In der Vorweihnachtszeit sichtet das Tafelteam die Weihnachtspäckchen, die Bürger für die Tafelkunden gepackt haben.

© Arndt Brede

Arbeit bei der Tafelausgabestelle Selm „tut auch der Seele gut“

rnTafelausgabestelle Selm

Die Tafelausgabestelle Selm hat allerhand zu tun. Bis zu 120 Kunden - bedürftige Menschen - sind registriert. Wie läuft die Arbeit? Und: Was motiviert die ehrenamtlichen Helfer, mitzuarbeiten?

Selm

, 19.12.2021, 10:59 Uhr / Lesedauer: 3 min

Freitagmorgen 8.30 Uhr am und im evangelischen Gemeindezentrum an der Teichstraße in Selm: Draußen stehen schon die ersten Menschen, um ihre Lebensmittelrationen abzuholen. Auch, wenn die Tafelausgabestelle Selm, die in eben jenem Gemeindezentrum untergebracht ist, erst eineinhalb Stunden später öffnet. Das scheint den Menschen in der Schlange nichts auszumachen. Man spricht miteinander, tauscht sich aus.

Freitags ab 10 Uhr können sich die Tafelkunden Lebensmittel abholen. Die müssen vorher sortiert werden.

Freitags ab 10 Uhr können sich die Tafelkunden Lebensmittel abholen. Die müssen vorher sortiert werden. © Arndt Brede

Und drinnen? Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer nehmen die Ware in Empfang, die von der Tafel-Zentrale in Unna geliefert wird, geben sie später an die Kunden aus. Auch hier: plaudern, lachen. Sieht alles sehr entspannt aus. Ist es wohl auch, wie Cornelia Hackenberg, Ute Schwenzfeier, Seddika Karakoc und Semra Akcay erzählen. Sie alle sind ehrenamtliche Mitarbeiterinnen der Tafel in Selm. Bis auf Ute Schwenzfeier, die seit zweieinhalb Jahren dabei ist, sind die Frauen seit rund einem Jahr - plus/minus zwei Monate - hier tätig. Einhellige Meinung der Vier: „Wir verstehen uns alle sehr gut.“

„Mir tut das in der Seele weh“

Wenn die Arbeitsatmosphäre stimmt, ist das ja schon mal keine schlechte Voraussetzung. Aber: Was motiviert die vier Frauen, mitzumachen. Mitzuhelfen, dass bedürftige Menschen Lebensmittel bekommen. Nahezu jeden Freitag. Regelmäßig also. Verlässlich. Unentgeltlich.

Jetzt lesen

„Ich habe meinen Schrank voll, und es gibt so viele arme Menschen; denen muss einfach geholfen werden“, sagt Ute Schwenzfeier. „Wenn die Kunden ihre Kinder mitbringen, tut mir das in der Seele weh. Unser Enkelkind hat so viele Sachen. Und diese Kinder freuen sich über einen Nikolaus.“ Sie sei Rentnerin, habe Zeit. „Und es tut mir selber gut, wenn ich diesen Menschen helfen kann.“ Durch die Arbeit bei der Tafel habe sie Kontakt nach außen. „Ich warte nicht in meiner Wohnung darauf, was das Leben mir noch bringt.“

„Etwas als Dank zurückgeben“

„Es ist unheimlich wichtig, dass es den Kunden ermöglicht wird, diese Lebensmittel zu bekommen, quasi als Grundsicherung“, führt Cornelia Hackenberg aus. Auch Seddika Karakoc freut sich, dass sie anderen Menschen helfen kann. Sie hat aber auch andere, ganz persönliche Gründe für ihr Engagement bei der Tafel in Selm: „Ich komme aus der Türkei und bin seit drei Jahren in Deutschland. Mein erstes Ziel ist, dass ich mich hier in Deutschland integrieren möchte. Kontakt zu anderen Menschen zu finden, ist mir sehr wichtig. Hier bei der Tafel habe ich Kontakt zu meinen Kollegen und zu den Kunden.“ In Deutschland habe sie viel Hilfe bekommen, nachdem sie die Türkei aus politischen Gründen verlassen habe. „Ich möchte irgendwas als Dank zurückgeben.“ Und das sei die Arbeit bei der Tafel. „Es gibt genug Menschen, die nicht genug zu essen haben. Ich finde die Tafel sehr gut.“ Seddika Karakocs Motivation decke sich mit ihrer, sagt Semra Akcay.

Gut sortiert, warten die Lebensmittel auf die Tafelkunden.

Gut sortiert, warten die Lebensmittel auf die Tafelkunden. © Arndt Brede

Die beiden jungen Frauen haben bei der Tafelausgabe neben der handfesten Arbeit der Lebensmittelausgabe und des Sortierens noch eine weitere ganz wichtige Aufgabe: „Semra und Seddika helfen uns dabei, herauszufinden, ob zum Beispiel türkische Kunden das eine oder andere Produkt überhaupt essen dürfen“, berichtet Ute Schwenzfeier.

Verhältnis zu Kunden ist positiv

Wie ist eigentlich grundsätzlich das Verhältnis zwischen dem Tafel-Team und den Kunden? „Das ist so positiv“, erzählt Ute Schwenzfeier. „Die Kunden freuen sich, wünschen uns ein schönes Wochenende, sagen danke.“ Manchmal gibt es Kritik, wenn Menschen sehr spät kommen und nicht mehr das komplette Sortiment vorfinden. Aber das sei nicht schlimm. „Wir haben immer Konserven in Reserve“, sagt Cornelia Hackenberg. Und manche Kunden wollen auch ihre Sorgen los werden.

Freitags von 10 bis 12 Uhr geöffnet

  • Die Tafel ist für alle bedürftigen Menschen da.
  • Wer in Selm, Bork oder Cappenberg wohnt und bisher noch nicht Kunde bei der Tafel ist, etwa aus Scham, könne mit einem Wohngeldbescheid oder einem Rentenbescheid oder HartzIV-Bescheid und mit einem, Personalausweis zur Tafelausgabestelle kommen, sagt Heike Hoppe. Das gehe ganz unbürokratisch.
  • Jeder Kunde zahlt einen Obulus für Lebensmittel. Drei Euro für ein bis zwei Personen, fünf Euro für kleine Familien und sieben Euro für große Familien.
  • Die Ausgabezeiten sind freitags von 10 bis 12 Uhr im evangelischen Gemeindezentrum an der Teichstraße in Selm.

Hat sich durch die Arbeit bei der Tafel die Sicht auf Menschen, die bedürftig sind, bei den Ehrenamtlichen verändert? „Ich denke mir auf jeden Fall manchmal: Diese Wurst ist zwar schon zwei Tage abgelaufen, aber die brauchst du jetzt nicht wegzuschmeißen“, erzählt Ute Schwenzfeier. „Ich beurteile mittlerweile die Leute weniger nach Äußerlichkeiten“, ergänzt Cornelia Hackenberg.

Jetzt lesen

Die Arbeit bei der Tafelausgabestelle in Selm ist für alle vier Frauen also offenbar eine Arbeit, die sie gern machen. Freitags von 9 bis 13 Uhr sind sie da. „Auch, wenn es manchmal körperlich auch anstrengend ist“, wie Cornelia Hackenberg berichtet. Zuverlässig tun sie ihren Dienst. In einem gar nicht mal kleinen Team, wie Heike Hoppe berichtet. Sie koordiniert gemeinsam mit Andrea Preuß die Arbeit innerhalb des Teams. Bis zu 35 Ehrenamtliche kümmern sich um die Kunden zwischen Kleinkindalter und Seniorenalter.

Mund-zu-Mund-Propaganda ist die beste Werbung für neue Mitarbeiter. Ute Schwenzfeier ist übrigens durch einen Freund auf die Arbeit der Tafel aufmerksam geworden. „Das ist das Paradebeispiel“, sagt Heike Hoppe.

Weihnachtspäckchen von Bürgern

2008 hat die Tafelausgabestelle Selm eröffnet. Bis auf zwei Monate, als während des ersten Corona-Lockdowns 2020 die Tafel nicht arbeiten durfte und die Schicksalshelfer eingesprungen sind, ist die Tafelausgabestelle verlässlich am Ball. Auch jetzt in der Vorweihnachtszeit. Da gelte es, die Weihnachtspäckchen zu sichten, die Bürger für Bedürftige gepackt und zur Ausgabestelle gebracht haben. Am Mittwoch vor Weihnachten können sich die Kunden dann diese Päckchen abholen.

Eine Delegation der Kindertagesstätte Villa Kunterbunt hat Kisten mit Lebensmitteln für die Tafel-Kunden gebracht.

Eine Delegation der Kindertagesstätte Villa Kunterbunt hat Kisten mit Lebensmitteln für die Tafel-Kunden gebracht. © Arndt Brede

Darunter sind auch Päckchen von der Villa Kunterbunt. Kinder haben sie am Freitag, 17. Dezember, zum evangelischen Gemeindehaus gebracht. Sie hatten selbst gebackene Brezeln verkauft. Und aus dem Erlös haben die Erzieherinnen dann die Päckchen gefüllt.

Es ist eines der vielen Beispiele dafür, dass die Tafelmitarbeiter von viel Unterstützung und Wertschätzung getragen werden.