Bürgermeister zu Herausforderungen für Selm „Kopf nicht in den Sand stecken“

Bürgermeister zu Herausforderungen für Selm: „Kopf nicht in den Sand stecken“
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Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg mit diversen Folgen auch bei uns, Energiekrise, Inflation: In diesen Zeiten Bürgermeister einer Stadt zu sein, ist wohl nicht gerade einfach. Was sind große Herausforderungen für Selm? Wie gehen Politik und Verwaltung Lösungen an? Fragen, die wir Selms Bürgermeister Thomas Orlowski gestellt haben.

Mit welchem Gefühl sind Sie in das Jahr 2023 gegangen? Optimistisch? Vorsichtig optimistisch? Pessimistisch?

Ich sehe durchaus optimistisch in die Zukunft. Natürlich habe ich die letzten drei Jahre im Hinterkopf, die wirklich mit sehr großen Herausforderungen verbunden sind. Ich glaube aber, dass wir nicht gut beraten wären, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken.

Woraus ziehen Sie Ihren Optimismus?

Wenn man sich die Entwicklung Selms in den letzten Jahren ansieht, kann man optimistisch sein. Diese Rückmeldung bekomme ich aus der Bürgerschaft. Ich sehe das Ehrenamt. Ich sehe die Menschen, die gewerbliche Entwicklung hier. Das zeigt mir, dass die Zukunft trotz aller Probleme optimistisch angegangen werden kann.

Die finanziellen Rahmenbedingungen sind auch für Selm nicht rosig. Zinsen für Kredite steigen. Laufende Projekte werden erheblich teurer. Kämmerin Sylvia Engemann hat immer wieder auf die schwierige Finanzlage hingewiesen.

Wenn man sich die letzten Jahre ansieht, möchte ich das differenziert betrachten. Auf der einen Seite haben wir es jetzt mit Abschluss von 2022 wirklich geschafft, aus der Überschuldung rauszukommen. Wir werden voraussichtlich mit einer halben Million im Plus sein. Das ist die eine Seite. Aber die Isolierung der Kosten, die durch den Ukraine-Krieg und die Corona-Pandemie auf uns zukommen, trüben das ganze Bild. Wir haben vor, in diesem Haushalt sieben Millionen Euro an Kosten zu isolieren. Das werden wir aus eigener Kraft nicht schaffen, zu finanzieren. Meine Erwartungshaltung insbesondere Richtung Bund und Land ist schon so, dass die Versprechungen eingehalten werden, dass wir liquide Mittel bekommen. Wir brauchen das Geld. Wenn man aber nach anderen ruft, muss man auch überlegen, was wir machen müssen. Da müssen wir weiter Prioritäten setzen und uns alle unsere Leistungen angucken. Erste gute Schritte haben wir im vergangenen Jahr gemacht. Mit der Politik werden wir als Verwaltung ganz genau hinschauen, wie wir mit der Haushaltssituation umgehen.

Teilen Sie den Wunsch der Kämmerin, dass eine Selbstverpflichtung des Rates mit einem klaren finanziellen Rahmen als Schuldenobergrenze für Investitionen für die nächsten Jahre ein notwendiger Schritt ist?

Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist, was wir uns als Stadt noch leisten können und wollen. Aber es gibt ja auch gesetzliche Vorgaben, die uns verpflichten, zu investieren. Es können sich Rahmenbedingungen ändern, durch die wir noch mehr Geld ausgeben müssen. Mit einer Schuldenobergrenze für Investitionen bin ich auf jeden Fall einverstanden. In dem Fall müssen wir mit der Politik reden und entsprechende Prioritäten setzen.

Insgesamt eine Million Euro stehen im Haushaltsentwurf für die Sanierung der Feuerwehrhäuser in Selm (Foto) und Hassel bereit.
Insgesamt eine Million Euro stehen im Haushaltsentwurf für die Sanierung der Feuerwehrhäuser in Selm (Foto) und Hassel bereit. © Arndt Brede

Welche Investitionen sind unter diesen Umständen für 2023 in welcher Höhe realistisch?

Im Haushaltsplanentwurf stehen rund 14 Millionen Euro für Investitionen. Da haben wir Investitionen drin, die wir machen müssen, weil es da Rechtsansprüche gibt. So zwingt uns der Brandschutzbedarfsplan dazu, die Feuerwehrgerätehäuser in Hassel und Selm zu erweitern. Im Haushaltsentwurf steht dafür insgesamt eine Million Euro. Große Investitionen sind unter anderem auch für den Umbau und die Sanierung der Burg Botzlar mit 1,4 Millionen Euro, die Sanierung und den Umbau der Dreifachsporthalle mit 1,3 Millionen Euro und die Erweiterung der Overbergschule mit 959.000 Euro eingeplant.

Mal abgesehen von der finanziellen Lage der Stadt Selm – was sind die größten Herausforderungen für die Stadt Selm in diesem Jahr?

Eine ist mit Sicherheit die Flüchtlingsthematik. Wir müssen die Menschen, die zu uns gekommen sind, in unsere Stadt integrieren. Dazu gehören der Wohnraum und die Integration in Schulen und Kitas.

Wohnraum für Flüchtlinge zu schaffen, ist nicht einfach. Reichen die Unterbringungsmöglichkeiten in Selm aus?

Ich bin froh, dass wir solch eine Resonanz in unserer Stadt haben, wenn es um die Flüchtlinge geht. Über Ehrenamtliche, über Private, über Spenden und Benefizaktionen haben wir viele tolle Menschen, die viel für Flüchtlinge machen. Neben der Landesunterkunft am LAFP und unserer Unterkunft an der Industriestraße gibt es viele private Wohnungen in Selm, wo Flüchtlinge untergekommen sind. Wir sind aber weiter in Gesprächen mit den Wohnungsbaugesellschaften, um Wohnungen für Flüchtlinge zu finden.

OIfen und Nordkirchen bauen eigene Unterkünfte. Hat Selm auch so etwas vor?

Nein, unsere Kapazitäten reichen aus. In der Industriestraße können bis zu 200 Menschen unterkommen. Zurzeit leben dort um die 80 Menschen. Wir haben da noch Luft und könnten Menschen auch da unterbringen.

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