Lothar Baltrusch (r.) und Michail Gorbatschow

Als Praktikant bei Radio Bonn/Rhein-Sieg traf Lothar Baltrusch (r.) 1992 den sowjetischen Staatspräsidenten Michail Gorbatschow auf dem Petersberg. Das später signierte Foto verkauft der Antenne-Unna-Moderator jetzt mit allen Schätzen seiner Autogrammsammlung. © Lothar Baltrusch

Sein kürzestes Interview: Lothar Baltrusch sprach mit Michail Gorbatschow

rnAntenne-Unna-Moderator

Als Praktikant erkämpfte er sich den Termin auf dem Petersberg. Lothar Baltrusch erzählt, wie es ihm damals gelang, Michail Gorbatschow vor sein Mikrofon zu holen.

Schwerte, Unna, Kamen

, 02.09.2022, 17:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Es war sein kürzestes Interview in seiner langen Radio-Karriere. „Komplett sechs Sekunden lang“, sagt Lothar Baltrusch (60). Aber es ist die originale Stimme von Michail Gorbatschow, die der Antenne-Unna-Moderator auf dem Tonband für sich verewigte.

Die Stimme des Friedensnobelpreisträgers und Vaters der Deutschen Einheit, der am Dienstag (30.8.) im Alter von 91 Jahren gestorben ist. Und diese Aufzeichnung hütet der Journalist, der 20 Jahre lang in Schwerte gelebt und unzählige Pannekauken-Feste mit moderiert hat, noch immer.

Die Redakteure von Radio Bonn interessierten sich nur für die Kirmes

Lothar Baltrusch war gerade bei Antenne Unna gestartet, als er im Jahre 1992 seine Fähigkeiten bei einem Praktikum bei Radio Bonn/Rhein-Sieg erweitern wollte. „Morgens hatten wir Redaktionskonferenz“, erinnert er sich genau an jenen ersten Höhepunkt seiner Berufslaufbahn.

Danach sah es bei der Verteilung der Termine aber noch gar nicht aus. Dass Michail Gorbatschow zur Unterzeichnung des Europa-Dialogs auf dem nahen Petersberg erwartet wurde, war den Redakteuren ziemlich schnuppe. Ihr Interesse galt der Eröffnung der Bonner Kirmes.

Autogramme von Michail Gorbatschow

Außer dem Foto vom Petersberg schickte Lothar Baltrusch später noch weitere Bilder und sogar Bücher mit der Bitte um Signatur an den Gorbatschow Fond in Moskau. Alle kamen mit der Unterschrift des Staatschefs zurück und sind jetzt bei Ebay zu ersteigern. © Lothar Baltrusch

Doch der Praktikant ließ nicht locker. Er fasste sich ein Herz und ging geradewegs zum Chef von Dienst. „Gorbatschow ist da“, sagte er: „Kann ich da nicht hin?“ Er bekam das Okay und machte sich mit dem großen Tonbandgerät auf den Weg zum Petersberg-Hotel, dem Gästehaus der Bundesregierung.

„Da war es ähnlich wie im großen Freischützsaal“, berichtet der 60-Jährige. Auf der Bühne stand ein langer Tisch, an dem die Mächtigen versammelt waren: Michail Gorbatschow und seine Ehefrau Raissa, Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth, Außenminister Hans-Dietrich Genscher und daneben der einflussreiche Medienmanager Josef von Ferenczy: „Sie sollten den Europa-Dialog unterschreiben.“

Das Interview bestand aus vier Worten

Das Medieninteresse vor Ort war enorm. Als die Ehrengäste die Bühne verließen, wurden sie gleich von einem Pulk umringt. „Es waren ein paar Hundert Leute dabei“, erzählt Lothar Baltrusch. Trotzdem wollte er unbedingt zu Michail Gorbatschow, drängelte sich durch.

Unterwegs schnappte er sich ein blaues Papier, die Tagesordnung des Europa-Dialogs, um es dem Sowjet-Präsidenten hinzustrecken – mit Erfolg: „Sie haben es unterschrieben: Gorbatschow, seine Frau Raissa und Ferenczy.“ Im Hintergrund hörte er derweil unablässig die Kameras der Pressemeute klicken.

Lothar Baltrusch (r.) und Jörg Przystow

Jahrelang moderierte Lothar Baltrusch (r.) zusammen mit Jörg Przystow (l.) ehrenamtlich das Pannekauken-Fest, hier bei ihrer Premiere im September 2008. © Oskar Neubauer (A.)

Das machte den jungen Praktikanten noch mutiger. „Jetzt machst du auch noch ein Interview“, dachte er sich und postierte sich strategisch vor der Haupteingangstür. Als der Präsident der Sowjetunion mit seinem Gefolge tatsächlich dort vorbeikam, hatte Lothar Baltrusch noch nicht einmal eine Interviewfrage im Kopf.

„Mr. Gorbatschow, I have a question“, rief er trotzdem und hielt sein Mikrofon hin. Das konnte nur ein „Avanti, avanti“ einfangen und irgendetwas, das wie „Wiet-wiet“ klingt. Das war’s: „Dann drückte mich ein Bodyguard zur Seite.“

Jetzt trennt sich Lothar Baltrusch von seiner Autogrammsammlung

Lothar Baltrusch gelang es noch, den Fotografen ausfindig zu machen, der ihn beim Autogrammsammeln aufgenommen hatte. „Kann ich das Bild haben?“, bat er und drückte ihm seine Visitenkarte in die Hand.

Tatsächlich kam später ein Brief mit zwei Dias und der Bitte, dafür 20 Mark zu überweisen: „Daraus wurden Fotos, die ich Jahre später an die Gorbatschow Foundation schickte.“ Sie kamen mit der gewünschten Unterschrift aus Moskau zurück – genauso wie anschließend weitere Fotos und sogar Bücher, die Michail Gorbatschow signierte.

Autogramme von Michail Gorbatschow, seiner Ehefrau Raissa und dem Medienmanager Josef von Ferenczy

Die Autogramme von Michail Gorbatschow, seiner Ehefrau Raissa und des Medienmanagers Josef von Ferenczy ergatterte Lothar Baltrusch 1992 bei dem Interview auf dem Petersberg in Königswinter. © Lothar Baltrusch

„Dem verdanken wir die Deutsche Einheit und dass es keinen dritten Weltkrieg gab“, sagt der heutige Kamener Lothar Baltrusch. Dass der große Staatschef sterben würde, hatte er noch nicht geahnt, als er am Wochenende beschloss, sich von seiner kompletten Autogrammsammlung zu trennen und sie ins Internetportal Ebay einzustellen: „Aber die Erinnerung, Gorbi getroffen zu haben, bleibt im Kopf.“

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