Das sagt der Pfarrer über den Heiligen Gottfried und seine fast vergessene Ehefrau

Heilig

Gottfried von Cappenberg ist offiziell nie heiliggesprochen worden. Warum er das für ihn aber dennoch ist, sagt Pater Gregor Pahl (39), der Pfarrer der Cappenberger Gemeinde im Interview.

Cappenberg

, 24.12.2018, 05:55 Uhr / Lesedauer: 3 min
Pater Gregor Pahl ist seit 2017 Pfarrer in der Stiftskirche Cappenberg, die Gottfried von Capppenberg 900 Jahre zuvor bauen ließ.

Pater Gregor Pahl ist seit 2017 Pfarrer in der Stiftskirche Cappenberg, die Gottfried von Capppenberg 900 Jahre zuvor bauen ließ. © Sylvia vom Hofe

Pater Gregor Pahl arbeitet genau dort, wo Gottfried von Cappenberg vor 900 Jahren lebte. Das Pfarrhaus steht direkt neben der Stiftskirche, deren Bau 1122 begann. Gottfried hat durch seinen Verzicht auf Hab und Gut Cappenberg zu einem geistigen Zentrum gemacht, dessen Glanz bis heute spürbar ist. Warum es sich sonst noch lohnt, die Erinnerung an einen Mannn wach zu halten, der vor 900 Jahren lebte und seiner Frau ein Leben aufzwang, das sie nicht wollte, sagt der Pfarrer von Cappenberg im Gespräch.

Wie funktionierte das eigentlich: Heiligsprechung?

Die frühen Christen haben ihre getöteten Glaubensbrüder und -schwestern sozusagen automatisch als Blutzeugen und damit Heilige verehrt; mit dem Ende der Christenverfolgungen und dem Aufstieg des Christentums zur Staatsreligion gelangten dann auch Nichtmärtyrer als „Bekenner“ zur „Ehre der Altäre“. Als eines der frühesten Beispiele dafür gilt der heilige Martin (Anm. d. Red.: an ihnen erinnern die Martinsumzüge). Voraussetzungen war die Verehrung durch das gläubige Volk und Wunderheilungen.

Wann fing das an?

Als erste Heiligsprechung im Sinne eines kirchenjuristischen Prozesses gilt die Kanonisation des heiligen Ulrich von Augsburg um die erste Jahrtausendwende (Anm. d. Red.: Der damalige Papst soll den Bischof, der Augsburg zu Zeiten der Ungarneinfälle verteidigt hat, 20 Jahre nach seinem Tod auf einer Synode heiliggesprochen haben). Bis heute sind die Elemente - Verehrung durch das christliche Volk, bestätigte Wunderheilungen oder die Hingabe des Lebens für den Glauben - Wesensbestandteile des Heiligsprechungsprozesses.

Gottfried hat dieses offizielle Heilgsprechungsverfahren nie durchlaufen. Macht das einen Unterschied?

Nein, ein offizielles kirchliches Heiligsprechungsverfahren begründet die Heiligkeit eines Menschen nicht, aber natürlich ist der Kirche als im Laufe der Jahrhunderte auch juristisch gewachsener Institution daran gelegen, dass es nachvollziehbare Kriterien für die Heiligenverehrung gibt. Im Falle des heiligen Gottfried erfolgte wie bei zahlreichen anderen als Heiligen und Seligen verehrten Personen eine sogenannte lokale Kultbestätigung: also eine urkundliche Anerkennung der Heiligenverehrung aus Rom: für Cappenberg im Jahr 1614, für den Orden der Prämonstratenser im Jahr 1728. Eine feierliche Kanonisation hat natürlich eine größere Öffentlichkeitswirkung und verleiht der Verehrung des jeweiligen Heiligen einen allgemeinen Schub. Ein Beispiel dafür ist die im Jahr 1960 erfolgte Heiligsprechung des mittelalterlichen Prämonstratensers Hermann Josef von Steinfeld.

Gottfried lebte im frühen Mittelalter. Welches Beispiel für christliches Leben kann er Menschen im 21. Jahrhundert geben?

Als die entscheidenden Merkmale in Gottfrieds Leben gelten die Fragen: „Wer ist der mächtigste Herrscher auf Erden?“, und: „Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“. Konkret bezogen sich diese Fragen auf sein Leben als Adelsherr mit entsprechender ökonomischer und politischer Verantwortung im vom Investiturstreit zerrissenen Reich und eine stark auf das Jenseits ausgerichtete, homogen christliche Gesellschaft; diese Voraussetzungen haben sich heute natürlich verändert, die Fragen bleiben aber schon: „Wie lebe ich meine Verantwortung, die ich heute für meine Familie, meinen Beruf, die Gesellschaft, nicht zuletzt auch die Kirche habe?“, und: „Auf welches Ziel möchte ich zugehen - auch über mein Leben hinaus?“

Was beeindruckt Sie persönlich an Gottfried?

Mich persönlich beeindruckt die Konsequenz, mit der Gottfried diese Fragen beantwortet hat. Die Tatsache, dass viele Adlige seiner Zeit die Entscheidung zur Umwandlung ihrer Besitzungen in Klöster übernommen haben, zeigt mir, dass er eine regelrechte Inspiration für so manchen Zeitgenossen gewesen sein muss; die Fähigkeit, authentisch seinen Grundsätzen zu folgen - auch gegen Widerstände - und damit andere Menschen zu inspirieren, wünsche ich mir häufig auch für mein Leben.

Gottfried von Cappenberg war verheiratet, als er sich entschloss, Ordensmann zu werden. Was ist denn da mit der angeblichen Unauflöslichkeit der Ehe?

Die Unauflöslichkeit der Ehe bezieht sich ja erstens auf das irdische Leben, der Tod eines der Gatten löst das Eheband, und zweitens auf das Verbot einer anderen ehelichen, also sexuellen Beziehung. Das Ordensleben im Kloster wird von der Kirche seit ältester Zeit als eine Art Abbild der himmlischen Gemeinschaft und somit als eine besonders erstrebenswerte, wenn natürlich auch nicht für jeden angezeigte Lebensform hochgeschätzt. Es kam darum immer wieder vor, dass ein Ehegatte oder beide Ehepartner sich für das Klosterleben entschieden, ohne aber natürlich eine neue eheliche Verbindung einzugehen; das Eheband besteht dann fort, aber man lebt vom Partner getrennt, sozusagen um eines höheren Gutes willen. Auch im Mittelalter war dafür das Einverständnis des betroffenen Ehepartners notwendig; die Lebensbeschreibungen Gottfrieds legen deshalb besonderen Wert darauf, die Überzeugungsarbeit gegenüber seiner Ehefrau Jutta hervorzuheben, die dann selbst in das Frauenkloster Cappenberg eintrat.