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Betrugsvorwürfe: Medican-Testcenter an Hellweg-Baumärkten schließen
Schnelltests
Nach Betrugsvorwürfen gegen das Testzentrum-Unternehmen Medican verbannt Hellweg die Zentren von seinen Plätzen - auch in Selm. Wie groß das Problem aber ist, zeigt ein Anruf beim Kreis Unna.
Erst im Mai 2021 war das Schnelltest-Zentrum am Hellweg Baumarkt an der Lüdinghausener Straße in Selm eröffnet worden. Nun wird es nicht mehr lange dort zu finden sein. Genauso wie alle Testzentren, die auf dem Gelände der Baumarkt-Kette Hellweg stehen.
Erlaubnis entzogen, die Parkplätze zu nutzen
„Im Hinblick auf die fortschreitenden Ermittlungen hat Hellweg Medican heute mit sofortiger Wirkung die Erlaubnis entzogen, die Parkplätze zu nutzen, sowie Medican mit sofortiger Wirkung aufgefordert, die Testzelte abzubauen“, antwortet Hellweg-Sprecherin Catherina Tamler auf Anfrage unserer Redaktion am Montag (31. Mai).
Zuvor hatte Hellweg bereits mitgeteilt, dass es einen solchen Schritt prüfe und betont, dass das Unternehmen dem Testzentrum lediglich kostenfrei diese Plätze zur Verfügung stelle, aber in keiner geschäftlichen Verbindung zu dem Unternehmen stehe.
Recherchen brachten mutmaßlichen Betrug ans Licht
Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung hatten gezeigt, dass das Bochumer Unternehmen Medican Tests in wesentlich größerer Anzahl abgerechnet hatte, als es tatsächlich durchgeführt hat. Das hatten Überprüfungen über eine interne Testdatenbank des Landes NRW ergeben, in die die Redakteure Einsicht erhielten und diese mit eigenen Vor-Ort-Beobachtungen abglichen.
Medican betreibt laut eigener Homepage 54 Testzentren, unter anderem am Düsseldorfer Flughafen. Inhaber ist der Immobilienunternehmer Oguzhan Can, der bis 2019 auch Aufsichtsratschef des Fußball-Regionalligisten Wattenscheid 09 war. Das Unternehmen war weder schriftlich noch telefonisch für eine Anfrage unserer Redaktion zu erreichen. Hellweg selbst habe ebenfalls erst über die Medienberichte von den Vorwürfen erfahren, sagt Sprecherin Catherina Tamler.
Niemand fühlt sich für Kontrolle zuständig
Das Grundproblem teilt der WDR bereits in einer Pressemitteilung zu der Berichterstattung mit: „Weder die Gesundheitsämter, noch die Kassenärztlichen Vereinigungen, noch das Bundesamt und schon gar nicht das Gesundheitsministerium fühlen sich zuständig, zu kontrollieren, ob bei der Abrechnung alles korrekt läuft.“ Das liege daran, dass die Daten anonym übermittelt werden müssen. Nicht mal Informationen, wann das Material für die Schnelltests gekauft wurde, müsse übermittelt werden.
Aber nicht nur: Auch die Frage, wer das Personal für die Kontrollen stellt, ist erheblich. Nicht das Ordnungsamt der Stadt Selm zum Beispiel sei zuständig für Testzentren, sondern der Kreis, so Selms Stadtsprecher Malte Woesmann. „Das Ordnungsamt der Stadt Selm wäre, wenn überhaupt, nur im Rahmen der Amtshilfe bei Kontrollen der Testzentren involviert“, so Woesmann. Das finde aber zurzeit nicht statt.
Ein Mann für 166 Testzentren
Kein Wunder, denn auch der Kreis fühlt sich nicht zuständig. „Wir haben einen Kollegen, der sich um 166 Teststellen kümmert“, erklärt Max Rolke, Sprecher des Kreises Unna. Und „kümmern“ heißt hier nicht, die Abrechnungen zu kontrollieren. Das Gesundheitsamt überprüfe zum Beispiel den hygienischen Zustand und könne zu medizinischen Fragen beraten, aber die Abrechnung erfolge über die KVWL. Die KVWL wiederrum hatte unserer Redaktion mitgeteilt, dass man nur formale Aspekte überprüfen könnte. Hier stehe unter anderem der Datenschutz im Weg.
Es gebe Signale des Gesundheitsministerium, dass das Land solche Kontrollen zukünftig übernehmen würde, sagt Rolke. Müsste das Gesundheitsamt des Kreises aber kontrollieren, sagt der Sprecher, dann müssten zwangsläufig andere Aufgaben wegfallen. Und zum Beispiel bei der Kontaktnachverfolgung gespart werden. Es gibt also 166 Testzentren im Kreis - davon bislang sechs in Selm - und es ist nicht mal klar geregelt, wer die überhaupt kontrolliert?
Ja, sagt Rolke. „Wir haben uns auch geärgert, weil es mit der Einrichtung der Testzentren so schnell gehen musste“, sagt der Kreissprecher. Möglichst schnell und bürokratiearm hatte das Land auf die rasche Einführung der Testzentren bestanden. „Es ist absolut mit der heißen Nadel gestrickt“, sagt Rolke.
Ich bin neugierig. Auf Menschen und ihre Geschichten. Deshalb bin ich Journalistin geworden und habe zuvor Kulturwissenschaften, Journalistik und Soziologie studiert. Ich selbst bin Exil-Sauerländerin, Dortmund-Wohnerin und Münsterland-Kennenlernerin.
