
Christoph Böcker von den Cappenberger Schützen (2. v. r.) hat den Festumzug über das Schlossgelände organisiert. Hier geht es vorbei an dem Café Kegelbahn. © Sylvia vom Hofe
Cappenberg feiert 900-Jähriges mit Gast aus Rom und zwei Überraschungen
Jubiläum
Gottfried von Cappenberg starb mit Ende 20 vor rund 900 Jahren. Das war lang genug, um sich unvergessen zu machen, wie das Jubiläumsfest am Sonntag bewiesen hat - inklusive zweier Überraschungen.
Verkehrte Welt Ende Mai 2022. Während andernorts Kirchen wegen chronischem Besuchermangel geschlossen werden, reichen am Sonntag (29. 5.) in der romanischen Stiftskirche Cappenberg gar nicht alle Sitzplätze aus für die hinein drängenden Menschen. Auch für die Pfarrgemeinde St. Johannes Evangelist Cappenberg, die zweitkleinste Gemeinde des Bistums Münster, ungewöhnlich. Nicht einmal zu Weihnachten oder Ostern war es zuletzt so voll wie heute. Der Ansturm kam nicht überraschend. Vorsorge war getroffen - mit einer Online-Übertragung: sowohl auf die Leinwand auf dem Schlossgelände als auch überall im Netz.
„Das ist heute ein ganz besonderer Tag“, sagt Ulrich Nordhaus vom Kirchenvorstand. Fast vier Jahre lang hatten er und viele andere darauf hingearbeitet: „Heute feiern wir Gottfrieds Stiftung.“ Gottfried - da wissen er und andere Cappenberger und Cappenbergerinnen sofort, wer gemeint ist: der letzte Graf von Cappenberg, der Anfang des 12. Jahrhunderts Bahnbrechendes tat. Er hat auf Titel, Macht und Privilegien verzichtet und seinen gesamte Besitz dem Gründer des Prämonstratenser-Ordens geschenkt, Norbert von Xanten. Der Tag dieser Schenkung war der 31. Mai 1122 - fast auf den Tag genau vor 900 Jahren.
Generalabt aus Rom kennt Rezept für die Zukunft
Ohne diese Stiftung gebe es vermutlich weder die 1832 gegründete Pfarrgemeinde, noch das geistige und kulturelle Zentrum Cappenberg insgesamt, das auch im 21. Jahrhundert mit Stiftskirche und Schloss - beides pünktlich zum Jubiläum umfangreich renoviert - weit in die Region hinausstrahlt. Und ganz sicher hätte die Geschichte des Prämonstratenser-Ordens eine andere Wendung genommen, meint Jos Wouters. Der Belgier ist Generlabt der geistigen Gemeinschaft in Rom, die zu den größten innerhalb der katholischen Kirche gehört. Cappenberg habe im Laufe der langen Geschichte eine Schlüsselrolle in der Ordensgeschichte gespielt. Das Kloster mit Blick weit ins Ruhrgebiet habe als Vermittlerin zwei unterschiedliche Strömungen ausgeglichen und ein Auseinanderfallen verhindert.

Ein überraschendes Wiedersehen: der sogenannte Barbarossakopf wurde eigens zum Fest ausgestellt. Da die Sicherheitsvorkehrungen für das besondere Stück des Kirchenschatzes noch nicht abgeschlossen sind, bleibt es vorerst bei der einmaligen Präsentation. © Günther Goldstein
Jos Wouters führt die große Delegation von weiß gekleideten Ordensfrauen und -Männern aus ganz Europa an, die an diesem Sonntag nach Cappenberg gereist ist. Sogar ein Gast aus Ghana ist dabei. „Das heißt katholisch“, sagte der Generalabt in dem vom Klosterchor Münster festlich gestalteten Festgottesdienst: „alle Menschen als Brüder und Schwestern betrachten, ohne aufeinander herabzublicken“ - Internationalität im besten Sinne. Gottfried, „einer der schönsten Heiligen unseres Ordens“, habe sich danach gesehnt, ohne Titel und Privilegien in einer Gemeinschaft zu leben, wie sie die ersten Christen prägten. Die Rückbesinnung darauf sei „auch die Quelle für unsere Zukunft“.
Barbarossa-Kopf ist zurückgekehrt - aber nur auf Zeit
Und ist sie auch ein Ausweg aus der aktuellen durch Austritte, Diskriminierung und Missbrauch gekennzeichnete Krise der katholischen Kirche? Das Oberhaupt des vor 900 Jahren gegründeten Ordens antwortet mit einem traurigen Lächeln. Da ist der Gottesdienst schon vorbei und der Festumzug der Vereine und Verbände hat begonnen. Die Strukturen seien das eine. Wirklich wichtig, findet er, sei aber der „Glaube im Herzen und im Leben, das verbindet die Menschen miteinander“ - über Grenzen hinweg. Und, auch durch Krisen.

Unter den Gästen war auch Abt Albert Dölken, der aus seiner Zeit als Pfarrer in Cappenberg noch vielen bekannt ist - unter anderem Anna von Kanitz (von hinten), der Schwester von Sebastian Graf von Kanitz. © Günther Goldstein
Während die Gäste aus der ganzen Region - unter ihnen etwa Selms Bürgermeister Thomas Orlowski und Unternehmer Ludger Rethmann - zwischen den zahlreichen Ständen mit Imbiss und Kunsthandwerk hin- und her schlendern und die Gelegenheit zum Austausch bei Musik und guter Laune nutzen, zieht es viele immer wieder in die Stiftskirche. Dort gibt es an diesem Tag - und erst einmal nur an diesem - etwas Besonderes zu bestaunen. Nach mehr als zwei Jahren ist der sogenannte Barbarossa-Kopf wieder zu sehen: das Kopfreliquiar, das Kaiser Barbarossa, der ebenfalls in diesem Jahr 900-Jähriges feiert, seinem Taufpaten Otto von Cappenberg, Gottfrieds Bruder, geschenkt hat. Dauerhaft wird der Kopf erst zu sehen sein, wenn alle Sicherheitsvorkehrungen abgeschlossen sein werden.
Staunen über unbekanntes Gemälde
Ein zweites Kunstwerk ist zu diesem Zeitpunkt schon wieder weggeschlossen; ein Gemälde, das vermutlich Friedrich Georg Anton von Haxthausen zeigt: ein adeliger Chorherr, der 1728 in Gottfrieds Cappenberger Kloster eingetreten ist. Dass sein Bild zurück gefunden hat in Cappenberg, ist eine Überraschung seitens des Heimatvereins. „Wir kannten das Bild auch nicht“, räumt Vorsitzender Heino Janssen ein. Den Porträtierten Chorherrn, der in der Christophorus-Kirche Werne beigesetzt ist, wohl auch nicht. Dr. Gerd Dethlefs, Kurator der im April nach fünf Jahren Bauzeit wiedereröffneten Freiherr-vom-Stein-Ausstellung im Cappenberger Schloss der Familie von Kanitz hatte das Bild entdeckt - auf einer Versteigerung in Würzburg.

Der Festgottesdienst (auf dem Foto links Pater Altfried Kutsch, der ebenfalls Pfarrer in Cappenberg war) war so gut besucht, dass nicht alle in der Stiftskirche Platz fanden. © Günther Goldstein
Es muss in einem bedauernswerten Zustand gewesen sein. „Als wir davon hörten, sagten wir, dass wir Spenden sammeln würden für die Restaurierung“, sagt Peter Kreutzkamp vom Heimatverein. Mehr als 7000 Euro waren nötig, um das Gemälde zu retten. Kreutzkamp und Janssen sammelten so erfolgreich, dass noch Geld für das Fest übrigblieb: „Ein tolles Zeichen für die enge Verbundenheit mit Cappenberg“, freut sich der Vorsitzende. Mit einem Blick in den Himmel trübt sich die Freude aber. Immer wieder unterbrechen Schauer das Beisammensein. Wie gut, dass ohnehin am Nachmittag Kirchenführungen und Auftritte der Märchenerzählerin geplant sind - in der Kirche und damit im Trockenen.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
