Der Konsum von Cannabis ist in Deutschland seit dem 1. April grundsätzlich legal. Auch für die Einwohner von Selm, aber natürlich auch für die Kontrollorgane wie dem Ordnungsamt und der Polizei ergeben sich dadurch einige neue Fragen. Und diese sind offensichtlich noch nicht alle abschließend geklärt. Die wichtigsten Antworten im Überblick.
Wo und wie kann ich Cannabis anbauen oder erwerben?
Wer sich zukünftig einen Shopping-Alltag nach niederländischem oder kanadischem Vorbild vorgestellt hat, wird enttäuscht: Anders als ursprünglich geplant, wird es in Deutschland zunächst keine Geschäfte geben, die Cannabis verkaufen. Auch Kekse und Süßigkeiten mit Cannabis-Extrakten sollen weiterhin verboten bleiben, ebenso wie Kuchen, Cookies oder Öle mit Cannabis und die Vermischung mit Tabak, Alkohol oder anderen Aromen.
Das Genussmittel gibt es ausschließlich über sogenannte Cannabis-Clubs oder „Cannabis Social Clubs“ mit jeweils bis zu 500 Mitgliedern (ab dem 1. Juli möglich). Die Clubs sind neben dem privaten Anbau die einzige legale Bezugsquelle. Vereinsmitglieder können bis zu 50 Gramm Cannabis pro Monat erhalten, Personen zwischen 18 und 21 Jahren bis zu 30 Gramm - mit einem THC-Gehalt von höchstens zehn Prozent. Finanziert wird der Anbau im Verein über Mitgliedsbeiträge, ein Verkauf im klassischen Sinne ist das also nicht.
Auf der Website cscsdeutschland.de findet man einige geplante Standorte, an denen zukünftig Cannabis Social Clubs entstehen sollen. In dieser Liste ist Selm, im Gegensatz zur Nachbarstadt Lünen, nicht zu finden. Auf Anfrage dieser Redaktion, inwieweit für Selm Anträge vorliegen, die über den privaten Anbau hinausgehen, antwortet Stadtsprecher Malte Woesmann am 2. April lediglich: „Die Zuständigkeiten, wo Anträge etc. gestellt werden können, sind durch den Gesetzgeber noch nicht geregelt. Die entsprechende Zuständigkeitsverordnung zum Gesetz liegt nicht vor. Daher ist zurzeit auch offen, welche Behörde für die Anträge, Kontrolle, Sanktionierung etc. zuständig ist.“
Was ist für Privatpersonen jetzt erlaubt?
Erlaubt sind für über 18-Jährige der Besitz von bis zu 25 Gramm getrocknetem Pflanzenmaterial zum Eigenkonsum, die man auch im öffentlichen Raum mit sich führen darf. In der privaten Wohnung soll man bis zu 50 Gramm aufbewahren dürfen. Der Eigenanbau von bis zu drei weiblichen Cannabis-Pflanzen soll bereits ab April erlaubt sein. Was darüber hinausgeht, muss sofort vernichtet werden.
Verbotszonen und Kontrollen
Wie werden die neuen Bestimmungen im Alltag kontrolliert?
„Die Stadtverwaltung Selm ist wegen der Zuständigkeiten im Austausch mit der Kreispolizeibehörde und der Kreisverwaltung Unna“, teilt Stadtsprecher Malte Woesmann mit. Das neue Gesetz bleibt auch hier offensichtlich etwas vage. Polizeisprecher Bernd Pentrop kann sich demnach vorstellen, dass künftig zum Beispiel bei Streifen im Rahmen der Ordnungspartnerschaft mit den örtlichen Ordnungsämtern kontrolliert wird. Häufigere Kontrollen durch die Polizei vermutet er nicht: „Wir haben schon einen sehr großen Kontrolldruck.“ Es wird eher um noch genauere Ermittlungen der Polizei gehen: zur Menge an Cannabisprodukten, die eine Person bei sich führt, dem THC-Wert, der einen Kraftfahrer fahruntauglich macht, und vor allem dem Tatort, an dem eine Person einen Joint geraucht hat.
In welchen Bereichen darf in der Öffentlichkeit Cannabis konsumiert werden?
Das ist eindeutig festgelegt. Die Stadt teilt dazu mit: „Die Verbotszonen sind durch Paragraph 5 des Gesetzes entsprechend geregelt. Es besagt, dass der Konsum unter anderem verboten ist in unmittelbarer Gegenwart von Personen unter 18 Jahren, in Fußgängerzonen von 7 bis 20 Uhr, auf Spielplätzen, in Schulen, auf Schulhöfen, in Kinder- und Jugendeinrichtungen, auf Sportstätten sowie jeweils in Sichtweiten davon (100 Meter Luftlinie von den Eingangsbereichen).“
Der Kreis Unna hat eine Karte veröffentlicht, die alle Verbotszonen im Kreis markiert – auch die in Selm. In großen Teilen des Auenparks, im Bereich um den Ternscher See, am Schloss Cappenberg und im Freibad ist laut der Übersicht des Kreises das Kiffen nicht verboten. Die Bereiche, in denen der Konsum am Ternscher See und im Auenpark verboten ist, liegen jeweils in der Nähe der Spielplätze. Auf dem Willy-Brandt-Platz, wo immer der Wochenmarkt stattfindet und sich die Musikschule befindet, ist der Konsum dagegen nicht erlaubt.
Was bleibt weiterhin verboten?
Wer etwa die Gramm-Vorgaben zum Besitz leicht überschreitet, riskiert ein Bußgeld. Werden sogar mehr als 30 Gramm im Rucksack, mehr als 60 Gramm zu Hause oder mehr als drei Pflanzen in der Wohnung gefunden, greift das Strafrecht: Es droht im schlimmsten Fall Gefängnis. Für einen Konsum innerhalb der Verbotszonen gilt laut Polizeisprecher Bernd Pentrop: „Der Kontrollort wird in der Anzeige notiert.“ Anschließend werten die Beamten das Ganze in der Behörde aus.
Bei Verkehrskontrollen werde man Blutproben von Autofahrern nehmen lassen müssen, wenn man den Eindruck nach übermäßig großen Mengen von Gras annehmen müsse. Werden unter 18-Jährige mit Cannabis erwischt, muss die Polizei die Eltern informieren. Insbesondere wenn es sich um sehr junge Konsumenten mit riskantem Konsumverhalten handelt, muss auch das Jugendamt eingeschaltet werden. Somit könne man den Konsum „beweissicher“ festlegen. „Das geschieht nicht nur, um die Verdächtigen zu belasten, sondern auch zu entlasten“, betont Pentrop.
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