
© Reinhard Schmitz
Im Reiche des Wassers: 150 Jahre alte Kanone versteckt sich im Gestrüpp
Strangbrücke
Sie ist älter als so manches Haus in der Altstadt. Im Jahr 1865 kam die Kanone zum Bürgerschützenverein, der sie liebevoll restaurierte. Damit kann ihr Denkmalsockel aktuell nicht mithalten.
Der allerletzte Arbeitsschritt der Restaurierung wurde noch einmal zu einer besonderen Herausforderung. Um es zu seinem Ehrenplatz am Ufer des Mühlenstrangs zurückzubringen, musste das schwergewichtige Stück Stadtgeschichte durch hüfthoch wuchernde Brennnesseln und anderes Gestrüpp gewuchtet werden.
In diesem üppigen Wall aus Unkraut versteckt sich jetzt die 150 Jahre alte Schützenkanone, die eigentlich ein Blickfang neben der Bachbrücke Im Reiche des Wassers sein sollte.
Die hölzernen Speichenräder wurden aus Niedersachsen geholt
Die Schwerter Bürgerschützen haben alles gegeben, damit der mittelalterliche Charme an diesem Ort am Rande der historischen Altstadt wieder spürbar wird. In einer fast einjährigen Aktion hat Oberst Erwin Lange die Kanone in seiner Werkstatt aufpoliert. Besonders schwierig war es, Ersatz für die im Laufe der Zeit angefaulten Holzräder zu finden.
Beim Durchstöbern von Verkaufsanzeigen im Internet wurde Erwin Lange schließlich in Niedersachsen fündig. Zwar preisgünstig, wie er sagt. Aber dafür waren zur Abholung über 400 Kilometer auf der Autobahn zurückzulegen: „Das muss man schon in Kauf nehmen.“

Schon Mitte August hatte Schützen-Oberst Erwin Lange (r.) die erste der beiden Kanonen restauriert auf ihren Ehrenplatz vor der Strangbrücke Im Reiche des Wassers zurückgebracht, wo sie von Vereinsmitglied Andreas Krüger (l.) bewundert werden konnte. © Reinhard Schmitz (A)
Die Gegend kannten die Schützen schon. Nur 30 Kilometer entfernt hatten sie Monate zuvor die neuen Räder für ihre zweite Kanone entdeckt, die schon Mitte August frisch renoviert auf der anderen Seite der Strangbrücke wieder aufgestellt werden konnte.

Wenn man sich ein Stückchen ins Unkraut vorkämpft, erkennt man, wie viel Mühe Bürgerschützen-Oberst Erwin Lange in die Renovierung der alten Schützenkanone gesteckt hat. © Reinhard Schmitz
Dass beide Radsätze jeweils über zwölf statt vorher zehn Speichen verfügen, fällt höchstens ganz intimen Kennern auf. Dafür passen sie gut zueinander: „Wie eineiige Zwillinge.“
Aus dem Rohr wurde keine einzige Kugel abgefeuert
Mit dem Beseitigen der Holzwürmer hatte man schon Erfahrungen gesammelt. Die befallenen Teile kamen einfach für eine Stunde in die Sauna, deren Regler auf 60 Grad aufgedreht wurde. Das machte dem Ungeziefer den Garaus. Anschließend wurden alle Holzteile mit schützendem grauem Lack beschichtet. Das Kanonenrohr erhielt – genauso wie die eisernen Beschläge – einen schwarzglänzenden Anstrich.

Bis zur Verglasung der Museumshalle in den 1990er-Jahren hatten die beiden Schützenkanonen jahrzehntelang als Wahrzeichen unter den Arkaden des Alten Rathauses gestanden. © RN-Archiv
Wenn jetzt auch noch das Umfeld so gepflegt wird, dass die beiden Schützen-Schätze nicht in Matsch und Pfützen stehen, dürften sie noch lange ein Wahrzeichen von Schwerte bleiben. Im Jahr 1865 hatte sie der damalige Schützenkönig Friedrich Pferdekämper dem Bürgerschützenverein Schwerte geschenkt.
Scharf geschossen wurde aus den Rohren aber nie. Denn sie sind eigentlich nur Böller, die als Salut abgefeuert wurden, wenn der Verein eine neue Majestät krönte. Mit der Eröffnung des Ruhrtalmuseums im Jahr 1933 wurden sie unter dem alten Rathaus aufgestellt, bis sie dort in den 1990er-Jahren bei der Verglasung der Eingangshalle weichen mussten. Seit 2012 flankieren sie jetzt die Strangbrücke Im Reiche des Wassers.
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
