Chaos bei E-Rollern im Schienenersatzverkehr Peter Mircyk (51) darf oft nur ohne „E“ mit

Schienenersatzverkehr: Peter Mircyk (51) darf oft nur ohne „E“ mit
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Wenn Bahnpendler Peter Mircyk morgens mit dem E-Tretroller losfährt, weiß er noch nicht, ob er am Ziel ankommt. An der Reichweite des Akkus liegt‘s nicht, sondern an der Unberechenbarkeit der Regeln der Eisenbahnunternehmen National Express, Eurobahn und deren Partnern im Schienenersatzverkehr.

Es herrscht Chaos bei der Mitnahme von E-Rollern in Ersatzbussen. Statt verbindlicher und transparenter Vorgaben sind Roller-Fahrer dem Zufallsprinzip ausgeliefert.

Für Peter Mircyk ist die Mitnahme eines E-Rollers auf den Linien RE7 (Rheine-Krefeld) und RB59 (Dortmund-Soest) zur reinen Glückssache geworden, seit die Bahnstrecke Hagen-Unna bei Schwerte, Holzwickede und Unna gesperrt ist und der Schienenersatzverkehr (SEV) fährt. Mal darf der 51-Jährige mit E-Roller in den Bus, mal nur ohne. Und das liegt nicht an der Auslastung.

Grundsätzlich ist in Zügen von National Express (RE7) und Eurobahn (RB59) die Mitnahme von E-Rollern erlaubt. Aber lässt sich diese Freiheit auch auf die Ersatzbusse übertragen? Das wäre im Sinne einer nahtlosen Mobilität, um E-Roller-Reisende unter den widrigen Umständen des SEV nicht noch zusätzlich auszubremsen. E-Roller werden immer beliebter.

Wer eine Antwort auf diese Frage sucht, stößt auf einen Flickenteppich aus Sicherheitsregeln und deren Auslegung. Mircyk schildert seinen Eindruck, dass die SEV-Fahrer willkürlich entscheiden, ob der E-Scooter mit an Bord darf. „Ich glaube, das hängt vom Busfahrer ab: Manchmal sagen sie: Klapp‘ ihn zusammen und gut ist. Aber sehr oft verstecken sie sich hinter irgendwelchen Regeln, die absolut überflüssig sind - meiner Meinung nach.“

Ein Zug am Bahnhof Holzwickede/Dortmund-Flughafen und Reisende auf dem Bahnsteig.
Wegen Bahnbauarbeiten halten derzeit keine National-Express-Züge der Linie RE 7 an den Bahnhöfen Schwerte, Holzwickede/Dortmund-Flugen und Unna. Die Linie verbindet Rheine mit Köln und Krefeld. © Udo Hennes

E-Roller wirklich grundsätzlich erlaubt?

National Express und Eurobahn schließen die Mitnahme von E-Rollern im SEV nicht aus. Aber sie überlassen es dem jeweiligen Busunternehmen, wie es mit dem „E“ umgeht. Das macht es für Reisende kompliziert, zumal Busse verschiedener Firmen auf einer SEV-Strecke unterwegs sind.

Für National Express erklärt Sprecherin Isabelle Weber die grundsätzliche Regelung so: „Bezüglich der Mitnahme in Bussen entscheidet jedes Busunternehmen eigenständig. Speziell auf dem Streckenabschnitt Holzwickede – Unna dürfen E-Scooter und E-Bikes im Schienenersatzverkehr nur mitgenommen werden, wenn sie zusammengeklappt sind. Auch hier hängt die Mitnahme von der Auslastung ab. Ist der Bus voll ausgelastet, kann die Mitnahme – auch von zusammengeklappten Fahrrädern – verweigert werden. Die Entscheidung liegt beim Fahrpersonal.“

Mitnahme verweigert im Eurobahn-Ersatzbus

Auch die Eurobahn erlaubt die Mitnahme von E-Rollern im SEV grundsätzlich. „Für die Mitnahme eines E-Bikes oder E-Scooters gelten in den Eurobahn-Bahnen die gleichen Bedingungen wie für Fahrräder“, erläutert Eurobahn-Sprecherin Elke-Katharina Sajovitz. „In den SEV-Bussen kann es situationsbedingt zu Abweichungen kommen, zum Beispiel wenn der Bus zu voll ist. Uns ist noch kein Fall bekannt, bei dem die Mitnahme verweigert wurde.“

Unserer Redaktion hingegen schon: Denn genau so ein Verweigerungsfall ist Peter Mircyk: Am Morgen des 15. November hat er mal wieder Pech. Beim Einsteigen in den RB59-Ersatzbus der Eurobahn am Bahnhof Holzwickede/Dortmund-Flughafen gibt ihm der Busfahrer zu verstehen, dass er nur ohne „E“ einsteigen darf. Also lässt der Bönener den fahrbaren Untersatz abgeschlossen zurück.

Ein Bus, der den Schienenersatzverkehr der Linie RB59 bedient, und auf dem vorne die Inschrift „Rainer“ zu lesen ist, steht am Busbahnhof in Unna.
Wenn „Rainer“ vorne auf dem Bus steht, sind E-Roller grundsätzlich an Bord verboten. Aber wie sollen Reisende das wissen? © Carsten Fischer

An einer erhöhten Auslastung des RB59-Busses kann die Weigerung des Busfahrers nicht gelegen haben. Denn es sind noch Sitzplätze frei, und der privilegierte Bereich an den Türen ist noch zum Abstellen verfügbar. Dennoch behauptet der Busfahrer später im Gespräch mit unserem Reporter, dass kein Platz gewesen sei.

Und er führt neben der Auslastung noch einen weiteren, bislang nicht genannten Ausschlussgrund an: die mögliche Brand- und Explosionsgefahr von Akkus der E-Roller. Das regle jedes Busunternehmen anders, räumt er ein. Sein RB59-Ersatzbus gehört zur Firma Rainer aus Gelsenkirchen, die wiederum von Bernie Reisen aus Lippstadt beauftragt ist.

Widersprüchliche Aussagen zur Mitnahme von E-Rollern

Die Argumentation des Busfahrers wirkt widersprüchlich. Entweder sind E-Roller immer aus Sicherheitsgründen ausgeschlossen, wie der Busfahrer sagt. Oder sie sind grundsätzlich erlaubt (außer es ist zu voll im Bus), wie National Express und Eurobahn durch ihre Sprecherinnen erläutert haben. Was gilt denn nun?

Bernie Reisen lässt eine Presseanfrage dazu unbeantwortet, verweist aber auf National Express. Dort antwortet Jana Müller aus dem Kundenservice: „Gemäß den Richtlinien des Verbandes VDV verweigert der Verkehrsbetrieb Rainer GmbH die Mitnahme von E-Rollern aufgrund der Explosionsgefahr. Das Busunternehmen Bernie Reisen gestattet die Mitnahme von E-Rollern, sofern diese zusammengeklappt sind.“

Zugbetreiber räumt Missverständnisse ein

Zwei Busunternehmen auf einer Strecke, aber zwei verschiedene Regeln. Das Problem: Woher sollen Reisende wissen, ob der Ersatzbus der rollerfreundlichen Firma X oder der rollerfeindlichen Firma Y gehört? Eine verlässliche Reiseplanung ist so nicht möglich.

Die Eisenbahnunternehmen räumen ein, dass es für Reisende vor Fahrtantritt keine Informationen über die Zulässigkeit von E-Rollern im SEV gibt. „Um Missverständnisse zu vermeiden, prüfen wir derzeit die Möglichkeit, auf unserer Webseite und auf zuginfo.nrw einen Hinweis zu hinterlegen, dass die Mitnahme von E-Rollern im SEV nicht garantiert werden kann“, erklärt Jana Weber von National Express.

Verkehrsverbund verschließt die Augen

Der Ausschluss von E-Rollern im SEV wie bei Peter Mircyk dürfte kein Einzelfall sein. Dennoch heißt es beim zuständigen Verkehrsverbund NWL in Unna, der über die Qualität des Nahverkehrs in der Region wacht, dass keine Fälle bekannt sind, in denen Busunternehmen im SEV grundsätzlich E-Roller ausschließen.

Knut Germann vom NWL erklärt: „Mit dem SEV sind in aller Regel private Unternehmen beauftragt, die ihrerseits für die Sicherheit der Fahrgäste zuständig sind. So ist im SEV im Regelfall die Mitnahme von Fahrrädern, und damit auch von E-Bikes, ausgeschlossen. Hintergrund ist hier die Platzsituation in den Fahrzeugen. Zusammengeklappte E-Roller könnten demgegenüber zugelassen sein, wenn der Busunternehmer dies nicht im Hausrecht ausgeschlossen hat. Solche Fälle sind uns aber derzeit nicht bekannt.“

Rollerfreundlich, rollerfeindlich

Doch genau so ein Fall ist die Busfirma Rainer aus Gelsenkirchen im SEV der Linie RB59. Das Unternehmen ist mit seiner restriktiven Haltung nicht allein. Zahlreiche Nahverkehrsbetriebe, beispielsweise DSW21 in Dortmund, Bogestra (Bochum, Gelsenkirchen), die Vestische (Kreis Recklinghausen) und die Verkehrsgesellschaft Herne-Castrop-Rauxel (HCR), haben E-Roller verbannt: Sie untersagen die Beförderung in Bussen und Straßenbahnen und begründen das damit, dass sie das Sicherheitsrisiko eines Brands durch defekte Akkus nicht tragen wollen. Der Ausschluss geht auf die besagte Empfehlung des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zurück.

Andere Nahverkehrsanbieter halten das Risiko für gering, weil der Bus im Brandfall jederzeit halten und Fahrgäste aussteigen lassen kann. Deshalb ist in ihren Bussen die Mitnahme eines E-Rollers nicht verboten. Dazu zählen die Verkehrsgesellschaft Kreis Unna (VKU), der Regionalverkehr Ruhr-Lippe (RLG, Kreise Soest und Lippstadt) und der Regionalverkehr Münsterland GmbH (RVM, u.a. Kreis Coesfeld).

Peter Mircyk versucht, sich mit seinem E-Roller durch den Regelungsdschungel und am Busfahrer vorbei zu winden. „In den Zügen kann man Roller mitnehmen, deswegen gehe ich mal davon aus, dass im SEV dieselben Regeln gelten“, meint er.

Ein Video sehen Sie bei hellwegeranzeiger.de