laut Christine Jücker eines ganz wichtig: „Dass wir versuchen, den Kindern Struktur zu geben, ein Lernangebot machen. Die soziale Komponente ist aber auch wichtig.“ Und dazu ist eben, wenn schon kein Präsenzunterricht möglich ist, entscheidend, dass die Technik funktioniert. „Ich bin aber zuversichtlich, dass die Probleme gelöst werden“, sagt die Schulleiterin. Um trotz der Distanz enger an die Kinder herankommen zu können.
20-minütige Digitaleinheiten
Die Schule hat die Digital-Einheiten in 20-Minuten-Häppchen aufgeteilt. „Die Aufmerksamkeit lässt nach 20 Minuten nach“, erklärt Christina Jücker. Die Einheiten laufen im Klassenverband, in kleinen Gruppen und pro Jahrgang zeitversetzt. Auch für die sozialpädagogische Fachkraft und die Integrationskräfte seien digitale Gruppenräume eingerichtet worden, wo sie auch mal mit einzelnen Kindern arbeiten. Und auch persönlich suchen Integrationskräfte Schüler auf, wenn es notwendig ist.
Wie sieht es denn an den anderen beiden Grundschulen aus?
„Es läuft ganz gut“, sagt Anja Knipping, Leiterin der Grundschule Auf den Äckern mit den beiden Standorten Bork und Cappenberg. Die Lehrer nutzen IServ für die Videokonferenzen mit ihren Schülern „sehr individuell“, wie Anja Knipping berichtet. „Einige machen das in Kleingruppen zu unterschiedlichen Zeiten bereits heute, andere nutzen den heutigen Tag erstmal zur Materialausgabe und starten morgen.“
299 Kinder besuchen die beiden Schulstandorte. Machen denn alle auch beim digitalen Unterricht mit? „Es fängt jetzt langsam an“, antwortet die Schulleiterin. „Aber wenn wir einen nicht erreichen, dann machen wir das telefonisch. Wenn wir ihn dann noch immer nicht erreichen, dann schicken wir unsere Schulsozialarbeiterin, um mal nachzuhören, woran es liegt.“ Sie denke, dass die Schule alle Kinder erreichen werde. Auch, wenn es bei dem einen oder anderen auch mal schwieriger sein werde.
Fernbleiben kann Folgen haben
Was man nicht vergessen darf: Auch in Corona-Zeiten mit der Aussetzung des Präsenzunterrichts besteht Schulpflicht. Ein Fernbleiben auch beim Distanzunterricht kann Folgen haben. „Das fließt als ,sonstige Leistung‘ in die Notenfindung ein“, bekräftigt Anja Knipping.
Auch an der Äckernschule läuft der Distanzunterricht auf zwei Wegen: digital über IServ und analog, indem sie Lernmaterial für Zu Hause bekommen. Die Schüler holen sich das an der Schule ab.
Von der technischen Seite aus können die Schüler IServ zu Hause auf Geräten wie dem Smartphone oder Tablet nutzen. Was ist aber, wenn beides nicht vorhanden ist? „Wir haben ab der kommenden Woche die Möglichkeit, Schüler, die Bedarf haben, mit Endgeräten zu versorgen“, erklärt die Pädagogin. Die Endgeräte sind die angekündigten iPads, die die Stadt Selm als Schulträger zur Verfügung gestellt bekommt. Sie seien nun angekommen und werden derzeit eingerichtet.
40 bis 50 Familien ohne eigene Geräte
An der Ludgerischule gibt es 300 Mädchen und Jungen. Abzüglich der Kinder, die zur Notbetreuung kommen - am Montag waren es 20 - sollen sie am Distanzunterricht teilnehmen. Wenn denn die Voraussetzungen dafür zu Hause vorhanden sind. „Zwischen 40 und 50 Familien können nicht am Videounterricht teilnehmen“, berichtet Stephanie Brockhaus, Leiterin der Ludgerischule. „Sie haben kein eigenes Gerät dafür.“ Ab Montag, 18. Januar, sollen sie dann mit iPads versorgt werden.
Ob der Videounterricht dann funktioniert, hänge davon ab, ob technische Probleme auftreten. Technische Probleme, wie es sie an der Overbergschule gegeben hat. Das bleibe aber abzuwarten. Am Montag, 11. Januar, also dem ersten Tag des Distanzunterrichts, sei aber sowieso erstmal kein Videounterricht gelaufen. „Wir hatten Materialausgabe für die Schüler“, führt die Schulleiterin aus. „Videounterricht beginnt erst am Dienstag.“ Es gebe Fragestunden und Unterricht in kleinen Gruppen. Solange zwischen 40 und 50 Familien noch keine Endgeräte haben, werde neuer Unterrichtsstoff nicht Bestandteil der Videokonferenzen sein. „Dann würden die betreffenden Schüler ja benachteiligt.“