Günstiges Fleisch in Krisenzeiten Vor 125 Jahren gründeten Kaninchenzüchter einen Verein

Vor 125 Jahren gründeten Schwertes Kaninchenzüchter einen Verein
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Die Kaninchenzüchter und der Lokaljournalismus: Das war lange Jahre eine viel belächelte Einheit. Wer für den Lokalteil schreibt, der muss auch zu Sitzungen von Kaninchenzüchtern, schallte einem von so manchem Zeitgenossen entgegen.

Doch die Kaninchenzüchter kommen gar nicht so oft im Lokalteil vor. Dabei gehören der Stallhase und seine Züchter zur Geschichte der Stadt und der des Ruhrgebiets im Besonderen.

W für Westfalen

125 Jahre ist es her, dass sich die Kaninchenzüchter in Schwerte zu einem Verein zusammenschlossen. Das war im Januar 1898. Der offizielle Name: Kaninchenzuchtverein W 390 Schwerte. Das „W“ steht für Westfalen, dazu kommt die Vereinsnummer 390. Der Jahresbeitrag betrug damals 2 Euro und schon am Jahresende hatte man 3.905 Mark in der Kasse.

Ein Grund für den Zusammenschluss der Kaninchenzüchter: Gleich im Gründungsjahr schaffte man sich einen „Vereinsrammler“ an. Und weil man damals die Kaninchen noch hauptsächlich als günstige Fleischversorgung sah, wählte man einen Belgischen Riesen, eine ausnehmend große Kaninchenrasse. Erbarmen gab es übrigens auch nicht: Wenn der Zuchtrammler keine Leistung mehr brachte, wurde er an ein Vereinsmitglied zu einem Preis von 3 Euro zum Schlachten verkauft.

Auch wenn schon immer die Kaninchenschauen zum Kern des Vereinswesens gehörten, bis weit nach dem Krieg war die Fleischversorgung für die meisten Züchter der Hauptantrieb. In der Nazi-Zeit waren die sogenannten Sportrassen, also Kaninchen, deren Zucht nicht der Fell-, Fleisch- oder Wollerzeugung dienten, sogar verboten.

Bis 1945 brachte man bei jeder Versammlung zum Abschluss ein „Sieg Heil“ auf Führung und Vaterland aus. Doch auch nach dem Krieg mischte sich die Politik wieder in das Vereinsleben ein. Denn jetzt durften Kaninchen, die ihren Ursprung in der Russischen Zone hatten, im Westen bei Ausstellungen nicht mehr bewertet werden. Der Kampf der Systeme hatte auch in der Kaninchenzucht seinen Widerhall.

Auch mal mit Meerschweinchen

Überhaupt war die Zucht von Kaninchen nach dem Krieg weiterhin in erster Linie eine Frage der Daseinsvorsorge. Erst später, bei einem Radiointerview in den 80ern bekannte der langjährige Vereinsvorsitzende Hans-Günther Zeuch, dass er seine Kaninchen nicht schlachten könnte. Überhaupt konnte man längst den Nachwuchs nicht mehr mit der Aussicht auf Kaninchenbraten begeistern. Dafür nahm man ins Ausstellungsprogramm auch schon mal Meerschweinchen mit auf, die vor allem bei Kindern und Jugendlichen beliebt sind.

Dimitrios Axourgos und Hans-Dieter Degwer
Bürgermeister Dimitrios Axourgos gratulierte zum Vereinsjubiläum und überreichte dem Vorsitzenden Hans-Dieter Degwer eine Urkunde der Stadt Schwerte. © Ingo Rous, Stadt Schwerte

Doch die Suche nach Nachwuchs bleibt für den Verein schwierig. Dennoch gehört die Vereinigung der Schwerter Kaninchenzüchter noch zu den größeren Vereinen in der Region. 28 Mitglieder und ein Jugendgruppenmitglied sind gelistet. „Darunter aber auch einige, die keine eigenen Kaninchen mehr haben“, berichtet Hans-Dieter Degwer. Er hatte vom Langzeitvorsitzenden Zeuch im Jahre 2008 das Amt übernommen.

Das 125-jährige Bestehen feierte man mit Gästen, zum Beispiel mit Bürgermeister Dimitrios Axourgos. Der lobte: Der Rassekaninchen-Zuchtverein sei ein aktiver Bestandteil des Schwerter Vereinslebens. „Garanten für die Erfüllung der eigenen Ansprüche sind die Menschen, die an verantwortlicher Stelle mit Freude und Begeisterung ihre Aufgaben wahrnehmen“, sagte der Bürgermeister.

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