Vor eineinhalb Jahren ist Jörg Tappeser mit seinem Solartechnik-Unternehmen auf das Gelände im Gewerbegebiet Im Ostfeld gezogen. Von hier aus baut er mit seinem Team Photovoltaikanlagen, bietet Module, Wechselrichter und Speicher an. Ein Job, in dem der 56-Jährige täglich mit Lieferproblemen und Bürokratie zu kämpfen hat. Mit uns hat er darüber gesprochen – und auch darüber, wie er dem Nachwuchsmangel begegnet.
Gerade haben Sie mit einem Großhändler telefoniert. Worum ging es?
Er hat mich angerufen um mir zu sagen, dass die Komponenten, die beim letzten Mal noch nicht da waren, jetzt vorrätig sind. Da musste ich schnell zuschlagen. Ich bin schon froh, dass er anruft und Bescheid sagt. Das machen nämlich nicht alle. Und dann kann es wieder passieren, dass alles weg ist. Manchmal dauert es Monate, bis die Teile wieder da sind.
Woran liegt das?
Nehmen wir Speicher oder Wechselrichter als Beispiel. Die Wechselrichter kaufe ich bei einer Firma in Österreich. Aber die Bauteile sind vorwiegend aus China. Deshalb gibt es gerade große Lieferschwierigkeiten. Andersherum habe ich letztens mit einem Großhändler telefoniert, der mir sagte, die Zählerschränke hätten mindestens 25 Wochen Lieferzeit. Ich bestell die Dinger, und zwei Tage später sind sie da.
Aber das ist doch gut, oder nicht?
Das ist deshalb nicht so gut, weil ich sie dann ja direkt bezahlen muss. Und möglicherweise kann ich die Schränke nicht sofort verbauen, dann liegen sie wochenlang im Lager herum. Und ich muss das Geld komplett vorstrecken. Wir sind trotzdem immer supersensibel, wenn wir glauben, dass es knapp wird. Das ist manchmal schon nervig, diese Kalkulation.
Ab welcher Größe bauen Sie Photovoltaik-Anlagen? Und wie lange dauert es, bei Ihnen einen Termin zu bekommen?
Unsere Anlagen rechnen sich ab einem Stromverbrauch von 3500 KWh im Jahr. Nach oben gibt es keine Grenzen, auch für mittlere und Industriebetriebe. Beim Einsatz von Wärmepumpen und Elektromobilität ist eigentlich immer eine Wirtschaftlichkeit unter 12 Jahren gegeben.
Für eine Angebotserstellung benötigen wir circa 2 bis 3 Wochen. Bei heutigem Bestelleingang werden wir die Anlage im Januar oder Februar 2024 installieren können - vorausgesetzt, man einigt sich auf Komponenten, die in diesem Zeitraum lieferbar sind.
Was wir allerdings nicht mehr anbieten, sind diese Balkonkraftwerke. Wir hatten auch schon Anfragen von Leuten, die sich ein solches Kraftwerk bei Aldi oder Kaufland kaufen, und wir sollen es dann installieren. Auch das machen wir nicht.
Wer genau ist denn „wir“ in Ihrer Firma?
Wir sind zu neunt. Ich habe zwei Elektromeister, einen Elektriker, einen Dachdecker plus Dachdeckergehilfen. Einer der Elektromeister ist mein Sohn, der ist 23. Im Büro sind wir zu dritt, und momentan haben wir auch noch einen Praktikanten. Der fängt eventuell im August bei uns seine Ausbildung an. Wir haben früher nicht ausgebildet, machen es aber jetzt. Man kann nicht über Fachkräftemangel klagen und dann nicht ausbilden.

Was glauben Sie – warum gibt es so wenig Fachkräfte?
Ja, mein Onkel sagte letztens noch: „Wo sind die alle hin? Irgendwo müssen sie doch sein.“ (lacht) Nein, ernsthaft: Viele der Älteren gehen in Rente, und es kommen weniger junge Leute nach. Das Handwerk hatte lange ein Image-Problem, das macht sich jetzt bemerkbar. Es heißt doch immer: Handwerker sind teuer, unpünktlich, ziehen einen über den Tisch. Und man müsse viel ackern bei schlechter Bezahlung. An dem Ruf muss man dringend was ändern. Denn Handwerk kann richtig Spaß machen. Deshalb bilden wir jetzt auch aus.
Was kann Ihnen denn den Spaß verderben?
Oh, da gibt es so einiges – Bürokratie zum Beispiel. Wir beliefern Kunden im Netzgebiet von Witten, Bochum, Hagen, Gevelsberg, Schwerte, Unna, Iserlohn und anderen Städten. Und bei allen läuft es unterschiedlich: In Schwerte holen wir den Zähler bei den Stadtwerken ab, fahren damit zur Baustelle und tauschen den. In Hagen kommt jemand raus, um die Übergabe zu regeln, da muss niemand von uns dabei sein. In Gevelsberg kommen gleich drei Leute raus und machen mit uns zusammen eine komplette Übergabe. So unterschiedlich läuft das. Und die Bedingungen für unsere Elektriker ändern sich mindestens alle drei Monate. Das ist schon mega-anstrengend.

Warum ändern sich die Vorschriften so häufig?
Weil sich die technischen Bedingungen ändern. Immer mehr elektrische Geräte mit hohen Lasten kommen in die Häuser. Photovoltaikanlagen, oder Ladestationen für E-Autos. Diese großen Geräte waren früher in normalen Häusern gar nicht vorhanden. Man muss dann darauf achten, dass Trafos und Netze nicht überlastet werden. Das Problem ist auch hier, dass alle Städte auf Versorgungs-Ebene ihre eigene Suppe kochen. Sowas macht einem das Leben nicht einfacher. Man muss sich immer neu in dem Chaos einarbeiten. (lacht)
Sie haben das aber offenbar alles gut im Griff.
Ich bin gelernter Energiegeräte-Elektroniker und Datenverarbeitungs-Kaufmann. Das passt dann mit dem Thema Planung gut zusammen. Ich bin froh, dass wir das mit der Halle hier im Gewerbegebiet 2021 hinbekommen haben. Das war ganz schön viel Arbeit; durch die Spinnweben musste man mit der Sense durchgehen.
Gerade haben wir unseren Internet-Auftritt neu gestaltet. Im Lauf der nächsten zwei Wochen sieht man die neue Homepage. Außerdem freuen wir uns nächstes Wochenende auf ein kleines Fest zum 15-jährigen Bestehen; es kommen rund 100 geladene Gäste. Wir haben einen Bierwagen, einen kleinen Food-Truck, und für die Kinder bieten wir Gabelstapler-Fahren und Bullenreiten an. Also: Es gibt immer etwas Neues.
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