Wir schreiben das Jahr 1963. Der Borker Kirchenchor hat einen neuen Chorleiter: Hans W. Schumacher. 19 Jahre jung, Student der Kirchenmusikschule in Münster. Es ist seine erste Chorleiterstelle, auf die noch viele folgen sollen.
19 Jahre und Chormusik? Passt das zusammen? In Schumachers Fall auf jeden Fall. 1944 in Selm geboren, entdeckt er schon als Kind seine Leidenschaft für die Chormusik. Mit neun Jahren tritt er in die Knaben-Schola der St. Josef-Kirche in Selm ein. Der damalige Organist Wilhelm Oechtering fördert Schumachers Talent. „Schon mit zwölf Jahren durfte ich bei einer Chormesse dirigieren“, hat Schumacher einst der Redaktion gegenüber erzählt. Mit 14 Jahren erhält der junge Mann Klavier- und Orgelunterricht. Fünf Jahre später ist er dann Chorleiter in Bork.
Das ist jetzt 60 Jahre her. In diesen Jahrzehnten hat er viele Chöre geleitet, einige sogar gegründet: den Freiherr-vom-Stein-Chor Cappenberg, die Liederbrücke Selm, den Städtepartnerschaftschor Twinning Singer, Selm-Choral und den Kinderchor „Die Sonnenkinder“, der zunächst Kinderchor Selm hieß.
Diese Sonnenkinder waren zeitweilig der größte Kinder- und Jugendchor in NRW. Mehrere hundert Mädchen und Jungen haben den Chorgesang kennen und lieben gelernt. Auch heute noch singen ehemalige Sonnenkinder unter Schumachers Leitung: im Chor Sonnetten. Der Charme und der Gesang der Sonnenkinder hat viele Menschen bewegt und berührt. Sogar eingefleischte Fußballfans konnten sich dem nicht entziehen. Jahrelang hat der Chor vor dem letzten Heimspiel des Bundesligisten Borussia Dortmund vor der Winterpause im Stadion gesungen - und Tausende mit ihm.

Mit Gefühl
Aber auch die anderen Chöre, wie der Kirchenchor St. Konrad Werne, der Polizeichor Quartettverein Selm, der Männergesangverein Sängervereinigung Selm, der Männergesangverein Union Bork, der Dortmunder Kinder- und Jugendchor und auch der Männergesangverein Cäcilia Capelle profitierten und profitieren von Hans W. Schumachers Leistung und Leitung.
Nicht nur, dass er akribisch arbeitet und auch von seinen Sängerinnen und Sängern erwartet, dass sie an sich arbeiten. Es ist vor allem auch die Persönlichkeit Schumachers, die ihn seit 60 Jahren zu einem beliebten Chorleiter macht. Er ist den Menschen zugewandt. Das war schon 1963 so und das ist es noch heute. „Ich habe große Freude daran gehabt, mit den Chören zu proben, und diese Freude habe ich noch immer“, erzählt er.
Hat sich in der Art und Weise, wie er Chöre führt, etwas verändert? „Sich weiter zu entwickeln, ist selbstverständlich. Ich habe an vielen Fortbildungen teilgenommen. Außerdem führe ich Chöre auch nach Gefühl.“ Verändert hat sich die Chorlandschaft in der Region. Schumacher weiß das genau, weil er auch 45 Jahre lang Leiter des Chorkreises Lünen-Lüdinghausen gewesen ist. „Es werden immer weniger Sänger“, sagt er, „vor allem bei den Männerchören“.
Singen junge Menschen heute eigentlich nicht mehr so viel wie früher? „Ja, das Gefühl habe ich schon, obwohl es auch junge Chöre gibt. Das muss man natürlich auch sagen. Aber grundsätzlich wird ja auch in Schulen weniger gesungen, meine ich.“ Er weiß, wovon er spricht, denn Schumacher ist studierter Fachlehrer für Musik und Sport und war von 1973 bis 2010 Sport- und Musik-Pädagoge an der Otto-Hahn-Realschule Selm.

Schumacher ist gerade 79 Jahre alt geworden. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich so lange Chorleiter sein würde.“ Nach wie vor habe er jede Woche vier Chorproben mit der Liederbrücke, den Sonnetten, mit Selm-Choral und dem Capeller Männergesangverein.
Ans Aufhören denke er noch nicht, sagt er. Auch wenn es schon anstrengend sei. In der Weihnachtszeit stehen Weihnachtskonzerte an, davor noch intensive Proben. Und im kommenden Jahr soll es ein Benefizkonzert der Liederbrücke zugunsten des Hospizes „Zum Regenbogen“ geben. Die Sonnetten und der MGV Capelle geben zudem eigene Konzerte.
Anstrengend ist die Chorarbeit sicher, das hat Schumacher zugegeben. „Aber mein Gehör ist noch sehr gut, was manche Sänger ärgert“, sagt er und lacht. Es ist auch sein Humor, der bei den Menschen ankommt, die mit ihm zu tun haben. Und das waren und sind viele. Generationen. „Ich bin unheimlich dankbar, dass ich das alles bisher machen konnte“, sagt er.
„Und ich bin auch ein wenig stolz darauf, dass ich auch Kinder, die heute schon erwachsen sind, treffe, die mir sagen, dass es damals toll im Chor gewesen sei.“ Und er erinnere sich gern an „wahnsinnig schöne Konzerte“. Dreimal haben Chöre von und mit Schumacher allein im Petersdom in Rom gesungen. Er hat eben das Singen im Blut und im Herzen, dieser Hans W. Schumacher, den viele Menschen nur bei seinem Spitznamen nennen: Schumi.
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