
© Martina Niehaus
Kleine Schutzengel für Polizisten: „Wir sind alle sehr gerührt“
Getötete Polizisten
Zwei Polizisten sind am 31. Januar in Rheinland-Pfalz erschossen worden. Noch am selben Tag besuchte ein kleines Mädchen die Schwerter Polizeiwache – mit einem besonderen Geschenk.
Es ist Montagmorgen am 31. Januar, als Polizeihauptkommissar Werner Wittkämper auf dem Weg zur Schwerter Polizeiwache die Nachricht im Radio hört: Eine 24-jährige Polizeianwärterin und ein 29-jähriger Polizist sind bei einer nächtlichen Verkehrskontrolle bei Kusel in Rheinland-Pfalz erschossen worden.
„In so einem Moment ist man schon sehr betroffen und sprachlos“, erzählt der 49-jährige Wachleiter. Die Kollegen, die er auf der Wache trifft, haben teilweise schon von der Tat gehört. Andere wissen es noch gar nicht. „Per Mail sind wir alle sehr schnell informiert worden“, sagt Werner Wittkämper. „Einsätze mit gravierenden Folgen“, heißt es dann im Polizeijargon.
Werner Wittkämper spricht mit den Vorgesetzten der Kolleginnen und Kollegen. Alle sind entsetzt von den Ereignissen. „Man hat natürlich sofort so eine Situation vor Augen. Jeder kennt das. Da muss man auf die Ängste und Sorgen der Leute reagieren.“
Ein Mädchen übergibt zwei kleine Schmetterlinge aus Holz
An diesem Montag, der eher von Hektik und emotionalem Stress geprägt ist, klingelt irgendwann eine Frau an der Tür der Schwerter Polizeiwache an der Hagener Straße 13. Sie hat ihre Tochter an der Hand. Die Grundschülerin hat ein Geschenk mitgebracht, das sie einer Polizei-Oberkommissarin übergibt.
Es sind zwei kleine Schmetterlinge aus Holz. Einer ist rot, der andere blau bemalt. Sie sollen als Engel die getöteten Kollegen aus Kusel symbolisieren. Gleichzeitig sind sie als Schutzengel für alle Polizisten gedacht.
Ganz schnell sind Mutter und Tochter wieder weg – ohne dass die Polizeibeamten in der Hektik des Moments ihre Namen aufgeschrieben haben. „Wir hatten erst gar keine Personalien von den beiden“, formuliert es Christian Stein von der Pressestelle der Polizei Unna. „Dabei wollten wir uns so gern bedanken.“
Über die sozialen Netzwerke startet die Polizei einen Aufruf – und die Mutter meldet sich. „Die Kollegin ist dann hingefahren und hat der Kleinen und ihrer Schwester Polizeistofftiere geschenkt“, erzählt der Wachleiter. „Die waren ganz happy.“
„Man weiß nie, wer bei einer Kontrolle im Auto sitzt“
Werner Wittkämper ist sichtlich bewegt von dieser kleinen Geste. Obwohl die getöteten Kollegen nicht zu seiner Wache gehörten, geht ihm die Situation nahe. „Es wird inzwischen viel für die Sicherheit der Beamten getan“, sagt er. Es gebe Bodycams, bessere Schutzausrüstung oder Taser, die eigentlich „Distanzelektroimpulsgerät“ heißen. Das Training sei sehr intensiv, die Vorbereitung auf kritische Situationen gut.
Doch der Wachleiter weiß, dass trotz allen Trainings ein Restrisiko bleibt: „Wenn man nachts ein Auto anhält, weiß man nie: Sitzt da ein Familienvater mit seinen Kindern drin? Oder springen da möglicherweise vier Leute mit Waffen raus?“ Man sei nie gefeit gegen solche Ereignisse wie die in Rheinland-Pfalz.
„Wir wissen, Sie sind eine große Polizeifamilie“
Eine weitere ganz besondere Geste ist der Besuch des Schwerter Integrationskurses der Bildungsplattform „Prisma“. Frauen, Männer und Kinder besuchen nur wenige Tage nach dem kleinen Mädchen die Polizeiwache. Die Kinder überreichen ein Bild, das sie gemalt haben, und das die beiden Polizisten zeigt.

„Wir wissen, Sie sind eine große Familie.“ Eine Schwerter Gruppe der Bildungsplattform „Prisma“ hat die Polizeiwache in Schwerte besucht. © Kreispolizeibehörde Unna
Die Gruppe, die zum Großteil aus Geflüchteten mit türkischstämmigem Hintergrund gehört, hält eine kleine Rede. „Wir sind heute hier, bei der Familie der Verstorbenen. Denn wir wissen, Sie sind eine große Polizeifamilie“, heißt es darin.
„Wir sehen unter den Uniformen Menschen wie du und ich, die sich nach Dienstende auf die Familie und Freunde freuen.“ Als Flüchtlinge aus der Türkei wüssten sie genau, was es heißt, „die Demokratie und die Menschen zu schützen“.
„Ich bekomme eine Gänsehaut“
Werner Wittkämper ist überwältigt, wenn er an diesen Besuch denkt. „Ich war sehr überrascht. Das war ergreifend.“ Und Christian Stein ergänzt: „Ich bekomme da eine richtige Gänsehaut.“ Politisch Verfolgte, die möglicherweise in ihrem Land selbst Opfer von Polizeigewalt geworden sind, sprechen diese Worte.

Ein kleines Mädchen hat dieses Bild gemalt und in die Schwerter Polizeiwache gebracht. © Martina Niehaus
Viele Menschen, auch aus Schwerte, haben der Polizei über die sozialen Netzwerke ihre Anteilnahme ausgesprochen. Diese Wertschätzung sei für die Kollegen, die „24/7 auf der Straße unterwegs“ seien, wie Christian Stein es formuliert, „unheimlich wichtig“. Deshalb habe man die „unfassbar“ vielen Beiträge inzwischen aufgearbeitet und ins Intranet gestellt.

Wachleiter Werner Wittkämper (49) ist gerührt von den vielen Beileidsgesten. © Martina Niehaus
Demonstranten bedanken sich am Montag bei der Polizei
Und Werner Wittkämper betont eine ganz besondere Atmosphäre am vergangenen Montag (7.2.) in Schwerte. An dem Montag, als das „Bündnis gegen Rechts“ und das „Bündnis gegen Corona-Maßnahmen“ in der Ruhrstadt auf die Straße gegangen seien. Die Polizeibeamten hatten diese angemeldeten Demonstrationen begleitet.
„Von beiden Seiten sind Menschen auf uns zugekommen. Sie haben uns ihr Beileid ausgesprochen. Und haben sich bei uns dafür bedankt, dass wir da sind und für Sicherheit sorgen“, erzählt er. Gerade in den letzten Jahren seien solche Äußerungen „eher selten“ gewesen. Die Einsatzkräfte der Schwerter Polizei haben an diesem Montag, eine Woche nach dem gewaltsamen Tod von zwei Kollegen, einen besonderen Moment der Einigkeit und Anteilnahme erlebt.
Begegnungen mit interessanten Menschen und ganz nah dran sein an spannenden Geschichten: Das macht für mich Lokaljournalismus aus.
