Tägliche Tests selbst für immunisierte Mitarbeiter - und auch für Eltern, deren Kinder zum Arzt müssen? Die Bundesregierung hat mit den Änderungen zum Infektionsschutzgesetz für  Aufruhr gesorgt. Jetzt rudert das Land NRW zurück.

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Schwerter Kinderarzt zum Hin und Her beim Infektionsschutzgesetz: „Heilloses Chaos“

rnTestpflicht in Praxen

Das neue Infektionsschutzgesetz besagte, dass geimpfte Eltern nur mit Test in die Kinderarztpraxis dürfen. Auch Schwerter Ärzte liefen dagegen Sturm. Jetzt rudert die Regierung zurück. Wie ist der Stand der Dinge?

Schwerte

, 25.11.2021, 10:53 Uhr / Lesedauer: 2 min

Eigentlich hat Heinrich Wiggermann gar keine Zeit für ein Gespräch. In der Sprechstunde, sagt der Schwerter Kinderarzt, sei es „sehr drubbelig“. Trotzdem findet er am Donnerstagmorgen (25.11.) Zeit, kurz auf unsere Anfrage zu antworten.

„Eigentlich kann ich zu der Situation gar nichts Verbindliches sagen, denn sie ändert sich stündlich“, teilt er um kurz nach acht Uhr mit. Es geht um die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes, die am Tag zuvor, am Mittwoch (24.11.) in Kraft getreten sind.

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Demnach müsste sich auch das Personal in Arztpraxen – selbst wenn dieses bereits dreimal geimpft ist – täglich testen lassen. Auch Eltern, die ihre Kinder zum Kinderarzt begleiten, müssten sich vor dem Betreten der Praxis testen lassen – entweder in einem Schnelltestzentrum oder vor der Praxis.

Neues Gesetz hatte Sturm der Entrüstung entfacht

Das Gesetz hatte einen Sturm der Entrüstung entfacht – nicht nur bei Ärzten, sondern auch bei den Kassenärztlichen Vereinigungen. Stand Donnerstag (25.11.) hatte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) auf ihrer Homepage mitgeteilt, dass bereits mehrere Bundesländer die Umsetzung der Regelung gestoppt hätten.

Der Vorstand habe in einem Schreiben darauf hingewiesen, dass „die überstürzt und ohne Diskussion mit der Ärzteschaft eingeführten Regelungen“ insbesondere durch die Knappheit von Tests nicht umsetzbar seien und in den Arztpraxen zu einer Gefährdung der in der Pandemie unbedingt sicherzustellenden Arbeitsabläufe führten.

Arzt spricht von „unzumutbaren Zuständen“

Heinrich Wiggermann bekräftigte am Donnerstagmorgen ebenfalls, dass es viel zu wenig Tests gebe. „Einige Praxen haben bereits für sich gesagt, wenn das so bleibt, dann werden die Praxen eben geschlossen.“ Vonseiten der Bundesregierung herrsche „heilloses Chaos an allen Fronten“.

Kinderarzt Heinrich Wiggermann aus Schwerte. Der Arzt hatte "heilloses Chaos an allen Fronten" kritisiert.

Kinderarzt Heinrich Wiggermann aus Schwerte. Der Arzt wurde deutlich: „heilloses Chaos an allen Fronten“. © privat

Allein um die Angestellten zu testen, sei der Nachschub an Tests weder geregelt noch gesichert – und auch nicht die Finanzierung. „Die Preise werden sich vervielfachen“, hatte der Schwerter Arzt gesagt. „Das können sich die Praxen gar nicht leisten.“ Der Arzt sprach von einem „unzumutbaren Zustand“.

KBV: „Irrsinnige Regelungen“

Die KBV hatte gegenüber den „PraxisNachrichten“ geäußert, dass die Arztpraxen bereit seien, diejenigen Personen täglich zu testen, die nicht geimpft oder genesen seien. „Was derzeit aber nicht geht, sind angesichts der Knappheit der Tests darüber hinausgehende Testpflichten, die die Versorgung vor Ort beeinträchtigen.“ Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KBV, Dr. Stephan Hofmeister, sprach in dem Zusammenhang von „irrsinnigen Regelungen“.

Der gemeinsame Protest hat offenbar Wirkung gezeigt: Stunden später ruderte das Landes-Gesundheitsministerium zurück. Wie die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) am Donnerstagvormittag mitteilt, hat das Gesundheitsministerium des Landes NRW (MAGS) nun auf die Kritik von Ärzten, Berufsverbänden und der KVWL reagiert.

Bei Begleitpersonen von Patienten zum Beispiel in Kinderarztpraxen oder von unterstützungsbedürftigen Patienten handele es sich laut MAGS „nicht um Besucher im Sinne der neuen Gesetzesregelung“. Erforderliche Begleitpersonen wie zum Beispiel Eltern oder Betreuer seien vielmehr den behandelten und betreuten Personen im Sinne der Gesetzesregelung gleichzusetzen. „Für sie gelten daher die gleichen Test- und Hygieneanforderungen wie für Patienten.“ Auch beim Personal reiche es aus, immunisierte Mitarbeiter zweimal wöchentlich zu testen.

Eine Stunde vor der Entscheidung hatte sich Heinrich Wiggermann mit Prognosen noch zurückgehalten: „Wie sich der Sachstand entwickelt, bleibt abzuwarten.“ Über die Entscheidung des Landes NRW werden sich jetzt nicht nur die Mitarbeiter der Schwerter Arztpraxen freuen.