
© Stefan Milk
Beim Kaffee über die Kinder reden: Neues Angebot für Grundschuleltern
Junge Familien
Nicht alle Kinder haben die gleichen Voraussetzungen. Das erste Familiengrundschulzentrum im Kreis Unna soll nun für mehr Chancengleichheit tun. Diese Hilfe beginnt mit einem Kaffee vor dem Eingang.
Als an diesem Morgen die ersten Eltern eintreffen, um ihre Kinder zur Bergkamener Gerhart-Hauptmann-Grundschule zu bringen, wartet vor der Tür schon ein heißer Kaffee auf sie. Anna-Lena Rockel von der Stadt Bergkamen, Mitarbeiterinnen der Awo und der Schule wollen mit ihnen ins Gespräch kommen.
Die lockere Runde beim Kaffee, bei der die Eltern Fragen stellen können, ist Bestandteil des frisch gegründeten „Familiengrundschulzentrums“ an der Grundschule – dem ersten im Kreis Unna.
Das Familiengrundschulzentrum ist so etwas wie die Fortführung der Familienzentren in den Kitas im Grundschulbereich. Es kooperiert daher auch mit dem Familienzentrum an der nahe gelegenen Awo-Kindertagesstätte „Villa Kunterbunt“.
Es geht vor allem darum, sogenannte bildungsferne Familien zu unterstützen, damit ihre Kinder bessere Chancen im Unterricht haben.
Das Projekt wird im Rahmen der Initiative „kinderstark – NRW“ schafft Chance vom Familienministerium des Landes gefördert. Dem Pilotprojekt für den Kreis Unna in Bergkamen sollen weitere folgen.
Bildungschancen haben viel mit der Herkunft zu tun
Wie gut die Bildungschancen eines Kindes sind, hat immer noch viel mit der Herkunft zu tun. Kinder aus Migrantenfamilien oder aus Familien, bei denen die Eltern arbeitslos sind, hätten deutlich schlechtere Chancen, sagte die Bergkamener Schuldezernentin Christine Busch als sie das Projekt zusammen mit Vertretern von Awo und Schule am Montagmorgen vorstellte. „Gute Bildung ist immer noch die beste Chance auf ein selbstbestimmtes Leben“, sagte Busch.
Bergkamen ist von seiner Struktur ohnehin schon prädestiniert für eine solche Einrichtung. Der Anteil von Migranten ist relativ hoch, ebenso wie die Arbeitslosigkeit nach dem Ende des Bergbaus. An der Gerhart-Hauptmann-Schule ist diese Situation besonders deutlich zu sehen: In ihrem Einzugsbereich wohnen besonders viele Familien mit Migrationshintergrund und viele Familien, die wegen Arbeitslosigkeit auf staatliche Unterstützung angewiesen sind.
Die Schule hat deshalb auch schon Erfahrungen mit Angeboten für Kinder aus solchen Familien. Das Familiengrundschulzentrum soll die Arbeit der Kitas zum Beispiel im Hinblick auf die Sprachfähigkeiten von Kindern fortführen.

Ein Schild an der Gerhart-Hauptmann-Schule weist darauf hin, dass die Bergkamener Grundschule Familienzentrum ist – das erste an einer Grundschule im Kreis Unna. © Awo
Dabei geht es nicht nur um das Thema Bildung, wie Busch deutlich machte. Es geht zum Beispiel auch um Ernährung. Sogar viele Kinder, die jetzt erst eingeschult werden, hätten schon im gesundheitlichen Bereich Probleme. Viele sind zu dick. „Bei machen ist sogar Diabetes schon ein Thema“, sagt Busch. Das Familienzentrum soll deshalb auch Ernährungstipps geben und Kurse im gesunden Kochen anbieten.
Viele Kooperationspartner vom Jugendamt bis zum Logopäden
Ähnlich wie bei den Familienzentren in den Kindergärten ist jedoch nicht vorgesehen, dass für das Grundschulfamilienzentrum eigene neue Stellen geschaffen werden.
Seyit Hecker von der Awo Bildung und Lernen, der Schulsozialarbeiter an der Gerhart-Hauptmann-Schule ist, soll die Koordination übernehmen. Dafür steht ihm in diesem Fall eine große Zahl von Kooperationspartnern zur Verfügung. Sie reichen von den Familienzentren in den Kitas in der Umgebung über das Kinder- und Jugendbüro, dem Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) und die Integrationsmanagerin der Stadt bis zu den weiterführenden Schulen und einer Logopädie-Praxis. Geplant ist auch die Zusammenarbeit mit Sportvereinen.
Das größte Problem dürfte sein, die Familien „niedrigschwellig“ zu erreichen, wie die Awo und die Stadt es nennen. Das bedeutet: Die Eltern sollen möglichst ungezwungen und wie von allein mit dem Schulfamilienzentrum in Kontakt kommen.
Ein Weg dazu ist die Einladung zum morgendlichen Kaffee am Stehtisch vor der Schule. Die ersten Eltern hätten das Angebot auch schon angenommen und Fragen gestellt, berichtet Anna-Lena Rockel. Dabei ging es meist um ganz praktische Dinge – zum Beispiel wie die Erstklässler nach dem Unterricht zur OGS kommen. Auch Fragen zum Impfen habe es eine ganze Reihe gegeben. Wenn die eine oder andere Mutter oder der eine oder andere Vater zum Impfen geht, kann das vom Grundschulfamilienzentrum wohl schon als erster Erfolg verbucht werden.