Wie gut, dass man nicht weiß, was vor, hinter oder neben einem auf der Straße herumrollt. Dass man nichts von der brandgefährlichen Fracht ahnt, die sich auf Ladeflächen oder in Kippmulden verbergen könnte. Denn zumindest durch Teile der Stadt muss die scharfe Bombe transportiert worden sein, die am vergangenen Freitag (21.3.) im Gewerbegebiet Schwerte-Ost für eine großflächige Evakuierungsaktion sorgte. Das explosive Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg war dort auf dem Gelände einer Firma entdeckt worden, die unter anderem einen Recylinghof für Baustoffe betreibt.
Offenbar in einer Anlieferung
„Die Bombe wurde angeliefert“, erklärt der Pressesprecher der Stadt Schwerte, Ingo Rous, den Stand der Erkenntnisse. Der Blindgänger muss sich demnach zwischen anderem Material versteckt haben. Von Stimmen vor Ort war zu hören, dass sie sich offenbar in Erdaushub befunden haben soll.

Mittlerweile ist auch bekannt, dass es sich um eine Bombe handelte, die von Flugzeugen der Amerikaner abgeworfen wurde. „Sie hat US-Herkunft“, berichtet der Pressesprecher der Bezirksregierung Arnsberg, Christoph Söbbeler. Der Sprengkörper sei 75 Kilogramm schwer gewesen, im US-Jargon also 150 Pfund. Deshalb wurden sicherheitshalber die Mitarbeiter aller Firmen evakuiert, die sich in einem Umkreis von 200 Metern um den Fundort befanden. Bei den Verkehrsmaßnahmen zur Absperrung kam die Polizei zum Einsatz.
Vor Sprengung abgedeckt
Die Bezirksregierung, zuständig für den Kampfmittelräumdienst, schickte Experten für die Beseitigung der Fliegerbombe nach Schwerte-Ost. Auf welche Weise dies jeweils geschehe, sei - so Christoph Söbbeler weiter - das Ergebnis einer Analysearbeit der Kollegen vor Ort. Diese würden sich den Zustand eines Blindgängers und dessen Zündmechanismus genau anschauen, um eine Risikoabwägung treffen. Im Ergebnis war am vergangenen Freitag eine Entschärfung nicht möglich, so dass die Bombe gegen 18.30 Uhr kontrolliert gesprengt wurde. Dazu sei sie mit Erdreich abgedeckt worden. Um 18.41 Uhr hob die Polizei die Sperrung auf.
Oft Kontrollen vor Bauarbeiten
Um derartige Vorfälle zu vermeiden, wird in bombardierten Gegenden vor dem Beginn von Bauprojekten auf vielen Grundstücken kontrolliert, ob sich dort möglicherweise noch Blindgänger im Boden verstecken. Hinweise geben können Luftbildaufnahmen, die amerikanische oder britische Flieger nach Angriffen aufgenommen haben. Zur genauen Lokalisierung wird dann oft vor Ort gebohrt, bevor Baggerarbeiten endgültige Klarheit schaffen. Manchmal stößt man dabei aber auch nur auf verbuddelten Schrott.

Noch in dieser Woche war am Beckhausweg in Villigst bei einer geplanten Aktion ein Verdachtspunkt untersucht worden, bei dem anschließend eine 250-Kilogramm-Bombe ebenfalls amerikanischer Herkunft entschärft werden konnte.

Die Ruhrstadt war im Zweiten Weltkrieg schweren Luftangriffen der anglo-amerikanischen Bomberflotten ausgesetzt. Immer wieder heulten vor allem nachts die Sirenen und zwangen die Schwerter zur Flucht in ihre Keller. Die Schrecken jener Jahre dokumentierte der damalige Oberschichtmeister Norbert Kaufhold in seiner Kriegschronik, die später von der Stadt Schwerte als Buch veröffentlicht wurde.
Allein die Bombardierung des Nickelwerks und seines Umfeld am 31. Mai 1944 forderte „mindestens 300“ Tote, wie er schrieb. Darunter waren alle 80 Lehrlinge in ihrem getroffenen Bunker: „Das ganze soll nur ein Brei sein, aus dem sie einzelne Körperteile, Körperfetzen bargen.“ Bei der Massenbeerdigung reichten die Leichenwagen nicht aus. Sobald sie auf den Friedhöfen entladen waren, rasten sie am unendlich langen Trauerzug vorbei zurück zu den Kirchen, um weitere Särge aufzunehmen: „Aber immer sind noch Leichen unter den Trümmern. Viele werden wohl nicht ausgegraben werden können.“