Neuregelung für Schwerter Aids-Aktivisten eine Farce
Homosexuelle Blutspender
Bislang war es Homosexuellen verboten, Blut zu spenden. Das gilt ab demnächst jedoch nicht mehr. Dann dürfen sie spenden, allerdings unter einer - zumindest fragwürdigen - Bedingung. Auch der Schwerter Aids-Aktivist Uwe Görke-Gott sieht trotz der Neuerung kein Ende der Diskriminierung.

ARCHIV - Menschen warten am 11.07.2014 in der Blutspendenzentrale der Universitätsklinik in Freiburg (Baden-Württemberg). Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und das Innenministerium appellieren zum Start der Ferienzeit im Südwesten, mehr Blut zu spenden. Foto: Patrick Seeger/dpa (zu dpa:"Rotes Kreuz und Innenministerium werben um Blutspenden" vom 02.08.2014) +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit
Homosexuelle waren bisher lebenslang von der Blutspende ausgeschlossen. Demnächst dürfen sie Blut spenden – sofern sie vorher ein Jahr lang keinen Sex hatten. Was die Bundesärztekammer und das Paul-Ehrlich-Institut für einen Fortschritt halten, kommt bei Schwulenverbänden und Aids-Hilfen nicht gut an. Auch Uwe Görke-Gott, Schwerter Aids-Aktivist, hält die neue Richtlinie in dieser Hinsicht für eine Farce. Für ihn ist immer noch kein Ende der Diskriminierung in Sicht.
Homo- und bisexuelle Männer zählen nach medizinischen und epidemiologischen Erkenntnissen und Daten zu Menschen mit „sexuellem Risikoverhalten“. Das gilt auch für Heterosexuelle mit häufig wechselnden Partnern sowie männliche und weibliche Sexarbeiter. Dabei geht es nicht nur um HIV, sondern auch um Hepatitis C, eine Infektionskrankheit, die schwere Leberschäden verursachen kann und gegen die es keine vorbeugende Impfung gibt.
Das bestmögliche Blut übertragen
„Patienten, die eine Blutspende bekommen, soll das bestmögliche Blut übertragen werden“, erklärt Claudia Müller, Pressereferentin beim DRK-Blutspendedienst West in Münster. Die Bundesärztekammer und das Paul-Ehrlich-Institut würden die Richtlinien nach wissenschaftlich zuverlässigen Kriterien überarbeiten.
„Mit der aktuellen Novelle wurden unter anderem die Spenderauswahlkriterien von Personen geändert, deren Sexualverhalten ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten birgt“, hat Prof. Dr. med. Peter C. Scriba, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer, neulich in einem Interview dem Deutschen Ärzteblatt gesagt.
Unstrittig sei, dass risikobehaftetes Sexualverhalten von Blutspendern – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung – Auswirkungen auf die Virussicherheit der aus der entsprechenden Spende hergestellten Blutprodukte haben könne, betont er.
Neue Fragebögen für Blutspender
Claudia Müller: „Wir setzen die neue Richtlinie jetzt um. Zum Beispiel mit neuen Fragebögen für die Blutspender.“ Das könne noch einige Wochen dauern. In dem Fragebogen geht es unter vielem anderen auch um Angaben zum Lebensstil, auch um die Frage nach der einjährigen sexuellen Abstinenz an Männer, die Sex mit Männern haben.
Wer die Fragen zu seiner Gesundheit nicht wahrheitsgetreu beantworte, so Claudia Müller, und mit seinem Blut nachweisbar jemanden mit einer Krankheit infiziere, müsse sogar mit strafrechtlichen Folgen rechnen. „Aber wir setzen auf ehrliche Antworten. Wer Blut spenden will, tut das ja mit moralisch-ethischen Absichten. Der will etwas Gutes für andere Menschen tun und sie nicht gefährden.“
Auch Uwe Görke-Gott ist ein großer Verfechter verantwortungsbewussten Handelns. Die neue Richtlinie hält er dennoch für einen Rückfall in die 80er-Jahre, als Aids als „Schwulenseuche“ galt. Die Jahresfrist mache die neue Regel zur Farce, denn „es gibt heute doch schon Tests, die schneller Ergebnisse liefern.“ Nach Zahlen der Aids-Hilfe Deutschland beträgt das Risiko einer unerkannt HIV-infizierten Spende 1:5,3 Millionen.
Hohen Sicherheitsstandard bewahren
Dieser hohe Sicherheitsstandard sei gut und ihn gelte es zu bewahren, heißt es dort. Aber nicht auf Kosten bestimmter Gruppen. Andere Länder hätten sich schon darauf eingestellt: In Großbritannien und Schottland soll bald nur noch ein dreimonatiger Zeitraum für eine Abstinenz gelten. In Frankreich gilt dagegen ebenfalls eine Frist von zwölf Monaten. In Italien und Portugal wird jeder Spender unabhängig von seiner sexuellen Orientierung gefragt, ob er sich in den letzten sechs Wochen beim Sex riskant verhalten hat.
In Spanien gilt die Regel, dass man erst nach sechs Monaten wieder Blut spenden darf, wenn man einen neuen Partner hat – egal ob Mann oder Frau. Uwe Görke-Gott ist seit 25 Jahre HIV-infiziert und seine Viruslast dank der modernen Medikamente heute unterhalb der Nachweisgrenze. „Ich gelte als nicht infektiös, dürfte theoretisch sogar ungeschützten Sex haben“, erzählt er. „Aber mein Mann darf kein Blut spenden. Das ist doch verrückt.“