Was lernt die Stadt aus dem Hackerangriff, der Verwaltung und Bürgerservice lahmlegte? Müssen sich die Schwerterinnen und Schwerter 2024 auf Steuererhöhungen einstellen? Wann wird der Marktplatz fertig – und welche städtischen Projekte liegen auf Eis, weil der Haushalt für 2024/2025 bislang nicht eingebracht werden konnte?
Teil 1 unseres großen Interviews mit Schwertes Bürgermeister Dimitrios Axourgos.
Fangen wir doch dort an, wo das alte Jahr aufgehört hat – Stichwort Hackerangriff: „Der Cyberangriff steht am Ende eines bewegten Jahres und hat uns in der Stadtverwaltung das Leben erschwert“, sagten Sie in Ihrem Grußwort zum neuen Jahr. Das ist nach dem, was da passiert ist, freundlich formuliert. Der Haushalt konnte nicht eingebracht werden, der Bürgerservice lag zwei Monate komplett lahm. Ist das nicht vielmehr eine Verwaltungskatastrophe?
Der Angriff auf unseren IT-Dienstleister hat dazu geführt, dass insbesondere für die Bürgerinnen und Bürger der Alltag erschwert worden ist – sie konnten Pässe nicht beantragen oder das Kind nicht anmelden. Die meisten Menschen haben Geduld und Verständnis dafür aufgebracht, dass wir unseren Bürgerservice nicht wie gewohnt betreiben konnten. Dafür möchte ich mich bedanken, auch bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das war und ist mit Herausforderungen und Ärger verbunden.
Aktuell können wir sagen, dass der Bürgerservice wieder reibungslos funktioniert. Die Anfragen, die sich im Dezember aufgestaut haben, konnten abgearbeitet werden, die Bugwelle ist weg. Was noch nicht funktioniert, ist die digitale Terminplanung. Und insofern müssen alle Bürgerinnen und Bürger erst einmal ohne Termine kommen und eine Marke ziehen.
Wird ein solcher Angriff die Verwaltungen in Zukunft wieder treffen?
Das wird in den nächsten Jahren sicherlich zunehmen und dann können auch Kommunen wieder Opfer solcher Cyberattacken werden. Das war nicht der erste Fall in Deutschland und wird auch nicht der letzte sein, wobei das Ausmaß mit mehr als 70 Kommunen natürlich sehr groß war und immer noch ist.

Was lernt die Stadt daraus? Dass sie sich am besten nicht auf den externen Dienstleister verlässt?
Nein, ich glaube, da müssen wir unterscheiden. Es war die richtige Reaktion der Südwestfalen-IT, alle Systeme vom Netz zu nehmen. Jede einzelne Kommune wäre mit einer Cyberattacke eines solchen Ausmaßes völlig überfordert gewesen. Insofern ist es aus meiner Sicht auch für die Zukunft wichtig, dass es einen IT-Dienstleister gibt und Spezialisten, die sich auskennen, die das Personal und Know-how haben.
Die Erkenntnis ist aber auch, dass wir parallel bestimmte Strukturen doppelt laufen lassen müssen. Das ist mit einem finanziellen Mehraufwand verbunden, aber für den Fall der Fälle sollte es uns zumindest möglich sein, weiterhin per E-Mail und Telefon erreichbar zu sein.
Das Thema IT-Sicherheit wird regelmäßig in den Bürgermeisterrunden gemeinsam mit dem Landrat besprochen. Wir sind uns einig: Das wird eine Mammutaufgabe für die Kommunen.
Was wird der jüngste Angriff die Stadt kosten? Musste die Verwaltung neue Hardware anschaffen?
Nein, diese Anschaffungen waren nicht notwendig, weil wir diesbezüglich schon ziemlich weit sind. Aber unser Dienstleister wird natürlich Schutzmechanismen neu einrichten müssen. Und da wir Verbandskommune sind, wie die anderen 70 auch, wird es einen höheren Beitrag für die IT-Sicherheit geben. Wir werden sicherlich auch unser IT-Team personell aufstocken müssen. Wir haben aktuell sechs ITler und einen Auszubildenden. Dass wir seit einiger Zeit ausbilden, hat sich jetzt bewährt.
In konkrete Zahlen fassen lassen sich die Erfordernisse noch nicht. Ich schätze aber, dass wir beim Thema IT-Sicherheit einen fünfstelligen Betrag mehr in die Hand nehmen müssen, um das in Zukunft bewältigen zu können.

Haben Sie aktuell einen Überblick über die Steuern? Die Gewerbesteuer wurde zum 15. November fällig, also nach dem Cyberangriff. Wissen Sie, wer da schon bezahlt hat und wer nicht?
Eine Einsicht haben wir tatsächlich noch nicht. Das ist die Fachanwendung, die uns im Moment als Verwaltung große Bauchschmerzen bereitet, weil wir weder den Haushalt aufstellen können noch die letzten Wochen des vergangenen Jahres wirklich eine Übersicht hatten, wie viel Geld eingeflossen ist und wie viel hätte einfließen müssen.
Das gilt im Übrigen auch für diejenigen, die ein Knöllchen fürs Falschparken bezahlen müssen. Das System speichert die Daten drei Monate, danach gehen sie verloren. Wir haben die drei Monate zwar noch nicht voll, aber es wird zeitlich eng. Wenn das Programm bis Ende Januar nicht anläuft, wird sich der ein oder andere Bürger freuen.
Aber bei der Gewerbesteuer ist das ja ein bisschen was anderes. Hier gehen keine Daten verloren, sodass das Geld früher oder später eingezogen werden wird.

Apropos Steuern: Eine Frage konnten wir bislang nicht klären, weil der Haushalt für 2024/2025 noch nicht eingebracht wurde. Wird es in diesem Jahr Steuererhöhungen geben? Worauf können sich die Schwerterinnen und Schwerter einstellen?
Wir haben seit 2019 stabile Steuersätze, was Grundsteuer und Gewerbesteuer angeht. Unser Ziel ist, dass wir ohne Steuererhöhungen für die nächsten zwei Jahre auskommen und einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Und dabei hilft uns sehr, dass wir die letzten Jahre wirklich sehr gut gewirtschaftet haben.
In der letzten Ratssitzung haben wir den Jahresabschluss für 2022 beschlossen und da haben wir einen Überschuss von über 18 Millionen gehabt. Das heißt, die Stadt Schwerte hat seit vielen, vielen Jahren, ich glaube, seit über zehn Jahren, das erste Mal wieder Eigenkapital aufgebaut – von einem Minus zu einem deutlichen Plus. Und dieses Plus ist insofern wichtig, weil finanziell schwierige Zeiten auf uns zukommen werden.
Das hatten Sie bereits beim Wirtschaftsgespräch 2023 angedeutet – die Finanzen sind ein Thema, das Sie umtreibt.
Wie die finanzielle Situation der Kommunen aussieht, bereitet uns Kopfzerbrechen, ja. Es hat einen Brandbrief fast aller Kommunen in NRW an den Ministerpräsidenten Hendrik Wüst gegeben. Wir sind ziemlich enttäuscht, dass wir von Landesseite, aber natürlich auch vom Bund nicht die finanziellen Mittel erhalten, die wir benötigen für die Arbeit, die wir verrichten.
Und das ist der Knackpunkt: Wir haben in Schwerte sehr gut gewirtschaftet, aber die nächsten Jahre sehen eigentlich vor, dass wir als Kommune nicht auskömmlich bedient werden, um höhere Personalkosten durch die Tarifabschlüsse, höhere Kosten durch Landes- und Bundesgesetzgebung oder die steigende Kreisumlage stemmen zu können.
Und da kann ich nur, wie andere Amtskolleginnen und -kollegen auch, Land und Bund auffordern, endlich die Kommunen finanziell so auszustatten, dass wir die Arbeit hier auch leisten können.

Hätten Sie ein Beispiel?
Ich nehme mal ein Beispiel vom Bund: Da wird eine Wohngeldreform beschlossen, die dazu führt, dass die Stadt Schwerte zwei neue Mitarbeiterinnen beziehungsweise Mitarbeiter einstellen muss. Zwei Personen mehr für die Bearbeitung der Wohngeldangelegenheiten bedeutet für eine Stadt wie Schwerte knapp 140.000 Euro mehr Ausgaben im Jahr – ohne dass auf der anderen Seite Geld zur Verfügung gestellt wird.
Das kann man auf Dauer nicht bewältigen, wenn man nicht irgendwann die Steuern erhöht; oder, wie in unserem Fall, Rücklagen hat, um das aufbringen zu können. Land und Bund müssen in den nächsten Jahren ihrer Verantwortung gerecht werden.

Der Haushalt soll, wenn man den Sitzungsverlauf so beibehalten kann, im Februar eingebracht werden. Was heißt das für laufende und kommende Projekte?
Solange wir keinen Haushalt eingebracht und genehmigt bekommen haben, werden wir keine neuen Projekte starten können. Die Projekte, die schon gestartet sind, laufen auch ganz normal weiter, wie der Marktplatz-Umbau und die Schulbauten. Bei den Projekten, die neu starten, haben wir aber definitiv eine Verzögerung von zwei, drei Monaten.
Welche wären das?
Wir hatten zum Beispiel geplant, die Stromversorgung im Stadtpark und Trinkwasserbrunnen im Stadtgebiet zu installieren. Beide Maßnahmen können nun nicht so zügig wie geplant umgesetzt werden.

Blicken wir aufs neue Jahr. Welche sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten drei Projekte, die man in diesem Jahr vollenden könnte?
Es sind mehr, aber ich starte mal mit dem Marktplatz. Wir sind im Zeitplan und der Zeitplan sieht vor, dass wir im Sommer fertig werden. Stand heute gehen wir davon aus, dass das gelingt. Im Anschluss daran werden wir den Kleinen Markt angehen, der dann aber erst nächstes Jahr fertig wird. Zum Verständnis: Der Kleine Markt ist ein zweiter Bauabschnitt. Dementsprechend ist er gebunden an den Haushalt 2024/2025. Aber das Gesamtprojekt ist ja von der Politik schon beschlossen worden, und die verspätete Haushaltseinbringung hat insofern nichts damit zu tun, weil wir sowieso erst nach dem Sommer starten. Bis dahin wird der Haushalt beschlossen sein.
Wir haben ein zweites Projekt in Wandhofen, das Sportzentrum. Auch dort kommen wir gut voran, wollen das im Herbst dieses Jahres abschließen. Wir werden sehen, ob wir alle Gewerke auch rechtzeitig vergeben können, aber das hat bis jetzt gut funktioniert, anders als beim Vereinsheim in Geisecke. Das hätten wir ansonsten schon im vergangenen Jahr fertigstellen können. Außerdem sind wir optimistisch mit Blick auf die neue Kita in Wandhofen – ein gutes Jahr für den Stadtteil, wenn man so will. Da wird sich infrastrukturell eine Menge zum Positiven verändern.
Und wir haben den Neubau der Albert-Schweizer-Schule. Es sind die Bildungs- und Stadtplanungsprojekte, die in diesem Jahr anstehen. Das freut mich ganz besonders.

Und am Bahnhof springt einen die große Anzeigentafel für das neue Parkleitsystem an.
Genau. Das wird spätestens im Februar an den Start gehen. Wir werden noch ein paar Wochen benötigen, um das Ganze zu testen. Und dann wird es sicherlich im Frühjahr die offizielle Eröffnung geben. Es kann sein, dass die Testphase schon wunderbar funktioniert und man den Übergang gar nicht merkt. Und dann wird es auch eine kleine Feierstunde geben – wobei ich nicht weiß, wie die bei so einem speziellen Projekt aussehen wird (lacht).
Kurzer Rückblick auf 2023: Was konnte die Stadt erreichen?
Wir haben es geschafft, in den neuen Gewerbegebieten und auf dem Hoeschgelände neue Arbeitsplätze zu schaffen, alte zu sichern und Menschen wieder in Lohn und Brot zu bringen. Darauf bin ich schon sehr stolz. Und auf der anderen Seite sind wir eben auch sozial unterwegs, kämpfen mit Projekten etwa gegen Einsamkeit im Alter, unterstützen die Vereine. Wir versuchen immer, Wirtschaftlichkeit und Soziales miteinander zu verbinden, was uns meiner Meinung nach gut gelingt.
Das zweite große Thema aus dem vergangenen Jahr sind die Investitionen in die Spielplätze. Uns liegt die Familienfreundlichkeit dieser Stadt sehr am Herzen, nicht nur in Kitas, der OGS oder in Schulen, sondern eben auch in der Freizeitgestaltung der Kinder und Jugendlichen. Wir haben beispielsweise den Spielplatz an der Lichtendorfer Straße und einige Bolzplätze neu errichtet.
Ein großes Bauprojekt, das abgeschlossen werden konnte, ist der neue Sportplatz am Friedrich-Bährens-Gymnasium und an der Albert-Schweitzer-Schule, der aus meiner Sicht echt gut aussieht. Da haben wir viel Geld reingesteckt, aber das sind eben die Zukunftsinvestitionen für unsere Kinder und Jugendlichen, für das Bildungssystem, das wir benötigen. Dafür nehmen wir die Steuern ja auch ein und setzen damit Schwerpunkte.

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