Pfarrer Iwan aus Schwerte hat auf den Brief unseres Kollegen Ulrich Breulmann an Papst Franziskus reagiert. © Montage Klose
Missbrauch in der Kirche
Brandbrief an den Papst: „Dass er mit einem Federstrich die Kirche verändern könne, ist illusorisch“
Mit seinem Brandbrief an den Papst sorgte der Journalist und Katholik Ulrich Breulmann für Schlagzeilen. Pfarrer Iwan stimmt dem Grundanliegen zu, wünscht sich aber eine differenziertere Betrachtungsweise.
von Hanna Lecking
Schwerte
, 15.02.2022 / Lesedauer: 3 minNach dem neusten Enthüllungen über Missbräuche in der katholischen Kirche, sah der Dortmunder Redakteur Ulrich Breulmann nur noch einen Ausweg, um seinem Entsetzen Ausdruck zu verleihen: Anfang Februar schrieb er einen Brandbrief an den Papst.
Darin bat er den Papst, die katholische Kirche in Deutschland zu retten und forderte einen radikalen Neuanfang. Der Schwerter Pfarrer Peter Iwan hat den Brief gelesen.
„Dem Grundanliegen des Verfassers kann ich nur zustimmen“, sagt Iwan. Er verstehe die Sorge, dass sich die Verbrechen auf die Kirche auswirken. Außerdem sei es notwendig, nach den Ursachen für die Verbrechen und vor allem auch nach Strategien zur Unterbindung von Missbräuchen zu suchen, in diesem Punkt teile er Breulmanns Meinung.
Wunsch nach differenzierterer Formulierung
Dennoch wünsche er sich von dem Journalisten und Katholiken eine etwas differenziertere Sicht auf die Zustände. Der Verfasser des Briefs verlasse an manchen Stellen das sachliche Niveau, was die Kraft der wichtigen Argumente leider abwerte. Auch sehe er die Absolutheit der Formulierungen als fragwürdig an, sagt Iwan.
Pfarrer Peter Iwan stimmt dem Grundanliegen des Brandbriefes zu, wünscht sich jedoch eine differenziertere Sichtweise des Verfassers. © Bernd Paulitschke
In seinem Brandbrief schreibt Breulmann zum Beispiel, dass sich selbst der einzelne Priester mit „Hochwürden“ titulieren lasse, um seiner Eitelkeit zu schmeicheln. „Ich möchte gar nicht mit Hochwürden angesprochen werden“, hält Iwan dagegen, nehme er eine solche Aussage als generalisierenden Vorwurf beziehungsweise abwertende Unterstellung wahr.
Auch in der Frage, ob der Papst mit „Eure Heiligkeit“ angesprochen werden solle, wünscht Iwan sich eine differenziertere Sicht. „Anreden werden heutzutage oft missverstanden“, meint er. Der Titel beziehe sich in diesem Fall auf das Amt des Papstes und nicht auf den Papst als Person oder auf moralische Heiligkeit.
„Ein Botschafter wird auch mit ‚Exzellenz‘ angesprochen“, zieht Iwan hier eine Parallele. Eine solche Anrede mache keine Aussage zu der individuellen Fragwürdigkeit der betroffenen Person, sondern diene dem verantwortlichen Umgang miteinander.
Papst muss über die Zustände Bescheid wissen
In einem sind sich der Geistliche und der Journalist jedoch einig: Der Papst muss über die Zustände in Deutschland Bescheid wissen. Trotzdem sei die Vorstellung illusorisch, dass der Papst mit einem Federstrich die Kirche von heute auf morgen verändern könne, meint Pfarrer Iwan. Die Kirche sei ein sehr komplexes „Unternehmen“ und kein erratischer Block, an dessen Spitze der Papst mit einer absoluten Vollmacht stehe.
Nicht nur der Papst sondern alle Ebenen seien dafür verantwortlich, die Glaubwürdigkeit der Kirche zu bewahren und die Missbräuche abzustellen.
„Dazu müsste der Herr wiederkommen und den Laden schließen“
Einen radikalen Neuanfang brauche es dazu nicht unbedingt, so Iwan. Erst einmal müsse man im Gegenteil konkretisieren, was genau ein radikaler Neuanfang sein soll. „Dazu müsste der Herr wiederkommen und den Laden schließen“, schildert Iwan sein Verständnis eines radikalen Neuanfangs.
„Viele haben nicht den Glauben an die christliche Botschaft, wohl aber den Glauben an seine irdischen Botschafter verloren“, schrieb unser Autor Ulrich Breulmann in einem Brief an Papst Franziskus. © Montage Sauerland
Außerdem sei die katholische Kirche immer noch eine Weltkirche und so müsse man für einen radikalen Neuanfang zum Beispiel auch die Sichtweisen von afrikanischen oder indischen Kulturen berücksichtigen. Man trenne sich immer mehr von dem Eurozentrismus und dürfe sich nicht auf die Sichtweise der Bundesrepublik versteifen.
Veränderungen in der Kirche
Wichtig sei aber ohnehin nicht ein radikaler Neuanfang, sondern die stete Weiterentwicklung der katholischen Kirche. Und diese sei laut Pfarrer Iwan bereits im Gange. „Die katholische Kirche heute ist ja auch schon anders als zu der Zeit meiner Großeltern“, äußert sich Iwan dazu.
„Veränderungen im Öffentlichen Bereich und in Institutionen verlaufen aber immer zäh und träge“, räumt Iwan ein. Die Überarbeitung des kirchlichen Arbeitsrechts finde aber zum Beispiel viel Zustimmung. Die katholische Kirche werde auch weiterhin Lösungen finden, um in der Bundesrepublik zu existieren, da ist sich Pfarrer Iwan sicher. Die Art und Weise der Veränderung bleibt jedoch vorerst ungewiss.
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