Haus Schneider in Ergste schließt im Oktober
Dorftreffpunkt mit Tradition
Echte Trauer mischte sich in die gespielten Tränen zur Bacchus-Beerdigung: Zum endgültig letzten Mal wurde am Aschermittwochabend die Puppe des trinkfesten Schwerenöters im Haus Schneider zu Grabe getragen. Die traditionsreiche Ergster Dorfkneipe schließt zum 31. Oktober ihre Pforten - nach einer über 350-jährigen Tradition.

Die Gaststätte Haus Schneider schließt Ende Oktober.
„Das ist der letzte Tag“, verkündet Wirtin Ute Schneider, die dann seit 35 Jahren hinter dem Tresen steht – seit dem Tode ihres Ehemanns Jürgen im Juni 2013 ganz alleine. Jetzt geht sie selbst auf das Rentenalter zu und muss auch an ihre Gesundheit denken, so dass nach langen Überlegungen in der Erbengemeinschaft die Entscheidung fiel, das komplette Grundstück an einen Investor zu verkaufen.
Keine andere Möglichkeit
„Es war absolut keine andere Möglichkeit da“, sagt die Wirtin, die immer eine Sechs-Tage-Woche leistete – und den eigentlich freien Dienstag allzu oft opferte, wenn Beerdigungsfeiern oder Ähnliches vor der Tür standen: „Ich hab' vor der Arbeit nie Angst gehabt.“ Doch wozu noch länger durchhalten, wo selbst in der entfernteren Familie keiner in Sicht ist, der den Gaststättenbetrieb weiterführen will. Ob jetzt oder in ein, zwei Jahren – der Schlussstrich wäre sowieso gekommen.
Damit endet am Mühlendamm eine mehr als 350-jährige Tradition, die mit einem Gasthof Zur Linde begonnen hatte. Später wurde das Fachwerkhaus, hervorgegangen aus einem Bauernhof, von der Familie Schneider übernommen. Nachdem Brandbomben in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs das Anwesen zerstört hatten, bauten es die Eltern wieder auf, erinnert sich Hanne Schneider, die Schwägerin der Wirtin. Die Landwirtschaft wurde Ende der 1950er-Jahre eingestellt, anstelle der Stallungen entstand das Wohnhaus.
Treffpunkt des Dorfes
Als der Vater von Hanne Schneider in den 1970er-Jahren starb, wurde die Gaststätte an wechselnde Pächter vermietet, bevor Ute und Jürgen Schneider sie 1981 übernahmen. Sie wurde zum Treffpunkt des Dorfes, zum Vereinslokal vieler Gruppierungen wie Schachfreunden und Sängerbund, der Fußballabteilung von Eintracht Ergste und der Volksbühne, von Nachbarschaften und Sparclubs.
„Es ist mir schwer gefallen, mit den Vereinen zu sprechen“, gibt Ute Schneider unumwunden zu: „Es tut mir selber so aufrichtig leid.“ Der Männergesangverein Sängerbund beispielsweise probt und tagt seit seiner Gründung im Jahre 1864 in ihrem Lokal. „Der Vorstand muss sich was einfallen lassen“, sagt der Ehrenvorsitzende Günter Brünger. Denn ein ähnliches Lokal ist in der Ortsmitte weit und breit Fehlanzeige. Deshalb befürchtet Brüger sogar: „Im Moment hängt die Zukunft des Vereins davon ab.“
„Es ist sehr schade“
Notfalls nach Schwerte auszuweichen, ist eine Überlegung bei der Volksbühne Ergste, die sich im Haus Schneider zu ihren Jahreshauptversammlungen, Stammtischen und Premierenfeiern traf. „Es ist sehr schade“, bedauert die Vorsitzende Eveline Berretta, die eigentlich in diesem Jahr auch die Weihnachtsfeier in dem Saal ausrichten wollte. Bei der Vorstandssitzung im Mai müsse nach Alternativen gesucht werden.
Die hat der Bacchus, der seit immer strenger gewordenen Umweltschutz-Auflagen schon lange nicht mehr in den Ruhrwiesen verbrannt wurde, bereits gefunden. „Den hab' ich einem Gast aus Köln versprochen“, verrät Ute Schneider. Samt Sarg und Kranz trete er seine letzte Reise nach Köln an, wo er für einen ähnlichen Brauch zum „Nubbel“ umgetauft wird.