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Altenheim in Bork: Knappe Mehrheit entscheidet über runden Tisch
Ortsteilwentwicklung
Soll die Caritas auf dem Borker Marktplatz das Altenheim bauen? Eineinhalb Stunden hat der Selmer Stadtrat leidenschaftlich diskutiert und dann eine denkbar knappe Entscheidung getroffen.
In einem Punkt sind sich alle Mitglieder des Selmer Stadtrates einig: Die Stadt braucht ein zusätzliches Altenheim. Dringend. Darin, dass der Neubau in Bork entstehen soll, besteht ebenfalls Konsens. Und dass der Caritasverband Lünen-Selm-Werne ihn bauen soll, ist auch unstrittig. Auseinander gehen die Meinungen im politischen Raum allerdings, wenn es um die Standortfrage geht. Das hat in der jüngsten Ratssitzung am Donnerstag (30. 9.) für eine leidenschaftliche Diskussion und eine ebenso knappe wie überraschende Entscheidung gesorgt.
Seit fast fünf Jahren ist die Caritas Eigentümerin des ehemaligen Borker Marktplatzes. Die Stadt Selm hatte die Fläche im Zentrum Borks damals an den Wohlfahrtsverband verkauft. Bürgermeister Thomas Orlowski (SPD) war zu dieser Zeit schon im Rat und kann sich noch gut erinnern.
„Vor Jahren galt das noch als Schandfleck“
„Damals war immer wieder von dem Schandfleck Borks die Rede.“ Wegen großen Alkoholkonsums auf dem Platz. Wegen der Leerstände. Als der Grundsatzbeschluss fiel, die umstehenden Wohn- und Geschäftshäuser aus den 60er-Jahren abreißen zu lassen und auf dem Platz ein Pflegeheim zu errichten, habe es ein Aufatmen gegeben, sagt Orlowski. Inzwischen - der Bebauungsplan ist geändert und die Caritas will jetzt mit einiger Verspätung beginnen zu bauen - ist daraus bei manchen ein Ächzen geworden. Seit Donnerstagabend, 18.40 Uhr, Zähneknirschen.

So wird sich laut Planungsbüro der Neubau einfügen in die bestehende Bebauung. © Allplan Plan/Stadt Selm
Zu diesem Zeitpunkt ist nach mehr als eineinhalb Stunden eine Entscheidung gefallen, die sowohl Bürgermeister Orlowski als auch Caritas-Vorstand Hans-Peter Benstein unbedingt hatten verhindern wollen: Die Stadtverwaltung muss, wie von der CDU vorgeschlagen, einen runden Tisch ins Leben rufen mit Vertretern der Caritas, der katholischen Kirchengemeinde, der Politik und der Stadtverwaltung, „der sich mit der Standortfrage für den Neubau beschäftigt“. Mit 17 Ja-Stimmen (CDU, UWG, Grüne und 1 Stimme Gemeinsam für Selm), 14 Nein-Stimmen (SPD, Familienpartei, FDP, 1 GfS) hatte sich der Rat trotz der glühenden Appelle für den Antrag ausgesprochen.
SPD tritt beim Bau des Altenheims aufs Gas
Stefan Kühnhenrich von der Borker SPD hatte sich enthalten. „Jetzt gibt es keine Möglichkeit mehr etwas zu ändern“, sagte er: Rolf Ohligschläger, Sprecher der SPD-Gruppe 60plus, mahnte, dass schon jetzt alte Menschen und ihre Angehörige verzweifelt auf Hilfe warteten. „Wir müssen alles dafür tun, dass es jetzt losgeht und nicht noch drei-vier Jahre neu planen.“ Sein Fraktionschef Jürgen Walter formulierte es noch klarer „Ich bin sehr verwundert, wie man hier Anstalten macht, gegen geltendes Recht zu verstoßen.“
Tatsächlich ist rein formal alles in trockenen Tüchern: Die Caritas hat einen Bauplatz, es gibt einen Bebauungsplan und jetzt den Bauantrag. „Der Eigentümer kann jetzt so bauen, wie wir uns das gewünscht und beschlossen haben“, sagte Walter. Die Befürworter des Antrags sahen das anders.
Befürworter möchten Alternativ-Standort präsentieren
In der Bürgerschaft rege sich - anders als noch vor Jahren, als der Grundsatzbeschluss fiel - Widerstand gegen das Bauprojekt auf dem Marktplatz, sagte Michael Zolda (CDU). „Darauf muss Politik doch reagieren.“ „Und wenn der runde Tisch zu dem Ergebnis kommt, dass es keine realistische, zeitnah umzusetzende Möglichkeit gibt, an einem anderen Standort zu bauen, dann ist das so“, ergänzt CDU-Fraktionschef Herbert Mengelkamp. Hubert Seier (UWG) sieht da aber gar nicht schwarz: „Wenn es uns gelingt, einen attraktiven Standort zu finden, der größer ist als der jetzige, kann man der Caritas doch das Angebot machen.“ Welcher Standort gemeint ist, war allen klar: das Neubaugebiet Neuenkamp am Nahversorgungszentrum Lidl/Rossmann: „
Caritas-Chef Benstein will so ein Angebot gar nicht haben. „Es wird nicht anders laufen: Wir werden an unserem Standort bauen.“ Der Zeitpunkt für einen runden Tisch sei „längst überschritten“. Was er grundsätzlich von einer solchen Einmischung hält, ließ Benstein auch durchblicken: „Wir haben schon jetzt ordentlich investiert für die Planung und wollen das auch weiter tun.“ Unterm Strich stünden etwa 12 Millionen Euro. Die Nähe zu Lidl und dem Drogeriemarkt sei für die künftigen Bewohner zudem nebensächlich: „Die werden bei uns komplett versorgt.“
Wie groß ist die Gruppe der Kritiker in Bork?
In den vergangenen Monaten war immer wieder Kritik laut geworden an den Altenheim-Plänen auf dem ehemaligen Marktplatz. Das ursprünglich für 39 Menschen, jetzt für 52 Bewohner geplante Altenheim sei zu wuchtig am Standort, hieß es. „Das sagt aber nur ein kleiner Teil der Borker“, befand Bürgermeister Orlowski. „Es sind mehr Menschen für den Standort auf dem ehemaligen Marktplatz als dagegen“, bekräftigte Werner Sell (SPD). Eine Erhebung dazu gibt es allerdings nicht.
Die Caritas hatte die Pläne für das Altenheim angepasst, damit sich das kritisierte Gebäude besser in die Bebauung am ehemaligen Marktplatz einfügt. Statt eines aufgesetzten Walmdachs gibt es jetzt begrünte Flachdächer über den zwei Stockwerken und dem zurückgesetzten Staffelgeschoss. Im Keller sind jetzt Haustechnik und Lagerräume untergebracht. Statt 26 Parkplätze sind jetzt 33 vorgesehen, davon zehn öffentlich.
Wann der runde Tisch seine Arbeit aufnimmt, ist noch offen. Einig waren sich alle, dass es möglichst bald passieren wird.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
