
© Luftbild Kreis Unna Vermessung und Kataster / Grafik Sauerland
Abriss der Häuser an der Selmer Kreisstraße sorgt noch immer für Kritik
Kreisstraße
100 Jahre haben die Häuser Kreisstraße 68 bis 84 Selm geprägt. Jetzt sollen Neubauten an ihre Stelle treten: Platz für Einzelhandel und Wohnungen. Das stößt noch immer noch auf Protest.
Spätestens Ende des Jahres laufen die Pacht- und Mietverträge aus. Bis dahin will die Stadt Selm den Gebäuderiegel Kreisstraße 68 bis 84 leer gezogen haben. So hatte sie es vor einem Jahr angekündigt.
Die Stadt Selm hatte 2017 die etwa 100 Meter breite Häuserzeile für 4,2 Millionen Euro gekauft. 2020 veräußerte sie die Häuser per Erbpachtvertrag an das Unternehmen Ten Brinke. Vertragsdetails sind bis heute nicht bekannt geworden. UWG-Chef Hubert Seier, ein entschiedener Kritiker des Projekts, hatte allerdings im vergangenen Jahr öffentlich gewettert, dass die hoch verschuldete Stadt Selm mit dem Ten-Brinke-Deal „2,5 Millionen Euro vernichtet“ habe. Das hatte die Stadtverwaltung nie öffentlich kommentiert. Stattdessen war immer wieder zu hören, dass es sich beim Häuserkauf und -verkauf auf der Kreisstraße um „ein wichtiges Stadtentwicklungsprojekt“ handele.
20 neue Wohnungen, wo es bislang 39 gibt
Die alten Häuser sollen Platz machen für zwei Neubauten mit Geschäftslokalen im Erdgeschoss und Wohnungen in den oberen Geschossen. Der Grundsatzbeschluss dazu ist bereits mehr als drei Jahre alt. Damit versöhnt haben sich aber immer noch nicht alle Fraktionen, wie in der jüngsten Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses deutlich zu hören war.
„Als wir damals erfuhren, dass die Stadt die Häuser kauft, hatten wir das zunächst begrüßt“, sagte Hubert Seier (UWG) in der Sitzung. Er und sein Fraktionsteam hätten geglaubt, es gehe um eine Sanierung. Den Abriss hält er für die falsche Entscheidung: „Acht alte Häuser kaufen und sie für Netto und dm abreißen, ist für mich keine gelungene Stadtentwicklung.“ Ingmar Leismann (Grüne) hat ebenfalls Bedenken angemeldet: In den bestehenden Häusern befinden sich 39 Wohnungen. „In den beiden Neubauten sind aber nur 20 Wohnungen vorgesehen“ - und das, obwohl der Bedarf an günstigem Wohnraum groß sei.
Bürgermeister Thomas Orlowski (SPD) erinnerte an Zuschnitt und Größe der bestehenden Wohnungen. Beides sei nicht mehr zeitgemäß - und daher auch nicht mit dem neuen Vorhaben vergleichbar. An die Adresse aller, die den alten Häusern jetzt schon nachtrauerten, sagte er: „Wer einmal in den Häusern war, weiß, dass dort Sanierung nichts mehr gebracht hätte.“ Teilweise gebe es gar keine Heizungen, dafür aber viel Schimmel und hartnäckige Feuchtigkeitsprobleme.
Bürgermeister Orlowski: Wertgutachten hätte nicht geholfen
Warum die Stadt trotz dieser baulichen Mängel 4,2 Millionen Euro für die Häuser ausgegeben hätte, fragte Dirk Scherle (Familien-Partei). Ein Wertgutachten, wie es seine Partei stets gefordert habe, hätte deutlich gemacht, dass der Preis zu hoch gewesen ist. Bürgermeister Orlowski widersprach - wie schon seit Jahren.
Ein Wertgutachten hätte lediglich Geld gekostet. Dass der ermittelte Preis dann Bestand habe, sei unwahrscheinlich. „Gezielte städtebauliche Entwicklung kostet eben Geld.“ „Verschwendetes Geld“, wie Klaus Schmidtmann (FDP) befand: „Aber das ist „jetzt Schnee von gestern“. Wichtig sei jetzt darauf zu achten, dass sich die Neubauten möglichst gut ins gewachsene Stadtbild einfügten.
Das sagt der Gutachter zur Konkurrenzsituation
Sowohl der Discounter Netto mit Backshop als auch der Drogeriemarkt dm ziehen innerhalb Selms ums. Beide geben ihre bestehenden Standorte an der Kreisstraße auf, um sich künftig an neuer Stelle größer und moderner präsentieren zu können. Das Gutachterbüro futura consult von Dr. Rainer Kummer hat festgestellt, dass dadurch „nicht mit unerwünschten Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in Selm zu rechnen ist“. „Vielmehr ist von einer Stärkung des zentralen Versorgungsbereichs des Hauptzentrums Selm im Falle der Projektumsetzung auszugehen.“
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
