
© Wolfgang Güttler
Pannenserie im ersten Intercity: Schwerter erlebte abenteuerliche Reise
Deutsche Bahn
Abenteuer pur in der zweiten Klasse. Anders kann man das nicht nennen, was Wolfgang Güttler aus Schwerte im Premieren-Intercity nach Norddeich erlebte. Die einstündige Verspätung war noch das Harmloseste.
Verspätung, kaputte Steuerung, vorzeitiges Aussteigen: Mittendrin in dieser Serie von Pleiten, Pech und Pannen saß Wolfgang Güttler, der sich auf die Fahrt mit dem ersten Intercity gefreut hatte, der die Ruhrstadt wieder ans Fernverkehrsnetz der Deutschen Bahn anbinden sollte. Hier berichtet der Eisenbahnfreund:
Ab Dezember wird die Zugverbindung täglich angeboten
Wie kommt man am bequemsten von Schwerte in das ostfriesische Leer? Natürlich mit der Bahn. Am vergangenen Samstag (3. Juli) hielt zum ersten Mal planmäßig ein Intercity (IC) im Schwerter Bahnhof, der von Frankfurt kommend das Ziel Norddeich-Mole an der Nordsee ansteuerte.
Ab dem Fahrplanwechsel im Dezember wird die Deutsche Bahn AG eine tägliche IC-Verbindung an die Nordseeküste anbieten, die jetzt, in der Ferienzeit, an Wochenenden erprobt wird. Zukünftige Zustiege in Fernverkehrszüge in Schwerte – das ist doch was!

Wolfgang Güttler ist ein eingefleischter Eisenbahnfan und gehört den Schwerter Eisenbahnfreunden an. Er fährt nicht nur gerne Zug, sondern bastelt in seinem Keller auch wunderschöne Modellbahn-Szenerien. © Reinhard Schmitz
Ohne umzusteigen von Schwerte nach Leer, das wollte ich mir als Eisenbahnfreund nicht entgehen lassen. Die Fahrkarte für diesen „IC 2220“ war schnell gebucht. Die Reise konnte also beginnen. Abfahrt Schwerte auf Gleis 3 um 12:59 Uhr. Los geht`s.
Ankunft in Schwerte schon mit zehnminütiger Verspätung
Die Anzeigetafel auf dem Schwerter Bahnhof zeigt eine zehnminütige Verspätung an. Nun ja, das geht ja noch. Um 13.09 Uhr fährt der Zug, Steuerwagen voraus, in Schwerte ein. Am Ende des Zuges die Lok 101-077-6.
Die Zuglaufschilder an den Türen weisen den Zug allerdings als „FD-Zug“ (Fernschnellzug, d. Red.) mit der Bezeichnung „Lennetal“ aus. Eine Zuggattung, die von der Deutschen Bundesbahn 1983 eingeführt wurde und einen Fernexpress bezeichnet. Immerhin sind fast alle Stationen verzeichnet, an denen der Zug hält.

Auf den Schildern an den Waggons war der Intercity als Fernschnellzug "FD" deklariert, den es mal zu Bundesbahnzeiten gab. © Wolfgang Güttler
Ich nehme Platz in einem Waggon mit Großraumabteil. Als der Zug Schwerte verlässt, unterhalten sich zwei Fahrgäste, warum hier eigentlich gehalten wird. Schwerte, das kennt doch kein Mensch. Sehr schnell kann ich die beiden davon überzeugen, wie wichtig der Schwerter Eisenbahnknoten bis heute ist und dass hier zur Dampflokzeit in einem Ausbesserungswerk fast 44.000 Lokomotiven repariert wurden.
Ich überreiche den „Ungläubigen“ noch eine Postkarte, die die Eisenbahnfreunde Schwerte anlässlich der Einweihung der zerschossenen Portalstütze zwei Tage zuvor auf dem Bahnhofsvorplatz haben drucken lassen – mit wichtigen Daten zur Schwerter Eisenbahngeschichte.
Schon in Münster war der Steuerwagen für den Lokführer kaputt
In flotter Fahrt steuert der IC den Bahnhof Hamm an, muss aber vor seiner Fahrt an den Bahnsteig noch 5 Minuten vor einem roten Signal ausharren. Als der Zug endlich am Bahnsteig zum Stehen kommt, ertönt über die Lautsprecher folgende Durchsage: „Verehrte Fahrgäste. Unser Steuerwagen (der Waggon mit dem Führerstand, d. Red.) ist defekt.
Wir müssen jetzt die Lok von hinten nach vorne rangieren. Dieser Vorgang wird voraussichtlich 45 Minuten dauern. Ihre nächste Reisemöglichkeit Richtung Emden ist der Regionalexpress nach Münster, in wenigen Minuten von Gleis 4. Ab Münster nehmen Sie die Westfalenbahn nach Emden. Von dort haben Sie Anschluss nach Norddeich-Mole.“

Das Rangiermanöver hatte geklappt: Nachdem die Lok in Hamm wegen einer technischen Störung vom Zugende an dessen Anfang umgesetzt worden war, erreichte der Premieren-IC mit 60 Minuten Verspätung den Hauptbahnhof in Münster. © Wolfgang Güttler
Ich steige aus, führe aber noch ein Gespräch mit dem Zugführer. Er teilt mir mit, dass es nach dem Umsetzen der Lok keineswegs sicher ist, dass der IC seine Fahrt fortsetzen kann. Es könne auch sein, dass der Zug komplett ausfällt, wenn es beim Wechseln der Lok zu weiteren Schwierigkeiten kommt.
Zur Weiterfahrt lieber in den Bummelzug umgestiegen
Also: Umsteigen! Die meisten Fahrgäste folgen dem Rat des Bordpersonals. Wenige Minuten später sitze ich im Zug nach Münster. Ankunft 14.25 Uhr. Die Westfalenbahn nach Emden fährt dort um 15.05 Uhr weiter. Genügend Zeit zum Umsteigen. Aber auch Zeit zum Grübeln. Wenn das Rangieren in Hamm innerhalb von 45 Minuten geklappt hat, müsste jetzt der IC 2220 bereits auf dem Weg nach Münster sein.
Mit einer Verspätung von rund 60 Minuten wäre die Ankunft um 14.55 Uhr. Der IC könnte dann 10 Minuten vor der Westfalenbahn in Richtung Emden starten. Ein Blick auf die Abfahrtsanzeige verrät: Der „IC Lennetal“ ist unterwegs, und die planmäßige Abfahrt in Münster, die für 13.55 Uhr vorgesehen war, erfolgt jetzt eine Stunde später.

Geschafft: Mit einstündiger Verspätung kam der Premieren-IC aus Schwerte schließlich am Bahnhof in Leer an, dem Ziel von Wolfgang Güttler. © Wolfgang Güttler
Als der Zug in Münster einfährt, befindet sich die Lok an der Zugspitze und hinter ihr der defekte Steuerwagen. Natürlich halte ich diesen Augenblick mit meiner Kamera fest, denn eine ziehende Lok ist für ein Eisenbahnfoto immer besser als ein geschobener Steuerwagen.
Ich nehme also wieder Platz in dem Zug, der mich bereits von Schwerte nach Hamm brachte. Einige Fahrgäste, die den IC in Hamm ebenfalls verlassen hatten, steigen jetzt auch wieder zu. Es ist, als hätten wir unseren „verlorenen“ IC wiedergefunden. Bis Leer ist ein Aufholen der Verspätung leider nicht möglich. So erreiche ich mein Ziel eine Stunde später als vorgesehen.
Für den Eisenbahnfreund war der Weg das Ziel
Da es der erste planmäßige IC war, der eine Fahrt von Schwerte umsteigefrei an die Nordsee ermöglicht, bleibt zu hoffen, dass die nächsten Züge pünktlich und ohne Komplikationen ihr Ziel erreichen. Für mich als Eisenbahnfreund war der Weg das Ziel. Und trotz der Verspätung: Bahnfahren ist wesentlich angenehmer als Autofahren.
Fahrtage und -Zeiten
- Der Intercity nach Norddeich Mole verkehrt in diesem Sommer noch viermal.
- Fahrtage sind: 20. August (Freitag), 21. August (Samstag), 27. August (Freitag) und 28. August (Samstag).
- Die fahrplanmäßige Abfahrt im Bahnhof Schwerte ist jeweils um 12.59 Uhr, die fahrplanmäßige Ankunft in Norddeich Mole um 16.49 Uhr.
- Ab dem Fahrplanwechsel Mitte Dezember will die Deutsche Bahn die Zugverbindung mit dem Intercity täglich anbieten. Dabei kommen dann auch neue, doppelstöckige Züge mit 468 Sitzplätzen zum Einsatz.
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
