
© Lothar Baltrusch
Ermittler aus Schwerte stürmten für Schimanski ins Bordell
50 Jahre Tatort
Seit 50 Jahren ist am Sonntagabend Tatort-Zeit. In einigen Folgen haben Schwerter mitgespielt, die Ruhrstadt wurde selbst zum Schauplatz. Am letzten Tag des Jubiläumsjahres haben wir für Sie die alten Geschichten rausgekramt.
Das Taxi nach Leipzig stand nicht im Stau am Westhofener Kreuz. Der Hamburger Fernseh-Kommissar Paul Trimmel (Walter Richter) nahm den direkten Weg über die Zonengrenze in die DDR, als er im November 1970 die „Tatort“-Reihe im ARD-Programm eröffnete. Wer weiß, vielleicht hätte er beim Umweg über die Ruhrstadt auch nicht seine Ermittlungen in den fernsehgerechten 90 Minuten abschließen können.
In den folgenden 50 Jahren des Erfolgskrimis fand das Drehteam aber doch noch nach Schwerte. Die Filmemacher holten sogar mehrfach Schwerter Bürger für Nebenrollen vor die Kamera – sogar an der Seite von Kult-Fernsehkommissar Horst Schimanski (Götz George).

Den „Pfleger in Blau" spielte der Schwerter Swen Scholz als Komparse im Dortmund-Tatort „Inferno“. © Swen Scholz
Als der in den 1980er-Jahren fluchend und schmuddelig seine Fälle in Duisburg löste, saß Swen Scholz noch jedes Mal neben seinem Vater vor dem dicken Röhren-Bildschirm und fieberte mit. Damals konnte er nicht ahnen, dass er einmal selbst vor einem Millionen-Krimipublikum mit dabei wäre.
Für den Krankenpfleger für Anästhesie und Intensivmedizin am Klinikum Dortmund wurde es zum Glücksfall, dass ein Dortmund-Tatort ausgerechnet an seinem Arbeitsplatz aufgezeichnet werden sollte. Als dort per Aufruf Komparsen für die Folge „Inferno“ (ausgestrahlt 2019) gesucht wurden, brauchte er nicht zweimal nachzudenken. Er meldete sich – und erhielt die Rolle als „Pfleger in Blau“, in der er eigentlich sich selbst spielen konnte.
Gleich die erste Szene mit dem Dortmunder Kommissar Faber
Sein großer Auftritt kam gleich in der ersten Szene, als Fernseh-Kommissar Peter Faber (Jörg Hartmann) auf der Trage in die Notaufnahme gebracht wurde. Beim Herausgehen kam ihm auch noch dessen Co-Fahnderin Martina Bönisch (Anna Schudt) entgegen. Später huschte der Schwerter noch einmal mit einer Nierenschale durchs Bild und telefonierte hinter einer Glaskanzel mit irgendjemandem, den man nie sah.

Die Justizvollzugsanstalt Ergste wurde 2016 zur Kulisse für den Dortmund-Tatort „Zahltag“. © Bernd Paulitschke
Großformatig ins Bild gekommen ist dagegen die Justizvollzugsanstalt Ergste im Dortmunder Tatort „Zahltag“ (2016) – allerdings nur von außen. Laut knatternd, fuhr eine Rocker-Gang vor dem schweren Eingangstor vor. Die Mitglieder des fiktiven Clubs „Miners“ wollten – so die Story – ihren Präsidenten abholen, der eine zehnmonatige Strafe in der Zelle abgesessen hatte. Viele andere Gefängnisse hatten es abgelehnt, als Kulisse zu dienen. In Ergste dagegen wurde das Ermittlerteam Faber mit offenen Armen empfangen.
Lothar Baltrusch wurde für Schimi zum Rocker
Wer auf der B236 am Abzweig zum Gefängnis vorbeifuhr, wunderte sich im Februar 2016 über den riesigen Auflauf. Mit zehn Lkw war das Produktionsteam am Morgen angereist – pickepackevoll mit Kameras, Kabeln, Licht und Tonausrüstung sowie Monitoren. Auch mehrere Pavillons wurden ausgepackt und auf dem Parkplatzgelände für die 35 Techniker und fünf Schauspieler verteilt. Bis zum Nachmittag dauerte es, bis drei Sequenzen so oft wiederholt waren, dass der Regisseur mit dem Ergebnis zufrieden war.

Im Schimanski-Krimi „Schuld und Sühne" (2011) waren Lothar Baltrusch (l.) und Jörg Przystow (r.) als Kriminalisten an der Seite von Götz George zu erleben. © Lothar Baltrusch
In eine Leder-Kutte zwängte sich Lothar Baltrusch für seinen großen Fernseh-Auftritt. Eigentlich kennt man nur die Stimme des Antenna-Unna-Moderators, der von 2000 bis 2015 in Schwerte wohnte. Aber im Schimanski-Film „Rattennest“ (1998) sieht man ihn auf dem Bildschirm – nur einen halben Schritt hinter dem Kult-Ermittler, der zu diesem Zeitpunkt seine TV-Karriere als Hauptkommissar an den Hut gehängt hatte und als Privatermittler zum Mittelpunkt einer eigenen Film-Reihe geworden war.
Lothar Baltrusch und ein paar weitere Rocker – so das Drehbuch für die Szene – sind vorgefahren, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren. Ihr Geschenk, eine Tüte mit einer Lederjacke, schwenkt Schimanski in der Kneipe seiner Freundin, die in Wirklichkeit gar nicht in Duisburg, sondern irgendwo am Kanal in Essen stand.
Ein Freund von Götz George stellte den Kontakt her
Einmal Blut geleckt, sollte es nicht bei diesem einzigen Auftritt bleiben. „Ich habe zweimal bei Schimi mitgespielt“, erzählt Lothar Baltrusch. Im Jahr 2011 brachte er für den Dreh von „Schimanski: Schuld und Sühne“ sogar noch Verstärkung von einem Ermittlungsprofi mit. Zusammen mit dem Schwerter Hauptkommissar Jörg Przystow wirkte er als Statist in dem Fall mit, bei dem es um den Selbstmord eines Polizisten ging.
Eine heiße Spur – so die Story – führte ins Drogen- und Rotlicht-Milieu. In Polizei-Uniformen aus dem Film-Fundus sind die beiden Schwerter dabei, als ein Duisburger Puff durchsucht wird. Die eiserne Regel dabei: nicht auf Götz George gucken und nicht in die Kamera.

Der WDR drehte 2016 vor der JVU in Schwerte-Ergste für den Tatort eine Rocker-Szene. © Bernd Paulitschke
Die unvergesslichen Momente verdankt Lothar Baltrusch einem Zufall. Heute würde man vielleicht auch nur sagen, er war außerordentlich gut vernetzt. Denn der 58-Jährige kannte vom Motorradfahren mit der Harley den Unnaer Taxifahrer Theo Vogt, der wiederum mit Schimi-Darsteller Götz George befreundet war. „Als 1992 der Film ,Schtonk´ in Fröndenberg gedreht wurde, brachte er ihn regelmäßig zum Hotel und zum Drehort“, erzählt er.
Der Taxifahrer sei außerdem Bodyguard und Journalisten-Fernhalter gewesen. Doch auf Bitte fragte er den Star: „Ich hab´ einen Kumpel, der ist Journalist bei Antenne Unna...“. So bekam Lothar Baltrusch nicht nur eines der wenigen Interviews, die Götz George damals gab, sondern auch dessen Film-Personalausweis und kultige Schlabberjacke.
Die leisteten Jahre später noch Gutes. Die Fan-Devotionalien wurden versteigert, als Lothar Baltrusch 2016 seine Mofa-Reise „Way of Ella“ durch die USA unternahm, um Kinder in Vietnam zu unterstützen.
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
