
© Reinhard Schmitz
Im Video: Riesiger Dachträger wird auf Bahnhofsvorplatz montiert – aber ein Dach gibt es nicht
Bahnhof Schwerte
Spektakulär war die Aktion auf dem Bahnhofsvorplatz: Ein Mobilkran hievte einen großen Dachträger auf sein Fundament. Er ist aber nicht für den Wetterschutz, sondern hat eine andere Funktion.
Ein einzelner Dachpfeiler? Ein bisschen wenig, um den Bahnhofsvorplatz um den fehlenden Wetterschutz für die Reisenden zu ergänzen, die von den Zügen in Richtung Bushaltestellen hetzen. Doch noch mehr eiserne Stützen werden nicht in das Pflaster eingelassen. Der 1,5 Tonnen schwere Stahlkoloss bleibt ein Solitär.
Er wird nie wieder ein Dach tragen. Er ist ein Denkmal für die Eisenbahngeschichte und ein Mahnmal für einen der schlimmsten Tage der Stadt: Den todbringenden alliierten Luftangriff auf den Rangierbahnhof und das Nickelwerk, der am 31. Mai 1944 an die 300 Menschenleben vernichtete.
„Das sind die Einschüsse der Bordgeschütze“, sagt Wolfgang Güttler von den Eisenbahnfreunden, während er seinen Daumen durch Löcher in dem massiven Stahl schiebt. Andere Kerben haben die Splitter detonierender Fliegerbomben in die Doppel-T-Profile gerissen.
Eigentümlicherweise sind die Schäden bei Renovierungen nie zugeschweißt worden, sodass sie wohl wie kein anderer Sachzeuge die todbringende Wucht der Kriegswaffen noch heute spüren lassen.

Wolfgang Güttler von den Eisenbahnfreunden Schwerte zeigt eines der Einschusslöcher, die Bombensplitter im Zweiten Weltkrieg in den massiven Stahlträger gerissen haben. © Reinhard Schmitz
Aus diesem Grunde wollten die Eisenbahnfreunde den Träger unbedingt erhalten, auf dem fast 100 Jahre lang das Bahnsteigdach an den Gleisen ruhte, wo die Züge nach Dortmund und Iserlohn abfahren.
Die Deutsche Bahn spielte mit, als sie Ende 2018 bei der Rundum-Modernisierung des Bahnhofs alle Bahnsteigdächer erneuerte. Der Stahlträger an der Treppe, die zum Bahnsteigtunnel hinabführt, wurde mit einem großen „X“ gekennzeichnet, damit er nicht wie alles Andere zum alten Eisen wanderte.
Zur Einweihung gibt es am Donnerstag (1.7.) eine kleine Feier
Mithilfe vieler Partner, eines 2000-Euro-Heimatschecks vom NRW-Heimatministerium und zuletzt einer Spendensammlung im Internet gelang es den Eisenbahnfreunden, das historische Stück zu renovieren. Es wurde entrostet, gesandstrahlt und neu lackiert.

Am Haken eines Mobilkrans der Firma Sälzer schwebte der restaurierte Bahnsteigdachträger zu seinem neuen Aufstellort auf dem Bahnhofsvorplatz. © Reinhard Schmit
An einem Standort am Bahnhofsvorplatz, der mit der Stadt abgesprochen wurde, entstanden nach den Berechnungen eines Statikers dicke Betonfundamente. Dort schwebte der Dachträger am Mittwoch (23.6.) am Haken eines Mobilkrans der heimischen Firma Sälzer ein. Mitarbeiter des Bauhofs richteten ihn mithilfe von Holzkeilen und Stahlstreben aus und befestigten ihn mit flüssigem Beton.
Als Ergänzung geplant ist noch eine Tafel, die Vorbeikommenden die Geschichte des neuen Denk- und Mahnmals erklärt. Offiziell eingeweiht werden soll es am Donnerstag (1.7.). Zu der kleinen Feier haben die Eisenbahnfreunde für 10.30 Uhr einige Gäste eingeladen, darunter auch Bürgermeister Dimitrios Axourgos. Sie bildet den Abschluss eines Projekts, das wieder ein Zeichen setzt für erfolgreiches bürgerschaftliches Engagement in Schwerte.
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
