
© Reinhard Schmitz
Stimmen zu Schulschließungen: Von „desaströse Politik“ bis zu „Klausuren finden statt“
Coronavirus in Schwerte
Ein Elternvertreter wirft der Landesregierung eine „desaströse Schulpolitik“ vor. Eine Schülersprecherin hält die Aussetzung des Präsenzbetriebs für überfällig.
Berin Meryem Kurtbas erreichen an diesem Freitagnachmittag unzählige WhatsApp-Nachrichten aus ihrem Jahrgang. Die Schülersprecherin der Gesamtschule am Gänsewinkel erfährt zu Hause von der Entscheidung der Landesregierung, die Präsenzpflicht in den Schulen ab Montag wieder aussetzen zu wollen. Denn die 18-Jährige ist selbst seit knapp zwei Wochen in Quarantäne, da sie Kontakt mit einer positiv auf das Coronavirus getesteten Person hatte.
Klausuren am Montag finden statt
„Die Klausuren am Montag finden trotzdem noch statt“, hat sie von ihren Mitschülern bereits erfahren. Ansonsten aber werden sich die Kinder und Jugendlichen ab der kommenden Woche wieder Tag für Tag vor den Computer setzen, um dem Unterricht digital zu folgen.
Die 18-Jährige lässt im Gespräch mit unserer Redaktion keinen Zweifel daran, dass sie die Entscheidung für den Schul-Lockdown für richtig hält. Sie habe sich die Rede von Angela Merkel bei der Generaldebatte im Bundestag angeschaut und könne ihren Worten nur beipflichten: „Ich finde es schrecklich, dass jetzt so ein Drama darum gemacht wird, die Schulen drei Tage früher zu schließen. Das Leben der Menschen ist wichtiger als Schule“, so die Schülersprecherin. In ihrem Familienkreis sei kürzlich jemand an den Folgen der Corona-Erkrankung gestorben und an den anstehenden Weihnachtstagen sei es ihr wichtig, ruhigen Gewissens mit der Oma feiern zu können.
Gute Voraussetzungen für digitalen Unterricht
Die bisherigen Hygienemaßnahmen an den Schulen haben Kurtbas zufolge zwar gut funktioniert, dennoch seien ihrer Meinung nach nun weitreichendere Schritte erforderlich: „Man hat ja gesehen, dass der bisherige Lockdown nicht ausgereicht hat.“

Berin Kurtbas (18) ist Schülersprecherin der Gesamtschule Gänsewinkel. Mit dem digitalen Unterricht hat sie während der Quarantäne gute Erfahrungen gemacht. © Kurtbas
Ohnehin sei sie davon überzeugt, dass auch der digitale Unterricht nun erfolgreich stattfinden könne: „Das wird 5000 Mal besser funktionieren als im Frühjahr, weil wir jetzt technisch sehr gut dafür ausgerüstet sind.“ Schon während ihrer derzeitigen Quarantäne sei das Distanz-Lernen für sie kein Problem. In der Klasse wurde ein iPad aufgestellt, sodass die Schülerin per Video ganz normal am Unterricht teilnehmen konnte. „Ich habe sogar einen sehr netten Lehrer, der mir angeboten hat, zu zweit einen Video-Termin zu machen, um Fragen zur Klausurvorbereitung zu klären.“
Elternvertreter wirft Landespolitik Versagen vor
Sascha Kudella, Schulpflegschaftsvorsitzender des Friedrich-Bährens-Gymnasiums, kann dieser positiven Haltung nicht bedingungslos zustimmen. Auch wenn er seine rote Parteibrille abnehme, gebe es am Umgang der Landesregierung mit der Pandemie aus Sicht der Eltern viele Kritikpunkte: „Die Schulpolitik in NRW ist seit Beginn der Krise mehr als desaströs“, so der Elternvertreter. Über den Sinn der erneuten Schulschließungen könne man diskutieren, da gebe es unter den Eltern sicherlich auch sehr unterschiedliche Meinungen. Klar sei allerdings, dass die Entscheidung vom Freitag für die erneute Aussetzung der Präsenzpflicht viel zu kurzfristig gekommen sei.
„Was ist mit den Eltern, die berufstätig sind? Wie sollen die jetzt übers Wochenende organisieren, dass ihre Kinder am Montag wieder zu Hause betreut werden?“ Bundeskanzlerin und Wissenschaftler würden seit Wochen gebetsmühlenartig predigen, dass die Kontakte reduziert werden müssen - eine klare Entscheidung hätte also bereits deutlich vor dem Start ins Wochenende fallen können.
Was die Umsetzung des digitalen Unterrichts angeht, zeigt sich der Elternvertreter jedoch ähnlich optimistisch wie die Schülersprecherin der Gesamtschule: Das FBG ist da aus meiner Sicht sehr gut aufgestellt: „Ich habe heute bereits mit dem Schulleiter telefoniert - da greifen wir jetzt auf die bewährten Mittel zurück“. Schade sei nur, dass dies jetzt sehr kurzfristig umgesetzt werden müsse, da den Schulen die Umsetzung vorliegender Konzepte für hybriden Unterricht bislang strikt untersagt wurde.